Plenarsitzung des Europäischen Parlaments
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Europäisches Parlament Sorge vor Einmischung

Stand: 06.05.2023 19:48 Uhr

Mit Fake-News-Kampagnen und versteckten Finanzierungen wollen ausländische Staaten die EU-Wahlen 2024 beeinflussen - das ist das Ergebnis eines Berichts von EU-Abgeordneten. Nun will man sich wappnen.

Noch knapp ein Jahr ist es hin, dann wird in der Europäischen Union erneut gewählt. Hunderte Millionen Europäerinnen und Europäer werden dann über ein neues Parlament in Brüssel abstimmen.

Aber schon jetzt sorgen sich Abgeordnete des EU-Parlaments vor einer Einmischung aus dem Ausland. Sie befürchten, dass die Versuche der Einflussnahme und die Manipulation von Informationen vor den Wahlen zunehmen werden.

Ausländische Akteure haben sich bereits für nächste EU-Wahl in Stellung gebracht

Tobias Dammers, ARD Kiew, Europamagazin, 07.05.2023 12:45 Uhr

Russland, China, Iran

Vor einigen Tagen hat das zuständige Komitee des EU-Parlaments einen Bericht zu der ausländischen Einflussnahme vorgelegt. Auf 43 Seiten beschreiben die Abgeordneten verschiedenster Parteien, welche Gefahren besonders präsent sind - und von wem sie ausgehen.

"Die Einflussnahme gibt es schon längst", sagt Viola von Cramon von den Grünen. Sie hat an der Analyse mitgeschrieben. Es seien vor allem "autoritäre Staaten", von denen Gefahr ausgehe. Russland, China und der Iran werden explizit in dem Bericht genannt, aber auch Marokko oder Katar. Es seien Akteure, so von Cramon, die ein Interesse daran haben, "demokratische Institutionen zu schwächen oder ganz zu zerstören" und das Konzept der EU "aus den Angeln zu heben".

Fake-News, verdeckte Finanzierung, Destabilisierung

Laut dem Bericht verbreitet Russland aktiv Falschinformationen, beispielsweise zum Krieg in der Ukraine und zur Lage der globalen Ernährungs- und Energiesicherheit. Aber die EU-Parlamentarier führen noch andere Mittel der Einflussnahme auf: So prangern sie an, dass "politische Eliten" in Deutschland die Interessen des russischen Gas-Riesen Gazprom gefördert hätten. Außerdem engagiere sich Russland im Hacking von EU-Accounts sowie in der verdeckten Finanzierung europäischer Politiker und Parteien.

Im Hinblick auf China warnt der Bericht insbesondere vor der Abhängigkeit der EU von dem asiatischen Land und vor chinesischen Software- und Technologiekonzernen wie TikTok, Huawei oder Nuctech, einem Hersteller von Sicherheitsausrüstung. Die Social-Media-App TikTok sei etwa eine "Quelle chinesisch unterstützter Desinformation". Außerdem sorgen sich die Abgeordneten, dass durch die engen Partnerschaften und Finanzierungen von europäischen Universitäten mit China sensibles Wissen dem chinesischen Militär zufallen könnte.

"Wachsender Einfluss autoritärer Geheimdienste"

Auch der Iran, die Türkei, Marokko und Katar werden erwähnt. Marokko und Katar wegen ihrer mutmaßlichen Einflussnahme und Bestechung von aktiven und ehemaligen EU-Parlamentarieren. Insgesamt stellt der Bericht einen "wachsenden Einfluss autoritärer Geheimdienste" in Brüssel fest.

Doch es sind nicht nur Staaten, von denen die EU-Abgeordneten eine Gefahr ausgehen sehen. Die privaten Digital-Plattformen Twitter, Telegram, Apple, Odysee, Google und Meta werden kritisiert, beispielsweise weil sie gefährlichen Online-Content nicht schnell genug löschen würden oder nicht ausreichend mit den Behörden kooperieren würden.

Aufforderung zum Umdenken

Um die europäische Demokratie und die EU-Wahlen 2024 vor ausländischer Einflussnahme zu schützen, schlagen die Europaabgeordneten eine Prioritätenliste vor. Auf dieser Liste sollen sogenannte "Hochrisiko-Länder" stehen, von denen besondere Gefahr ausgehe.

Anhand mehrerer Kriterien sollen diese Länder identifiziert werden: ob ein Land die Demokratie und Menschenrechte achte, ob es in der Vergangenheit versucht habe, sich im Ausland einzumischen oder ob eine autoritäre Ideologie verbreiten wolle.

So entstehe "eine Schnittmenge", so von Cramon, die nicht mehr "auf allzu viele Staaten zutrifft". Mit dieser Prioritätensetzung sollen Ressourcen zum Schutz der EU geschont und zielgerichteter eingesetzt werden. Gleichzeitig fordern die Parlamentarier die EU-Kommission dazu auf, die Spur von Finanzierungen von ausländischen Geldgebern bis hin zu den Empfängern besser nachzuverfolgen.

Paket zu Verteidigung der Demokratie

Angesichts der Bedrohung aus dem Ausland ist auch die EU-Kommission alarmiert. Im September kündigte Kommissionspräsidentin von der Leyen ein "Paket zur Verteidigung der Demokratie" an.

Man werde "keinem trojanischen Pferd" von autoritären Staaten gestatten, die EU von innen heraus anzugreifen, sagte von der Leyen. Bislang liegt das Kommissionspaket allerdings noch nicht vor. Bis Ende Mai soll es fertig sein.

Warnung vor Fehlern und Schlupflöchern

Die Bedenken zu dem Kommissionspaket wachsen aber schon jetzt - beispielsweise bei Carolin Johnson von der Organisation European Partnership for Democracy. Sie begrüßt zwar die grundsätzliche Idee des Pakets, aber nennt die Pläne "eine verpasste Chance". Sie kritisiert, dass die Kommission sich nicht genügend Zeit für eine sorgfältige Gestaltung der Maßnahmen gelassen habe.

So vermutet sie, dass juristische Artikel, die die Grundlage für die geplante EU-Richtlinie dienen sollen, rechtlich keinen ausreichend sicheren Rahmen bieten. Außerdem befürchtet sie, dass die geplante EU-Richtlinie nicht ausreichen werde, verdeckte Finanzspritzen zu verhindern. Ausländische Akteure könnten ihre "Arbeitsweise" schnell und einfach "anpassen", Finanzzahlungen umdeklarieren und wären so nicht mehr von den Maßnahmen betroffen.

Die größten Gefahren lauerten im Innern

Außerdem sagt sie: Die größten Gefahren für die europäische Demokratie kämen nicht von außen, sondern von innen. Es seien Attacken auf Grundrechte, die Pressefreiheit, die Rechtsstaatlichkeit oder Korruptionsskandale wie im EU-Parlament, die den "Nährboden für illiberale Kräfte" bereiten würden.

Im Hinblick auf die nächsten EU-Wahlen fordert sie, dass sich die EU-Institutionen mehr um das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger bemühen müsse. Beispielsweise, "warum man zur Wahl kommen soll" und "warum es sich lohnt, auch an das europäische Projekt zu glauben".

Diese und weitere Reportagen sehen Sie im Europamagazin - am Sonntag um 12.45 Uhr im Ersten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Europamagazin am 07. Mai 2023 um 12:45 Uhr.