Ein Arzt hält sein Stethoskop im Royal Blackburn Lehrkrankenhaus in Großbritannien.

Studie aus Großbritannien Brexit hat Ärztemangel verschärft

Stand: 28.11.2022 12:08 Uhr

Bereits vor dem Brexit war Großbritannien auf Gesundheitspersonal aus europäischen Ländern angewiesen. Der EU-Austritt erschwert Ärzten und Pflegekräften das Arbeiten im Land. Die entstandene Lücke ist laut einer Studie größer als erwartet.

Der Brexit hat einer aktuellen Studie zufolge den akuten Ärztemangel in Großbritannien stärker verschärft als erwartet. Einer Untersuchung der Denkfabrik Nuffield Trust zufolge arbeiten derzeit mehr als 4000 europäische Ärztinnen und Ärzte weniger im britischen Gesundheitswesen, als vor dem Brexit prognostiziert wurde. Die Zeitung "Guardian" hatte die Studie in Auftrag gegeben.

Der Anstieg der Anzahl von Personal aus der EU und der Länder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) habe sich "verlangsamt" und sei "und unter den prognostizierten Anstieg gefallen", hieß es in der Studie. Zu den EFTA-Ländern zählen Norwegen, die Schweiz, Island und Liechtenstein.

Stärkere Auswirkungen auf Pflegepersonal

Im vergangenen Jahr arbeiteten etwa 37.000 Ärztinnen und Ärzte aus europäischen Ländern im Vereinigten Königreich. Ohne den Brexit wären es knapp 41.300 gewesen, heißt es. Betroffen seien vor allem die Fachbereiche Anästhesie, Kindermedizin, Herzchirurgie und Psychiatrie.

Noch deutlich stärkere Auswirkungen hat der Brexit demnach auf das Pflegepersonal, das aus anderen europäischen Staaten nach Großbritannien kommt. Derzeit gebe es 29.000 Pflegekräfte - ohne den Brexit wären es den Prognosen zufolge jedoch 87.000 gewesen. Im Geschäftsjahr 2021/22 kamen nur etwa ein Vierzehntel der EU-Kräfte ins Land, die noch 2015/16 einreisten. Allerdings stieg die Zahl der Fachkräfte aus anderen Ländern wie Indien und den Philippinen deutlich.

Hohe Kosten und bürokratischer Aufwand

Den "offensichtlichen Grund für die Trendwende in den Jahren 2015 und 2016" sehen die Forschenden im Ergebnis des Brexit-Referendums. Wegen des EU-Austritts Großbritanniens benötigen Fachkräfte nun Arbeitsvisa, die mit hohen Kosten und großem bürokratischem Aufwand verbunden sind.

Auch die "sich verschlechternden Arbeitsbedingungen" im Gesundheitssystem hätten zu dem Rückgang beigetragen. Der britische Gesundheitsdienst NHS ist chronisch unterfinanziert und unterbesetzt. Allein in England fehlen mehr als 10.000 Ärztinnen und Ärzte. Das britische Gesundheitswesen war demnach also bereits vor dem Brexit auf Personal aus der EU angewiesen.

Britisches Gesundheitsministerium widerspricht

Das britische Gesundheitsministerium wies die Ergebnisse der Untersuchung jedoch zurück. "Diese Analyse ist ungenau und wir erkennen ihre wichtigsten Schlussfolgerungen nicht an oder stimmen ihnen nicht zu", zitiert der "Guardian" einen Sprecher des Ministeriums. Man mache hingegen "bedeutende Fortschritte bei der Ausbildung und Einstellung" von medizinischem Personal. Demnach solle es aktuell sogar mehr Personal geben als noch in 2016.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Nova am 28. November 2022 um 08:50 Uhr.