Ein Kampfflugzeug vom Typ F-16
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US-Unterstützung für Ukraine Was die Kampfjet-Entscheidung bedeutet

Stand: 20.05.2023 14:45 Uhr

Nach langem Zögern ist US-Präsident Biden der Ukraine in der Kampfjet-Frage entgegengekommen. Was genau ist geplant? Warum ist die US-Entscheidung so wichtig? Und wie positioniert sich Deutschland?

Was genau ist geplant?

Zunächst einmal unterstützen die USA die Ausbildung ukrainischer Piloten an Kampfflugzeugen der vierten Generation, einschließlich der F-16-Jets. "Während das Training in den kommenden Monaten stattfindet, wird unsere Koalition von Staaten, die an diesen Bemühungen beteiligt sind, entscheiden, wann tatsächlich Jets geliefert werden, wie viele wir zur Verfügung stellen werden und wer sie zur Verfügung stellen wird", sagte ein US-Regierungsvertreter. Dass er das Wort "wann" und nicht "ob" verwendete, gilt als das bislang stärkste Zeichen der Bereitschaft der USA, Kampfjet-Lieferungen zuzustimmen. Wer am Ende tatsächlich Maschinen bereitstellt, ist offen. Klar ist vorerst nur, dass die Ausbildung der Piloten außerhalb der Ukraine an Standorten in Europa stattfinden wird und möglichst schon in den kommenden Wochen beginnen soll.

Haben die USA selbst eine Lieferung von F-16 zugesagt?

Nein, die US-Regierung hat das ausdrücklich offengelassen. Allerdings ist nun der Weg geebnet dafür, dass andere Länder F-16 aus ihren Beständen an die Ukraine abgeben können. US-Präsident Joe Biden hat grundsätzlich Zustimmung signalisiert, auch wenn die konkreten Entscheidungen dazu erst im nächsten Schritt fallen sollen. Denkbar ist durchaus, dass die USA am Ende selbst gar keine Flieger bereitstellen.

Warum kommt den USA bei den Jets eine so große Rolle zu?

Die F-16 werden von der US-Firma Lockheed Martin gebaut. Die USA als Herstellerland müssen daher auch jeden Export von F-16 aus den Beständen Verbündeter genehmigen - unabhängig von der Frage eigener Lieferungen. Wegen der sensiblen Technologie der Jets habe sie zudem selbst Mitsprache dabei, wer daran ausgebildet wird. Den europäischen Partnern waren ohne Zustimmung der USA also die Hände gebunden.

Welche Länder haben F-16, und wer will sich beteiligen?

Als Lieferländer für die F-16 kommen neben den USA noch diverse andere Staaten wie die Niederlande, Belgien, Polen, Dänemark und Griechenland in Frage. Sie alle nutzen den leistungsfähigen Jet. An der Pilotenausbildung wollen sich zudem auch Großbritannien und Frankreich beteiligen, die selbst keine F-16 im Einsatz haben.

Ist Deutschland an der Kampfjet-Koalition beteiligt?

Davon ist nicht auszugehen. Kanzler Olaf Scholz hat die Lieferung von Kampfjets westlicher Bauart schon vor Wochen als nicht sinnvoll bezeichnet. Außerdem weist er darauf hin, dass Deutschland bereits zu den wichtigsten Waffenlieferanten für Kiew zählt. Berlin hat eine Allianz zur Lieferung von "Leopard 2"-Kampfpanzern aus deutscher Produktion geschmiedet und erst vergangene Woche ein weiteres, 2,7 Milliarden Euro schweres Waffenpaket geschnürt. Scholz' Devise ist nun: Keine Waffensysteme neuer Qualität, sondern mehr vom selben - vor allem Flugabwehrsysteme, Panzer, Artillerie, Munition. SPD-Chef Lars Klingbeil bekräftigte dies auch nach der US-Entscheidung erneut: "Jeder hat unterschiedliche militärische Fähigkeiten", sagte er der "Rheinischen Post". "Die Kampfjets gehören bei uns nicht dazu." F-16 hat Deutschland ohnehin nicht zu bieten, die Bundeswehr fliegt Eurofighter und Tornados. Großbritannien und Frankreich engagieren sich aber trotzdem in der Kampfjet-Allianz.

Warum haben die Amerikaner so lange gezögert?

Sorge bereitete den USA, dass die westlichen Kampfjets womöglich für Attacken über russischem Gebiet eingesetzt werden und Moskau so zur Eskalation des Krieges über die Ukraine hinaus veranlassen könnten. Auch den großen Aufwand bei der Ausbildung der Piloten und der Techniker, die die Jets instand halten müssen, brachten die Amerikaner als Einwand vor. Nicht zuletzt sind die F-16 sehr teuer und würden den finanziellen Spielraum für andere Waffensysteme einschränken. Der Faktor Geld ist nicht unbedeutend: Die Republikaner haben mit ihrer neuen Macht im US-Kongress bereits gedroht, die Ukraine-Hilfen nicht mehr im ganz großen Stil zu bewilligen.

Warum hat Biden ausgerechnet jetzt eingelenkt?

Europäer drängten die USA zuletzt zunehmend, sich zu bewegen. Hinter vorgehaltener Hand schlossen die Amerikaner nie aus, am Ende doch F-16 zu liefern oder Partnern dabei zumindest nicht im Weg zu stehen - nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern im Zweifel auch nur, um die Allianz der Ukraine-Unterstützer zusammenzuhalten. Genau das ist nun eingetreten - und nicht zum ersten Mal. Auch der Bereitstellung eigener Kampfpanzer an Kiew etwa stimmten die USA erst nach langem Zögern zu, um Deutschland Rückendeckung für die Lieferung seiner "Leopard"-Panzer zu geben. Das Timing dürfte außerdem mit Selenskyjs Überraschungsbesuch beim G7-Gipfel in Japan zusammenhängen. Die G7-Staaten wollten ihn offenbar nicht mit leeren Händen nach Hause schicken.

Wie begründen die Amerikaner die Entscheidung selbst?

Die US-Regierung selbst will nicht von einer Kehrtwende sprechen. "Es hat sich nichts geändert", sagte Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan am Rande des G7-Gipfels. Die USA hätten F-16-Kampfjets nie vom Tisch genommen. Zuvor sei jedoch schlicht nicht die Zeit dafür gewesen. Die Entscheidung über Waffenlieferungen an Kiew seien von Anfang an an den Erfordernissen des Kriegsgeschehens ausgerichtet gewesen. Die USA hätten alles Versprochene geliefert. Nun gehe es darum, in die Zukunft zu blicken und zu schauen, was das ukrainische Militär langfristig brauche, um Russland abzuschrecken und abzuwehren. Da kämen die Jets ins Spiel.

Was erhoffen sich die Ukrainer von den Kampfjets?

Sie gehen davon aus, dass sich mit den F-16 die Zahl erfolgreicher russischer Raketen- und Drohnenangriffe deutlich reduzieren lassen könnte. Dazu würden sie im Verbund mit bodengestützten Flugabwehrsystemen eingesetzt. Zudem will die Ukraine westliche Kampfjets, um sie bei Offensiven gegen die russischen Angreifer zur Unterstützung der Bodentruppen einzusetzen. "F-16 werden es uns ermöglichen, unseren Himmel zu kontrollieren, unsere Truppen zu schützen, ihre Verluste zu reduzieren und die Chancen unserer Piloten zu erhöhen, Luftkämpfe zu überleben", schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba jüngst in einem Gastbeitrag für das US-Fachmagazin "Foreign Policy". Eine Lieferung von F-16 könne dadurch auch für ein schnelleres Kriegsende sorgen.

Mit Material von dpa