Die von den Huthi gekaperte "Galaxy Leader" im November vor jemenitischer Küste
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Militärschlag der USA und Verbündeter Wie es zu den Angriffen auf die Huthi kam

Stand: 12.01.2024 15:47 Uhr

Immer wieder hatten die USA und Verbündete die Huthi im Jemen davor gewarnt, weiter Handelsschiffe im Roten Meer zu attackieren. Doch die Angriffe ließen nicht nach. Nun erfolgte der Gegenschlag. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Wer sind die Huthi?

Die Huthi sind eine militante Bewegung im Jemen, der im Süden der Arabischen Halbinsel liegt. Sie haben in vergangenen Jahrzehnten mehrfach Aufstände gegen die sunnitische Führung in der Hauptstadt Sanaa angezettelt.

2014 marschierten die Rebellen von ihrer Hochburg im Norden Jemens nach Süden und nahmen Sanaa ein. Sie zwangen den Präsidenten des Landes, Abed Rabbo Mansur Hadi, und die international anerkannte Regierung zur Flucht in den Süden und später nach Saudi-Arabien. Es begann ein zermürbender Krieg, in den sich eine von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition mit dem Ziel einschaltete, die ins Exil geflohene Führung wieder im Jemen einzusetzen.

Mehr als 150.000 Menschen wurden nach UN-Schätzungen in dem Krieg getötet, der im Jemen eine der schlimmsten humanitären Katastrophen der Welt ausgelöst hat. Vor mehr als einem Jahr endete eine Waffenruhe, die aber noch immer weitgehend eingehalten wird.

Einer Analyse von 2019 zufolge kommen die Huthi auf etwa 180.000 bis 200.000 bewaffnete Kämpfer. Sie verfügen über ein umfassendes Waffenarsenal und werden vor allem vom Iran und der Hisbollah im Libanon unterstützt.

"Schwächung der Huthi sehe ich nicht", Jens Heibach, GIGA-Institut Hamburg, mit Einschätzungen zur Lage im Jemen

tagesschau24, 12.01.2024 10:00 Uhr

Was wollen die Huthi?

Allem voran wollen die Huthi den gesamten Jemen regieren und dafür Anerkennung finden. Im Gaza-Krieg solidarisieren sich die Huthi - genau wie ihr Unterstützer Iran - mit der Terrororganisation Hamas und den Palästinensern.

Sie haben jedes Schiff, das israelische Häfen ansteuert oder von dort kommt ohne Hilfsgüter für die Palästinenser in Gaza, zum möglichen Ziel erklärt. Angegriffen wurden vor allem Schiffe verschiedener Großreedereien. Zudem haben die Huthi mehrfach versucht, Israel direkt mit Drohnen und Raketen anzugreifen.

Was sind die Folgen der Angriffe für die Schifffahrt?

Bis Donnerstag hätten die Rebellen 27 unterschiedliche Attacken auf Schiffe verübt, die das südliche Rote Meer passiert hätten, sagte Pentagonsprecher Pat Ryder. Der Huthi-Sprecher Jihia Saree erklärte, seine Gruppe wolle israelische Schiffe daran hindern, das Gewässer und den Golf von Aden zu befahren, "bis die israelische Aggression gegen unsere standhaften Brüder im Gazastreifen aufhört".

Nur wenige der attackierten Schiffe hatten allerdings direkte Verbindungen zu Israel. Bei den Aktionen der Huthi wurden mehrere Handelsschiffe beschädigt, internationale Reedereien sahen sich in der Folge gezwungen, ihre Frachter umzuleiten und sie den deutlich längeren Weg um das Kap der Guten Hoffnung fahren zu lassen.

Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?

Über Wochen hinweg hatten die USA und weitere Länder die Huthi gewarnt. Sollte die Miliz ihre Drohnen und Raketenattacken auf Handelsschiffe im Roten Meer nicht einstellen, müssten sie mit gravierenden Folgen rechnen, hieß es aus Washington.

Weil die Angriffe nicht aufhörten, verkündete Pentagonchef Lloyd Austin die Gründung einer Schutztruppe für Handelsschiffe im Roten Meer, der neben den USA mehr als 20 andere Länder angehören. Wenn Kriegsschiffe dieses Bündnisses nicht die Schiffe eskortiert und Geschosse abgefangen hätten, wären sicherlich Schiffe getroffen und vielleicht sogar versenkt worden, darunter ein mit Kerosin beladener Frachter, sagte ein ranghoher US-Regierungsvertreter. Es habe Fälle gegeben, bei denen es "extrem knapp" gewesen sei.

Die Außenminister der EU-Staaten sollen bei einem Treffen am 22. Januar über eine mögliche Beteiligung der EU an der US-Initiative beraten. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa hat der Auswärtige Dienst der EU erste Vorschläge für den Start eines neuen gemeinsamen europäischen Militäreinsatzes erarbeitet. Sie sehen unter anderem die Entsendung von Kriegsschiffen und luftgestützten Frühwarnsystemen in das Konfliktgebiet vor. Letztere könnten zum Beispiel Aufklärungsflugzeuge sein.

Was ist in der vergangenen Nacht passiert?

In der Nacht auf Freitag bombardierten die USA und Großbritannien mithilfe von Verbündeten nun Stellungen der Huthi im Jemen. In einer gemeinsamen Erklärung begründeten sie die Angriffe mit dem Recht auf Selbstverteidigung. "Mit diesen Präzisionsangriffen sollten die Möglichkeiten der Huthi, den Welthandel und das Leben internationaler Seeleute auf einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt zu bedrohen, gestört und geschwächt werden", hieß es darin.

Nach Angaben der Huthi wurden fünf ihrer Mitglieder bei den Angriffen getötet. Sechs weitere seien verletzt worden, teilte die Miliz mit. Die Angriffe trafen demnach die Hauptstadt Sanaa sowie die Provinzen Hudaida, Tais, Hajjah und Saada. Der Militärschlag werde nicht "unbeantwortet und ungestraft bleiben", drohten die Rebellen.

Welche Interessen verfolgen die USA?

Derzeit gibt es von den USA keine Aussagen darüber, warum der Militärschlag gegen die Huthi erst jetzt durchgeführt wurde. Beobachter führen den Zeitpunkt vor allem auf Sorgen in der US-Regierung vor einer Aushebelung der wackeligen Feuerpause im Jemen zurück. Das Weiße Haus treibt zudem die Befürchtung um, dass sich der Konflikt im Nahen Osten ausweiten könnte.

Obwohl die USA zuletzt mit Luftangriffen auf zahlreiche Attacken von mit dem Iran verbündeten Milizen im Irak und in Syrien reagiert hatten, schienen sie im Umgang mit den Huthi bis zuletzt einem anderen Kalkül zu folgen. So verlautete aus dem Pentagon zwar bisher, dass US-Marineschiffe in ihre Richtung abgefeuerte Drohnen der Rebellen abgeschossen hätten, weil sie als Bedrohung eingestuft worden seien. Zugleich hatten Vertreter des Verteidigungsministeriums später betont, man sei zur Einschätzung gelangt, dass die US-Kriegsschiffe nicht das Ziel gewesen seien.

Mit Blick auf die Angriffe proiranischer Gruppen im Irak und in Syrien erklärte Pentagonsprecher Ryder, dass die militärischen Gegenschläge der USA nicht zu einer Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten geführt hätten. Ob es nach den amerikanischen und britischen Angriffen auf Waffendepots und andere Einrichtungen der Huthi zu einer Eskalation in der Region kommt, muss sich nun zeigen.

Wie positioniert sich Deutschland?

Die Bundesregierung steht nach Angaben von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hinter dem Militärschlag. "Die Reaktion hat unsere politische Unterstützung", sagte die Grünen-Politikerin bei einer Auslandsreise.

Die USA und weitere Partner seien gezielt begrenzt militärisch gegen die für die Angriffe auf die Schifffahrt im Roten Meer genutzte Infrastruktur der Huthi vorgegangen - "im Einklang mit dem individuellen und dem kollektiven Recht auf Selbstverteidigung der Charta der Vereinten Nationen", ergänzte die Bundesaußenministerin.

Hören die Huthi-Angriffe auf Handelsschiffe nun auf?

Trotz der amerikanisch-britischen Angriffe auf ihre Stellungen kündigten die Huthi an, zur Unterstützung der Terrormiliz Hamas im Gaza-Krieg weiterhin die Durchfahrt von Schiffen im Roten Meer und im Arabischen Meer zu blockieren.

Die Miliz erklärte nun auch "amerikanisch-britische Interessen" zu Zielen. Das berichtete die von den Huthi geführte Nachrichtenagentur Saba unter Berufung auf eine Erklärung des obersten politischen Rates der Huthi. "Die Amerikaner und Briten sollten nicht glauben, dass sie der Strafe unserer tapferen Streitkräfte entgehen können", hieß es.

Nach Einschätzung von Jens Heibach vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg schwächten die jüngsten Angriffe die Position der Huthi nicht. "Ich sehe nicht, wie man den Huthi mit militärischen Mitteln Einhalt gebieten kann", sagte er im Interview mit tagesschau24. Seiner Meinung nach ließen sich die Attacken im Roten Meer am effektivsten stoppen, wenn die Forderung der Huthi erfüllt würde - eine Waffenruhe im Gaza-Krieg.

Quellen: AP, dpa

Anne Allmeling, ARD Kairo, tagesschau, 12.01.2024 09:26 Uhr