Vernehmungen zu Pariser Anschlägen Abdeslam plante offenbar Selbstmordattentat

Stand: 19.03.2016 20:21 Uhr

Der mutmaßliche Terrorist Abdeslam kooperiert mit den Behörden - vermutlich, um eine Auslieferung nach Frankreich hinauszuzögern. In Vernehmungen sagte er, er habe sich bei den Pariser Attentaten in die Luft sprengen wollen, dann aber einen Rückzieher gemacht.

Es sind noch viele Fragen offen, was die Rolle angeht, die der mutmaßliche Terrorist Salah Abdeslam bei den Pariser Anschlägen im November spielte. Belgische Ermittler konnten den 26-Jährigen einen Tag nach seiner Festnahme im Brüsseler Stadtteil Molenbeek erstmals vernehmen.

Wie die französische Staatsanwaltschaft unter Berufung auf die belgischen Kollegen mitteilte, gab Abdeslam in den Befragungen zu, dass er sich bei den Attentaten in die Luft sprengen wollte.

Abdeslam habe seinen Selbstmordanschlag ebenfalls am Stade de France verüben wollen, dann aber in letzter Minute einen Rückzieher gemacht und die Sprengstoffweste weggeschmissen, erklärte der französische Staatsanwalt François Molins weiter. Bislang bestand der Verdacht, dass er die Attentäter, die sich vor dem Fußballstadion in die Luft gesprengt hatten, zu ihrem Ziel gefahren hatte.

Die Ermittler gehen nach Molins Angaben inzwischen zweifelsfrei davon aus, dass der zehn Tage nach den Pariser Anschlägen vom 13. November im Vorort Montrouge in einem Mülleimer gefundene Sprengstoffgürtel von Nahe Montrouge war am Abend der Anschläge das Mobiltelefon von Abdeslam geortet worden.

Die zügigen Aussagen Abdeslams müssten "mit Vorsicht behandelt werden", so der französische Staatsanwalt. Sie würden noch eine Reihe von Fragen aufwerfen, zu denen der Festgenommene nun Stellung beziehen müsse. Vor allem gehe es um Fragen, "die seine Präsenz am 13. November ab 22.00 Uhr im 18. Pariser Arrondissement betreffen, nachdem er das Stade-de-France-Kommando in einem (Renault) Clio abgesetzt hat, und warum er sich seines Sprengstoffgürtels in Montrouge entledigt hat".

Anklage wegen Beteiligung an terroristischen Morden

Zuvor hatte die belgische Staatsanwaltschaft gegen den mutmaßlichen Terroristen Anklage erhoben. Sie wirft ihm die Beteiligung an terroristischen Morden sowie die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vor. Auch gegen einen zweiten Verdächtigen wurden diese Anklagepunkte erhoben. Er war gemeinsam mit Abdeslam festgenommen worden.

Monir Ahmed Alaaj soll falsche Identitäten benutzt haben. In Deutschland etwa war er den Behörden unter dem Namen Amine Choukri bekannt - diese Daten wurden im vergangenen Oktober in einer Polizeikontrolle in Ulm erfasst.

Insgesamt waren bei dem Großeinsatz am Freitag im Stadtteil Molenbeek fünf Verdächtige festgenommen worden. Neben Abdeslam und Choukri fassten die Sicherheitskräfte einen weiteren Mann und zwei Frauen. Dem dritten männlichen Verdächtigen wird ebenfalls vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Organisation zu sein und Kriminelle unterstützt zu haben. Eine der Frauen sei wegen Beihilfe zu Verbrechen angeklagt, aber wieder freigelassen worden. Die andere Festgenommene sei ohne Anklage auf freien Fuß gesetzt worden.

Frankreich setzt Frist von zwei Monaten

Die Kooperation Abdeslams mit den Behörde könnte einen Versuch darstellen, eine Auslieferung nach Frankreich hinauszuzögern. Dort soll ihm der Prozess gemacht werden. Frankreichs Präsident François Hollande hatte umgehend nach der Festnahme des 26-Jährigen die Auslieferung gefordert.

Doch die könnte erst in einigen Wochen erfolgen. Zwar gebe es keine politischen Einwände, sagte der belgische Premierminister Charles Michel, doch durch rechtliche Verfahren könne sich das Prozedere etwas hinziehen.

Um das Verfahren zu beschleunigen, stellte die französische Regierung einen neuen europäischen Haftbefehl gegen Abdeslam. Ein solcher Haftbefehl ist faktisch ein Auslieferungsgesuch. Belgien habe nun zwei Monate Zeit, um den mutmaßlichen Terroristen zu überstellen.

Da Abdeslams Anwalt Sven Mary aber bereits angekündigt hatte, gegen eine mögliche Auslieferung vorzugehen, könnte sich die Frist auf drei Monate erweitern. "Wir werden zunächst schauen, ob der europäische Haftbefehl rechtens ist, und dann sehen wir weiter", erklärte Mary.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 19. März 2016 um 20:00 Uhr.