Xi Jinping und Mohamed Muizzu in Peking.
analyse

Malediven, China und Indien Machtspiele im Indischen Ozean

Stand: 16.03.2024 15:23 Uhr

Auch im Indischen Ozean ringen Indien und China um Einfluss. Nun haben die Malediven mit Indien gebrochen und sich stattdessen China zugewandt. Indien hat schon eine Antwort angekündigt.

Manche Menschen versetzt der Gedanke an die Malediven in friedvolle Stimmung. Vielen Indern geht das mittlerweile anders. Denn die benachbarte Inselgruppe hat sie ziemlich brüsk vor die Tür gesetzt - nicht die Touristen, sondern die indischen Soldaten, die dort stationiert sind.

Der Präsident der Malediven, Mohammed Muizzu, hat ihren Rausschmiss dekretiert. Damit nicht genug: Gleichzeitig wurde ein Militärabkommen zwischen den Malediven und Indiens Rivalen China publik. Und dann kreuzte auch noch ein chinesisches Spionageschiff vor den Malediven auf.

Was ist da los, fragen sich immer mehr internationale Beobachter. Womöglich ein dramatischer Wandel in der Machtbalance im indischen Ozean und sogar global? Eine weitere Etappe auf dem Weg zur chinesischen Vorherrschaft in Asien und darüber hinaus?

"China hat feste Wurzeln geschlagen"

Tatsächlich wächst der chinesische Einfluss in der Region seit Jahren kontinuierlich, durch Allianzen mit Pakistan, Sri Lanka, nun auch immer stärker mit den Malediven. Alok Bansal, militärpolitischer Experte vom indischen Thinktank "SAISA", erklärt: "China hat in dieser Region feste Wurzeln geschlagen und tief in die Tasche gegriffen. Es investiert kräftig in vielen Ländern, auch in den Malediven. Nicht von ungefähr hat der neue Präsident der Malediven zuerst China besucht." Und nicht den Nachbarn Indien. Ein Affront.

Aber warum sind die Malediven überhaupt von enormer strategischer Bedeutung? Weniger wegen der Bevölkerung, eher wegen der Lage inmitten des Indischen Ozeans.

Nur eine halbe Million Menschen lebt dort, fast die Hälfte dicht zusammengedrängt in der Hauptstadt Male. Von dort geht neuerdings eine Brücke zum Flughafen, der sich auf einer vorgelagerten Insel befindet. Etwa 200 Millionen Euro kostete das 1,4 Kilometer lange Prestigeprojekt, das 2018 den Betrieb aufnahm. Der Großteil des Geldes kam von China.

Der dafür mitverantwortliche Infrastrukturminister der Malediven hieß Mohammed Muizzu, wie das gesamte damalige Kabinett war er auf einen Pro-China-Kurs eingeschworen. Immer wieder griff Peking der Regierung in Male mit Krediten unter die Arme. Mittlerweile beläuft sich die Kreditschuld auf umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro. Das klingt aus deutscher Sicht nicht nach viel, ist aber mehr als die Hälfte der jährlichen Staatseinnahmen der Malediven. So hohe Verbindlichkeiten machen abhängig.

Die von China finanzierte Sinamale -Brücke in Male (Malediven)

Eines der von China finanzierten Infrastruktur-Projekte: die Sinamale -Brücke in der Hauptstadt Male.

Weg von China - und wieder zurück

Nachdem das Kabinett, dem Muizzu angehörte, 2018 abgewählt wurde - nicht zuletzt aufgrund von Korruptionsvorwürfen -, versuchte die Nachfolgeregierung einen Kurswechsel weg von China, hin zum indischen Nachbarn. Dessen Festland liegt nur 2.000 Kilometer entfernt (China hingegen 5.000 Kilometer) und die diplomatischen Kontakte sind traditionell viel intensiver.

Nunmehr profilierte sich Indien als Kreditgeber - und als Infrastrukturförderer. Im indischen Auftrag entsteht derzeit eine Brücke, die Male gleich mit drei Nachbarinseln verbinden soll, Gesamtlänge fast sieben Kilometer. Auch die Touristenströme von Indien schwollen an. In den letzten drei Jahren kamen die meisten ausländischen Besucher der Malediven aus Indien. Und nun alles wieder zurück?

Tatsächlich sieht es so aus. Mohammed Muizzu kandidierte als Präsident und setzte im Wahlkampf auf eine "Indien Raus"-Kampagne. Das war einerseits eine Retourkutsche für die Unterstützung der Vorgängerregierung durch Indien.

Andererseits stößt der Hindu-Nationalismus von Indiens Premierminister Narendra Modi bei den konservativ-muslimischen Wählern der Muizzu-Partei auf wenig Gegenliebe - die Einwohnerschaft der Malediven ist offiziell zu hundert Prozent muslimisch. Weniger störend wird offenbar Pekings Vorgehen gegenüber der muslimischen Minderheit der Uiguren in China empfunden.

Chinas Präsident Xi und seine Ehefrau empfangen den Präsidenten der Maldiven, Muizzu, mit Gattin.

Wenige Wochen nach Amtsantritt reiste Maledivens Präsident Muizzu mit Ehefrau nach China, wo er von Präsident Xi und seiner Gattin empfangen wurde.

Soldaten müssen gehen - Touristen bleiben weg

Muizzu gewann im Herbst 2023 und machte kurz darauf Ernst, zunächst mit der erzwungenen Ausreise der indischen Militärkräfte. Deren Zahl ist zwar auf den ersten Blick mit 80 minimal und die Tätigkeit eher nicht-militärischer Art. Im Katastrophenfall sollten die Soldaten und Soldatinnen bei der Evakuierung helfen.

Aber die symbolische Bedeutung des Laufpasses ist erheblich. Die ersten 25 sind gerade abgeflogen, der Rest soll bis zum zehnten Mai folgen. Wie zum Protest bleiben dafür immer mehr indische Touristen weg. Ihre Anzahl ist seit Jahresanfang um ein Drittel rückläufig. Die meisten Besucher kommen nunmehr, wen wundert’s, aus China.

Indien sucht nach einer Alternative

Auch die politische Antwort aus Neu-Delhi ließ nicht lange auf sich warten. Premierminister Modi kündigte an, die indische Inselgruppe der Lakkadiven zum Ferien-Hotspot im indischen Ozean auszubauen. Deren malerische Atolle liegen nur 130 Kilometer nördlich der Malediven. Eine Militärbasis soll hier auch entstehen - als Antwort auf die verstärkte chinesische Präsenz.

Die neue indische Härte könnte sich auszahlen, meint Alok Bansal vom SAISA-Thinktank: "Diese kategorische Pro-China-Politik der Malediven ist ein vorübergehendes Phänomen. Irgendwann werden sie nachrechnen und wieder zu sich kommen. Gerade im Katastrophenfall ist Indien den Malediven viel näher. Das werden sie einsehen."

Noch ist auch nicht klar, wie die arabischen Staaten, Europa und die USA auf den Machtschwenk reagieren werden. Ganz zu schweigen von der Reaktion der westlichen Touristen auf das Machtgerangel. Wer macht schon gerne Urlaub auf Atollen, die sich zum Pulverfass entwickeln könnten.