
Afghanistan-Einsatz Maas für Aufarbeitung durch den Bundestag
Die Kritik am Vorgehen der Bundesregierung rund um die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan ist groß. In den tagesthemen sprach sich Außenminister Maas nun für eine Aufarbeitung im Bundestag aus. An die Taliban richtete Maas konkrete Forderungen.
Bundesaußenminister Heiko Maas hat sich für eine gründliche Aufarbeitung der Vorgänge rund um die Machtergreifung der Taliban in Afghanistan durch den neuen Bundestag ausgesprochen. Es sei in seinem Interesse, dass "wirklich viel aufgeklärt wird", sagte der SPD-Politiker im Interview mit den tagesthemen.
Im Moment habe er "den Eindruck, dass bestimmte Fakten nur so gewertet und gelesen werden, wie es dem einen oder anderen gerade zu dieser Zeit politisch in den Kram passt". Deshalb finde er es richtig, "wenn der neue Bundestag, in welcher Form auch immer, sich mit diesen Fragen beschäftigt", sagte Maas. Wenn der Bundestag dies entscheide, könne dies auch in einem Untersuchungsausschuss geschehen.
Auch die Bundesregierung habe "ein Interesse daran, dass die Fehler, die gemacht worden sind, die Fehleinschätzungen, die wir getroffen haben, aber auch andere, dass daraus Konsequenzen gezogen werden in der Weise, dass man das nicht nochmal macht", fügte er hinzu.
Die Bundesregierung sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, sie habe die Lage in Afghanistan falsch eingeschätzt und die Ausreise der Ortskräfte hinausgezögert. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte am Dienstag eine Evaluierung des Einsatzes für den 7. Oktober angekündigt - kurz nach der Bundestagswahl. Dafür wurde sie von der Opposition scharf kritisiert. Die FDP-Wehrexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann erklärte, so kurz nach der Wahl sei der neu gewählte Bundestag noch nicht konstituiert. Sie warf Kramp-Karrenbauer vor, dass die Evaluierung "am Parlament vorbei durchgepeitscht werden soll".
Konkrete Forderungen an Taliban
Auf der US-Militärbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein hatten Maas und sein US-Amtskollege Antony Blinken und die Außenminister 20 weiterer Staaten zuvor über das Vorgehen in Afghanistan beraten. Dabei stellte Maas vier konkrete Forderungen an die neue Taliban-Regierung in Kabul. "Wir erwarten, dass Menschen, die ausreiseberechtigt sind, das Land auch verlassen dürfen", sagte der SPD-Politiker. Außerdem müssten die Taliban sicherstellen, dass in Afghanistan nicht wieder terroristische Strukturen entstehen. Es müssten die Menschen- und insbesondere Frauenrechte geschützt werden und eine endgültige Regierung müsse alle Bevölkerungsgruppen abbilden. Sonst sei Stabilität in dem Land nicht zu erreichen.
Keinen Hehl machte Maas aus seiner Ablehnung der gestern vorgestellten Übergangsregierung in Kabul. "Diese ist nicht befriedigend", sagte er, da keine Frauen oder Minderheiten vertreten seien - entgegen der Zusagen der Taliban, dass dies möglich sei. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, ermahnte er die neuen Machthaber in Kabul: "Internationale Isolation kann nicht in ihrem Interesse sein." Eine baldige Anerkennung der Übergangsregierung schloss er aus.
"Taliban an ihren Taten messen"
Im Interview mit den tagesthemen bekräftige Maas, es sei kritisch zu bewerten, ob die Taliban ihre Zusagen einhalten. "Wir haben viele moderate Töne in den letzten Wochen gehört. An dem werden wir die Taliban aber nicht messen - sondern an dem, was geschehen wird." Davon werde abhängen, ob "über die humanitäre Hilfe hinaus wieder die Grundlage gegeben ist, in die Entwicklungszusammenarbeit einzusteigen".
Zur Evakuierung weiterer Afghanen sagte Maas, es gebe wieder Flüge zwischen Kabul und Katar. Derzeit werde zwar nur Equipment auf der Route transportiert, es gebe aber die Hoffnung, dass über solche Flüge bald auch wieder Menschen ausgeflogen werden können. Zunächst gelte das aber für Staatsbürger von Drittstaaten, also auch Deutsche.
Gesuchter Terrorist als Innenminister
Sein US-Amtskollege Blinken sagte, die von den Taliban angestrebte internationale Legitimität müssten die Islamisten sich durch ihr Handeln verdienen. Zudem gäben Verbindungen und Vergangenheit einiger Regierungsmitglieder Anlass zur Sorge. So wurde etwa Taliban-Vizechef Siradschuddin Hakkani, Chef des berüchtigten Hakkani-Netzwerks, zum Innenminister ernannt. Das Hakkani-Netzwerk wird für einige der grausamsten Anschläge in Afghanistan in den vergangenen Jahren verantwortlich gemacht. Hakkani steht als "globaler Terrorist" auf der Fahndungsliste der USA. Die US-Bundespolizei FBI hat ein Kopfgeld von bis zu 10 Millionen Dollar (knapp 8,5 Millionen Euro) für Hinweise ausgelobt, die zu seiner Festnahme führen.