Mitglieder von Ouattaras Truppen
Interview

Interview zum Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste "Auch Ouattara ist kein Saubermann"

Stand: 05.04.2011 08:30 Uhr

In der Elfenbeinküste steuert der Kampf zwischen dem abgewählten Präsidenten Gbagbo und dem anerkannten Nachfolger Ouattara auf eine Entscheidung zu. Ouattaras Truppen gelang es nach eigenen Angaben, die Residenz Gbagbos einzunehmen. Dem Sieger der Präsidentschaftswahlen gehe es um mehr Rechte für Benachteiligte im Norden, erklärt ARD-Korrespondent Schreiber im Gespräch mit tagesschau.de. Aber auch seine Truppen hätten viele Tote zu verantworten.

tagesschau.de: Was wissen Sie über die derzeitige Lage in der Elfenbeinküste?

Peter Schreiber: Die Lage in Abidjan ist zur Zeit brandgefährlich. Ein ivorischer Kameramann, mit dem ich im Januar noch zusammengearbeitet habe, hat seit Freitag das Haus nicht verlassen. Es gibt immer wieder Schüsse und Detonationen im Stadtzentrum in der Nähe des Präsidentenpalastes. Kaum ein Mensch ist auf der Straße zu sehen. Die Geschäfte und Banken sind geschlossen. In einigen Stadtteilen haben sich Bewaffnete beider Lager verschanzt. Bewaffnete Soldaten, die zum international anerkannten Präsidenten Ouattara halten, haben die Stadt umzingelt und bestimmte Viertel unter ihrer Kontrolle. Bewaffnete Studenten und Anhänger des abgewählten Präsidenten Gbagbo machen regelrecht Jagd auf Weiße: Weiße werden in der Regel mit Franzosen gleichgesetzt, und diese gelten als Unterstützer Ouattaras.

tagesschau.de: Ouattara wird international als Sieger der Präsidentenwahl vom November anerkannt. Doch was ist von ihm zu halten, insbesondere auch im Hinblick auf Berichte über ein Massaker in der Stadt Duékoué im Westen des Landes?

Schreiber: Ouattara ist kein Saubermann. Er war schon einmal Ministerpräsident, er war auch im Exil und er war Oppositionspolitiker. Auch er hat dunkle Flecken auf seiner Weste. Zum Beispiel das Massaker Anfang vergangener Woche: Die Stadt Duékoué war von Gbagbos Truppen gehalten worden. Als diese abgezogen waren, kamen Soldaten, die mit Ouattara verbündet sind. Sie rächten sich dafür, dass vorher Leute erschossen und Häuser geplündert worden waren. Da wurde regelrecht Massaker mit Massaker vergolten. Mit verantwortlich sind auch die Truppen von Ouattara, das sagen die UNO und das Rote Kreuz.

Mitglieder von Ouattaras Truppen

2011 erhob die UNO schwere Vorwürfe auch gegen die Truppen von Ouattara, die Anfang der Woche die Stadt Duékoué eingenommen haben.

Gbagbo hat fast die Hälfte der Bevölkerung hinter sich

tagesschau.de: Warum will Outtaras Gegner Gbagbo die Macht nicht abgeben, wenn er doch im November abgewählt wurde?

Schreiber: Gbagbo hält sich nach wie vor für den rechtmäßig gewählten Präsidenten. Er sagt, im Norden habe es Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gegeben. Deshalb dürften die Stimmen ganzer Bezirke nicht gezählt werden. Die UN-Wahlbeobachter sehen das anders. Für sie ist der klare Sieger Ouattara. Aber welche Version man auch nimmt, nach beiden Auszählungen haben beide Kandidaten über 40 Prozent der Stimmen bekommen. Und es geht letztlich um die Macht. Wer im Präsidentenpalast sitzt, kontrolliert die Geschäftsmetropole Abidjan und die Häfen. Er hat damit die Ausfuhr von Kakao, dem wichtigsten Exportgut, in der Hand. Es geht Gbagbo um Macht, Geld und Einfluss. Das will er auf keinen Fall aufgeben.

Ouattara will mehr Rechte für die Menschen im Norden

tagesschau.de: Könnte es sein, dass auch Ouattara diese Ziele verfolgt?

Schreiber: Alle seine Äußerungen lassen darauf schließen, dass er demokratische Verhältnisse etablieren will und dass er sich vor allem für die Menschen im Norden des Landes einsetzen will. Sie wurden wirtschaftlich benachteiligt und konnten bei den Wahlen im November erstmals abstimmen. Die Menschen dort sind vor allem die Nachkommen der Wanderarbeiter aus den Nachbarländern Mali und Burkina Faso. Die haben auch Ouattara gewählt, der ebenfalls aus dem Norden stammt. Ouattara geht es vor allem um eine Umverteilung der Macht, dass die Menschen im Norden wirtschaftlich aufgewertet werden, dass sie die gleichen Bürgerrechte bekommen wie die Menschen im Süden.

Internationale Bemühungen ohne Erfolg

tagesschau.de: Nach der Präsidentenwahl im November gab es internationale Bemühungen, den Konflikt zwischen Gbagbo und Ouattara zu lösen. Aber offenbar ist der Einfluss nicht groß genug?

Schreiber: Es gab eine UN-Resolution. Die Europäische Union verhängte einen Importstopp für Kakao aus der Elfenbeinküste. Sie fror auch die Bankkonten Gbagbos ein. Die Afrikanische Union versuchte monatelang, Gbagbo zum Aufgeben zu bewegen. Sie hat mit einer Militärinvasion gedroht. Es hat alles keine Folgen gehabt.

tagesschau.de: Es sind doch aber UN-Soldaten in der Elfenbeinküste stationiert?

Schreiber: Es gibt 12.000 UN-Soldaten in der Elfenbeinküste. Sie sind schlecht ausgerüstet und haben ein schwaches Mandat. Bislang haben sie sich aus den Kämpfen weitgehend herausgehalten. Gestern Abend haben UN-Kampfhubschrauber erstmals Militärlager der Gbagbo-Trupppen angegriffen. Zum Schutz der Zivilbevölkerung, wie die UNO sagt. Damit haben die UN-Blauhelme ihre bisherige Zurückhaltung aufgegeben. Sie sagen aber weiterhin, sie seien neutral. Es gibt zusätzlich 1500 französische Soldaten, die in der ehemaligen Kolonie stationiert sind. Auch sie haben gestern Abend Stellungen der Gbagbo-Truppen angegriffen, beschränken sich ansonsten aber auf die Sicherheit der Ausländer in der Elfenbeinküste. Es gibt immerhin mehr als 10.000 französische Staatsbürger dort.

tagesschau.de: Gibt es denn Lösungsvorschläge, wie der Konflikt beendet werden und weitere Opfer vor allem in der Zivilbevölkerung verhindert werden können?

Schreiber: Es gibt Appelle gerade an Ouattara, auf seine Truppen Einfluss zu nehmen, sich zurückzuhalten und die Menschenrechte zu respektieren. Inwieweit er damit zu den Kommandeuren seiner Truppen und zu seinen Anhängern vordringt, weiß ich nicht. Das steht in den Sternen. Ich sehe im Moment keine größeren Einflussmöglichkeiten von außen. Es deutet alles auf einen blutigen Endkampf in Abidjan, dem Machtzentrum, hin.

Das Interview führte Silvia Stöber, tagesschau.de

Das Interview führte Peter Schreiber, ARD Nairobi