Esther Hayut
Porträt

Oberster Gerichtshof Israels Die Frau, auf die es jetzt ankommt

Stand: 12.09.2023 04:11 Uhr

Esther Hayut ist die Präsidentin des israelischen Obersten Gerichtshofs. Kurz vor ihrer Pensionierung muss ihre Kammer nun über eine Klage gegen die umstrittene Justizreform der Netanyahu-Regierung entscheiden.

Wenn in Israel alles normal laufen würde, wäre Esther Hayut jetzt ganz entspannt auf der Zielgeraden. Am 16. Oktober, wenn Sie Ihren 70. Geburtstag feiert, geht sie als Präsidentin des Obersten Gerichtshofes in den Ruhestand.

Aber kurz vor Ende ihrer Amtszeit hat sie den vermutlich schwierigsten Fall ihrer Karriere auf dem Tisch. Pikanterweise muss sich das Oberste Gericht Israels mit einem Gesetz der Regierung befassen, das seine Schwächung zum Ziel hat.

Druck auf Hayut ist groß

Und der Druck auf die Präsidentin ist groß. Das konnte man in der letzten Woche erleben, als Bezalel Smotrich, Israels rechtsextremer Finanzminister, Hayut bei einer Kundgebung in Jerusalem - vor einer buhenden Menge - direkt attackierte.

"Selbst wenn Sie unsere Korrekturen am Justizsystem für falsch halten oder der Meinung sind, man müsste das anders machen: Die Aufhebung eines der Grundgesetze wäre eine deutliche Überschreitung Ihrer Befugnisse", sagte Smotrich. "Das wäre das Ende der israelischen Demokratie. Ich fordere Sie auf, keine Entscheidungen zu treffen, die das Volk Israel auseinanderreißen, Familien trennen und die Armee spalten. Wagen Sie es nicht, eines der Grundgesetze aufzuheben - die Verantwortung liegt bei Ihnen."

Hayut übte Kritik an Gesetz

Hayut scheut die Öffentlichkeit - außerhalb des Gerichtssaals hat sich die Mutter von zwei Kindern bisher kaum geäußert. Umso ungewöhnlicher war es, dass es Anfang des Jahres - gleich nachdem Israels neu ins Amt gekommene Regierung ihre Pläne zur Justizreform vorgestellt hatte - während einer Konferenz aus ihr heraus brach:

Der Plan des neuen Justizministers wird das Justizsystem nicht korrigieren, sondern zerschmettern. Er stellt eine tödliche Wunde für die Unabhängigkeit der Richter und ihre Handlungsfähigkeit dar. Er wird die demokratische Identität des Staates ändern. Herr Minister, das ist nicht der richtige Weg.

"Herr Minister" - damit meinte sie Yariv Levin, Israels Justizminister, der bis heute die Justizreform vorantreibt. Und weil Hayuts Warnung Gewicht hatte, ging der vor die Presse und versuchte noch einmal für seine Reform zu werben: "Wie Präsidentin Hayut gesagt hat: Demokratie ist nicht nur das Recht der Mehrheit. Dieses wichtige Prinzip und der Schutz von Rechten der Minderheit ist die Grundlage der Reform, die ich vorgestellt habe."

Die Reform enthalte, so Levin, neben anderem die Möglichkeit für den Obersten Gerichtshof, mit einer besonderen Mehrheit Gesetze für ungültig zu erklären und sichere eine angemessene Vertretung der Richter in der Kommission, die die Richter auswählt.

Hoffnungen der Protestbewegung ruhen auf Hayut

Millionen Israelis, die seit dem Protest gegen die Justizreform auf die Straßen gegangen sind, hat das nicht überzeugt. Sie hoffen auf Hayut und eine Entscheidung, die eine Schwächung der Justiz verhindert. Denn ohne eine Verfassung und ohne Kontrollmechanismen wie eine Zweite Kammer kommt dem Obersten Gerichtshof in Israel eine zentrale Rolle in der Gewaltenteilung zu.

Aber die Erzählung, die in weiten Teilen der rechten Regierungskoalition vorherrscht, ist hingegen, dass eine überwiegend linke Richterschaft das Land in Geiselhaft genommen habe - und das oberste Feindbild sei Hayut, die Vorsitzende.

Dass die - bis zu ihrer Pensionierung - einfach nur ihre Arbeit machen will, ließ sie neulich bei einer Anhörung durchblicken: "Dafür, dass wir gar nicht auf der politischen Bühne stehen, wurde uns aber sehr viel Kritik entgegengebracht - immer dann, wenn der einen oder der anderen Seite unser Urteil nicht gefiel. Und trotzdem bestehen wir darauf, apolitisch zu sein und ausschließlich juristisch zu bleiben." In diesem schwierigen Fall sind ihre Kompetenzen ganz besonders gefragt.

Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, tagesschau, 11.09.2023 20:47 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 12. September 2023 um 05:04 Uhr.