Programm zur Europawahl Grüne erwägen Kurswende bei CO2-Speicherung
Die Grünen wollen sich für die unterirdische Speicherung von CO2 öffnen - ein Verfahren, das sie lange abgelehnt haben. Aus dem Entwurf des Programms zur Europawahl geht zudem hervor, dass sie ein EU-weites Investitionsprogramm fordern.
Die Grünen wollen sich für die umstrittene unterirdische Speicherung von Kohlendioxid öffnen. Das geht aus dem Entwurf für das Wahlprogramm zur Europawahl im Juni 2024 hervor. Darin heißt es, um die Klimaziele zu erreichen, müsse man schnell raus aus Kohle, Öl und Gas und rein in erneuerbare Energien und Wasserstoff.
In einigen wenigen Bereichen werde es aber auch in Zukunft Emissionen geben, die schwer oder nach heutigem Stand der Technologie gar nicht zu vermeiden seien, etwa in der Zementindustrie. "In diesen Bereichen wollen wir technologische Chancen nutzen und das CO2 direkt bei der Produktion abscheiden, speichern und gegebenenfalls nutzen", hält der Entwurf fest.
Es solle ein europaweit einheitlicher Regelungsrahmen geschaffen werden. Zuerst hatte die "Süddeutsche Zeitung" über den Kurswechsel berichtet. Im Grünen-Programm zur Europawahl 2019 hieß es noch, "Risikotechnologien" wie die CO2-Abscheidung und -Speicherung würden wegen der unabsehbaren Gefahren für Gesundheit, Trinkwasser und Umwelt abgelehnt.
Grüne wollen großangelegtes Investitionsprogramm
Die Grünen schlagen im Entwurf des Programms für die nächste Europawahl zudem ab 2026 ein großes "Investitionsprogramm für Innovation und Resilienz" vor. Europa solle im Rahmen einer "Infrastrukturunion" durch starke gemeinsame Infrastrukturen weiter zusammenwachsen - mit einem "voll ausgebauten und integrierten europäischen Schienen-, Strom- und Wasserstoffnetz". Die Grünen wollen ein "europaweit einheitliches Ticketsystem", das Reisen mit dem Zug attraktiver mache. Außerdem sollten Entschädigungsregeln für Bahnverspätungen verbessert werden.
Die "Infrastrukturunion" soll auch klimafreundliche Wasserstoffnetze, Glasfaserleitungen, Stromtrassen, Windparks und Solarpanele umfassen. Ein konkretes Volumen für das Investitionspaket wurde allerdings nicht genannt. "Wir können uns Investitionsstaus auf diesem Kontinent nicht leisten", sagte Co-Parteichef Omid Nouripour.
Entwurf soll nun diskutiert werden
Der Entwurf des Bundesvorstands soll nun innerhalb der Partei diskutiert werden. Änderungsanträge sind noch in den nächsten fünf Wochen möglich. Co-Chefin Ricarda Lang sagte, der Vorstand habe seine Akzente und Schwerpunkte gesetzt. Das endgültige Programm soll bei einem Parteitag im November in Karlsruhe beschlossen werden.
Ein strittiger Punkt dabei dürften die Formulierungen werden, mittels neuer Technologien CO2 zu speichern und zu nutzen, was die Partei lange abgelehnt hat. Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck, früher selbst Co-Chef der Grünen, will dies nun ändern. Die Technik ist bislang noch verboten in Deutschland, wird aber anderswo genutzt, etwa in Norwegen.
Die Debatte müsse geführt werden, sagte Nouripour. Auf die sogenannte CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) könne nicht mehr per se verzichtet werden. "Es wird sicher spannend", so Nouripour mit Blick auf den Parteitag.
Grüne wollen weg vom EU-Einstimmigkeitsprinzip
Neben dem ökologischen Umbau und der sozialen Gerechtigkeit in Europa ist die Außen- und Sicherheitspolitik ein weiteres zentrales Thema des Wahlprogramms. Hier sollen Mehrheitsentscheidungen statt des geltenden Einstimmigkeitsprinzips für mehr Handlungsfreiheit in der EU sorgen.
Die Selbstverständlichkeit von Frieden in Europa sei durch den russischen Angriffskrieg fundamental infrage gestellt worden, sagte Lang. "Hier kann ein starkes und geeintes Europa die Sicherheit bieten, nach der sich viele Menschen sehnen", warb sie für eine Stärkung der EU.
"Weil wir wissen, dass wir gemeinsam mehr erreichen können als im nationalen Alleingang, wollen wir die Europäische Union demokratischer und nahbarer machen", heißt es zudem in der Präambel des Programmentwurfs. Betont werden Kompromissbereitschaft und Pragmatismus.
Um Fortschritte zu erzielen, "sind wir bereit, über unseren Schatten zu springen, wenn es bedeutet, dass wir dadurch gemeinsam vorankommen". In der Migrationspolitik sollten "Humanität und Ordnung im Einklang miteinander stehen", sagte Nouripour.