Blick auf ein teilweise zerstörtes Wohnhaus im Stadtteil Saltiwka in Charkiw. | dpa
Reportage

Charkiw reagiert auf Beschuss "Dann ziehen wir uns warm an"

Stand: 12.10.2022 03:46 Uhr

In Saltiwka - einem Stadtteil im Osten Charkiws - sind die Menschen an Raketenbeschuss gewöhnt. Hier griffen die russischen Truppen besonders heftig an. Wer geblieben ist, bereitet sich nun auf den Winter vor - und trotzt den russischen Attacken.

Von Rebecca Barth, WDR, zzt. Kiew

"Der Beschuss war doch kein Beschuss. Den stärksten Beschuss gab es hier ab dem 5. März. Im März, April. Wir waren zu Hause und fürchteten, dass unser Haus zusammenbrechen würde. Aber am Montag hat es doch nur ein bisschen geknallt. Nicht wie vorher." Das sagt Wiktoria Ponomarenko - eine rundliche Frau aus Charkiw über die massiven russischen Raketenangriffe am Montag auf die Ukraine.

Ponomarenko lebt im Charkiwer Stadtviertel Saltiwka, das im Krieg besonders heftig beschossen und zerstört wurde. Sie steht mit ihrer alten Freundin Ljubow Stepanowa auf dem Markt. Schuhe und Kleidung bieten die Frauen auf provisorischen Klapptischen an. Denn der Markt ist durch Granatenbeschuss schwer beschädigt. Hinter den Frauen ragen nur noch rostige Stahlträger in den Himmel - dennoch ist ihr Optimismus ungebrochen:

Wir warten auf das Ende, dass es glimpflich ausgeht. Natürlich wird die Ukraine gewinnen, daran haben wir keinen Zweifel. Das ist unser Territorium. Wer uns mit dem Schwert angreift, wird auch durch das Schwert sterben.

Russland greift vor dem Winter Energieinfrastruktur an

Trotz allem Optimismus steht der Ukraine offenbar ein harter Winter bevor. Am Montag griff Russland gezielt Objekte der ukrainischen Energieinfrastruktur an. In tausenden Siedlungen fiel daraufhin zumindest zeitweise der Strom aus. Und durch die Kampfhandlungen gibt es in weiten Teilen der Ostukraine weder fließend Wasser noch eine funktionierende Heizung. Doch das schüchtert Verkäuferin Wiktorija Ponomarenko nicht ein.

Wir leben so, wie wir es jeden Tag tun. Was passiert, passiert eben. Wenn es kalt wird, wird es kalt. Ich habe eine Wohnung und Fenster. Unsere Wohnung ist intakt, nicht zerstört oder abgebrannt. Wir ziehen uns warm an. Decken, Socken, Kissen, warme Mützen.

Die beiden Frauen vertrauen den Mitarbeitern der Stadtwerke. Strom-, Wasser- und Heizungsleitungen seien während des gesamten Krieges in Saltiwka immer wieder repariert worden.

Die meisten Wohnungen stehen inzwischen leer

Repariert - von Männern wie Taras. Er klettert mit seinen Kollegen unter dem Flachdach eines Hochhauses herum. Seit einer Woche reparieren die Männer bereits Heizungsrohre. Zwei weitere Wochen planen sie für das gesamte Gebäude.

Wir setzen Hähne und trennen sie ab, damit die Rohre getrennt funktionieren. Wenn es keinen Bedarf gibt, kann man das abtrennen. Es zirkuliert nur in den Wohnungen, in denen auch Menschen leben. 

Denn die allermeisten Wohnungen stehen in Saltiwka mittlerweile leer. In dem Gebäude, in dem Taras und seine Kollegen schuften, leben nur noch fünf Familien, sagt er. Und dennoch reparieren die Männer die Heizung. Taras Kollege fügt hinzu:

Wir bereiten alles für den Winter vor, damit es die Leute warm haben. Damit sie durch den Winter kommen. Wir arbeiten so schnell, hochwertig und zuverlässig wie möglich.