Pro-palästinensische Demonstration in Washington

US-Wahl 2024 Muslimische Wähler wenden sich von Biden ab

Stand: 18.01.2024 23:58 Uhr

Nach dem Terrorangriff der Hamas hat sich US-Präsident Biden klar auf die Seite Israels gestellt. Das könnte ihn bei der Präsidentenwahl wichtige Stimmen der Muslime kosten. Denn viele sind mit dem Kurs nicht einverstanden.

Hamza Nasser muss nicht lange nachdenken. Die Stadt Dearborn wird nicht mehr für einen Kandidaten der Demokraten stimmen - "wegen dem, was in den Palästinensergebieten passiert", sagt er. Hamza, Ende 30, betreibt ein Café im Osten von Dearborn, Michigan. Es ist ein später Vormittag im Januar, draußen regnet es in Strömen. Langsam füllt sich das Café, ein heller Raum mit viel Holz und großen Fenstern.

Es kommen Frauen mit und ohne Kopftuch, Männer allen Alters, man spricht Englisch und Arabisch. Es riecht verlockend. Aber Hamza will über Politik reden. Was in den Palästinensergebieten passiere, betreffe hier alle, sagt er.

Es tue weh, wenn Verwandte der Nachbarn Tausende Kilometer entfernt getötet würden. Heute würde sie hier Trump vorziehen, sagt Hamza. Vier Jahre unter Trump, das habe Wohlstand bedeutet, Frieden, keinen Krieg. Und jeder habe Geld verdient.

Kein Selbstläufer für Demokraten mehr

Dearborn ist eine Industriestadt direkt neben Detroit, in Michigan. Ford hat hier sein Hauptquartier, hier wird der neue elektrische Pickup F 150 Lightning produziert. Mehr als die Hälfte der rund 100.000 Einwohner sind Muslime, die meisten von ihnen arabisch-amerikanischer Herkunft. Bisher haben sie verlässlich mehrheitlich demokratisch gewählt. Donald Trump, der mit antimuslimischen Parolen Wahlkampf gemacht hat, war 2016 und 2020 weit abgeschlagen.

Doch Dearborn ist kein Selbstläufer mehr für Biden. "Wenn Joe Biden die Stimmen der Menschen in Dearborn und den USA gewinnen will, müssen die Menschen ihn fragen, was er tun will, um sich ihre Stimme zu verdienen", sagt Abdullah Hammoud und klingt dabei ziemlich bitter.

"Eine persönliche Sache"

Hammoud, 33 Jahre alt, ist der erste muslimische Bürgermeister von Dearborn, ein Demokrat mit libanesischen Wurzeln. Aus seiner Perspektive war der Überfall der Hamas auf Israel die Folge jahrzehntelanger Unterdrückung, die Bombardierung des Gazastreifens betrachtet er als Versuch, das palästinensische Volk auszulöschen.

Dass Biden die israelische Seite unterstützt, macht Hammoud wütend: "Für uns ist das eine persönliche Sache zu sehen, was im Ausland passiert, und die Stille unserer Politiker zu hören, die sich weigern zu handeln." Dass es im Selbstinteresse der Muslime sei, Biden zu wählen, und nicht Trump, lässt der junge Bürgermeister nicht gelten. Die Frage nach dem kleineren Übel ergebe keinen Sinn mehr, sagt er.

Viele Muslime tief enttäuscht von Demokraten

Eine tiefe Enttäuschung mit der demokratischen Partei macht Sally Howell aus, Professorin für arabisch-amerikanische Studien an der Uni von Michigan. Viele konservative Muslime wenden sich auch deshalb ab, weil sie LGBTQ als Lebensweise ablehnen, sagt sie. Und das ist ein wichtiges Thema der Demokraten.

Das habe etwa Rashida Tlaib zu spüren bekommen, die linke Abgeordnete aus Dearborn. Sie habe in einem Jahr kandidiert, in dem LGBTQ-Rechte als politisches Thema kurz vor der Wahl aufkamen. Tlaib habe den überwiegend von Muslimen bewohnten Stadtteil South End zwar gewonnen - aber mit nur vier Stimmen Vorsprung.

Das lässt für die Demokraten bei der Wahl im November Schlimmes befürchten. Joe Biden hat den umkämpften Staat Michigan 2020 nur knapp gewonnen. Ohne die Stimmen der Muslime von Dearborn könnte er ihn ganz verlieren - und damit womöglich die Präsidentschaft.

Katrin Brand, ARD Washington, tagesschau, 19.01.2024 05:20 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 19. Januar 2024 um 13:22 Uhr.