Das Gebäude des Internationalen Gerichtshofs ist durch ein Gitterzaun zu sehen.

Wegen Entschädigungsforderungen Deutschland verklagt Italien vor dem IGH

Stand: 30.04.2022 14:09 Uhr

Wegen neuer Entschädigungsforderungen für NS-Kriegsverbrechen hat Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof Klage gegen Italien eingereicht. Dieser hatte schon einmal entschieden, dass private Forderungen unzulässig sind.

Deutschland hat im Streit um Entschädigungszahlungen wegen Nazi-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg in Italien Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gegen Rom eingereicht. Die Bundesrepublik werfe Italien vor, trotz eines Urteils des IGH aus dem Jahr 2012 mehrere neue Verfahren gegen Deutschland zugelassen zu haben, teilte der Gerichtshof mit.

Das höchste Gericht der Vereinten Nationen hatte vor zehn Jahren nach einem langen Rechtsstreit geurteilt, dass Deutschland italienische Militärinternierte und andere italienische NS-Opfer nicht individuell entschädigen müsse. Es untermauerte damit den Rechtsgrundsatz der Staatenimmunität, nach dem die von Privatklägern in Italien erstrittenen Urteile unwirksam sind. 

Die Bundesregierung argumentiert, dass die Entschädigungsfrage nach dem Krieg im Rahmen zwischenstaatlicher Abkommen gelöst worden sei. Sie hatte den IGH Ende 2008 angerufen, um prüfen zu lassen, ob in Italien gefällte Urteile mit dem Völkerrecht vereinbar sind, die Deutschland zur Zahlung von Entschädigungen verpflichteten. Die Urteile bezogen sich auf Taten, die zwischen September 1943 und Mai 1945 während der deutschen Besatzung in Italien begangen wurden.

Italienisches Verfassungsgericht widerspricht IGH

Die Bundesregierung bezog sich dabei insbesondere auf ein Urteil des italienischen Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2014, das "individuelle Klagen von Opfern von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen souveräne Staaten" zulässt. Dieses Urteil sei "in bewusster Verletzung des Völkerrechts und der Pflicht Italiens ergangen, einem Urteil des wichtigsten Rechtsorgans der Vereinten Nationen nachzukommen", heißt es in der Klageschrift.

Deutsche Immobilien vor Versteigerung

Nach Angaben des IGH spricht die Klageschrift von "mindestens 25 neuen Klagen" gegen Berlin. In mindestens 15 Verfahren seien "Ansprüche gegen Deutschland im Zusammenhang mit dem Verhalten des Deutschen Reichs während des Zweiten Weltkriegs erhoben und beschlossen" worden. Die deutsche Klageschrift fordert vom IGH eine Verurteilung Italiens, weil es widerrechtlich "Zwangsmaßnahmen gegen deutsches Staatseigentum in Italien" ergriffen oder angedroht habe. Davon betroffen seien unter anderem das Deutsche Archäologische Institut Rom, das Goethe Institut, das Deutsche Historische Institut sowie die Deutsche Schule in Rom.

Ein Gericht hatte bekanntgegeben, dass es bis zum 25. Mai entscheiden werde, ob ein Verkauf der Gebäude angeordnet werden soll. Bis zu einer Grundsatzentscheidung des Gerichtshofs dürfe keines der aufgeführten Objekte "Gegenstand einer öffentlichen Versteigerung sein", heißt es in der Klageschrift.

Italien müsse dafür sorgen, dass alle von den Gerichten getroffene Entscheidungen für unwirksam erklärt werden. Zudem müsse es für alle durch die Verletzung der Staatenimmunität entstandenen Schäden aufkommen. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 30. April 2022 um 12:00 Uhr in den Nachrichten.