Protest gegen die Justizreform in Israel

Proteste gegen Justizreform Kein Konsens

Stand: 16.04.2023 17:28 Uhr

In Israel reißen die Proteste gegen die Justizreform nicht ab. Kritiker sehen sich durch eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit Israels bestätigt: Moody's begründete die Entscheidung mit der "verschlechterten Regierungsführung".

Samstagabend kamen erneut mehr als 100.000 Menschen in Tel Aviv zu den allwöchentlichen Massenkundgebungen gegen den Umbau des Justizsystems. Ein Meer israelischer Fahnen, die zum Symbol der Protestbewegung geworden sind. Familienväter mit Kleinkindern auf den Schultern, ältere Ehepaare, Jugendliche, Mütter mit Kinderwägen - seit knapp vier Monaten geht das jetzt schon so.

Die Pläne der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, Urteile des Obersten Gerichtshofs mit einfacher parlamentarischer Mehrheit übergehen zu können, stoßen auf anhaltenden Widerstand. Natif ist mit seiner kleinen Tochter gekommen. "Wir glauben, dass die Demokratie Teil unserer Sicherheit ist - und deshalb stehen wir hier", sagt er. Nur dann wäre Israels Gesellschaft in der Lage, geschlossen und geeint zu agieren, so der Familienvater.

Moody's befürchtet Schwächung der Institutionen

Gegenwärtig ist nicht zu erkennen, ob die Bemühungen von Staatspräsident Isaac Herzog Erfolg haben werden, zwischen Regierung und Opposition einen Kompromiss über eine Änderung des Justizsystems herbeizuführen. Vor Herzogs Residenz in Jerusalem demonstrierten gestern Abend erneut Tausende Menschen. In Haifa, Be'er Sheba und zahlreichen anderen Städten gingen israelischen Medienberichten zufolge Zehntausende Demonstranten auf die Straße.

Für Aufsehen in Politik und Medien sorgte dabei eine Entscheidung der amerikanischen Ratingagentur Moody's. In ihrem Freitagabend veröffentlichen Bericht stufte die Agentur den gesamtwirtschaftlichen Ausblick Israels von "positiv" auf "stabil" herunter. Vor allem die Begründung der Ratingagentur wird von Gegnern der Justizreform als klare Bestätigung aufgefasst, dass die Pläne der Regierung Netanyahus fallengelassen werden sollten.

So führt Moody's unter Hinweis auf die geplante Justizreform an: Der Grund sei die "Verschlechterung der israelischen Regierungsführung." Dies sei an den jüngsten Ereignissen rund um den Regierungsvorschlag zum Umbau der Justiz erkennbar. Die Art und Weise, wie die Regierung versucht habe, eine weitreichende Reform umzusetzen, ohne einen breiten Konsens zu suchen, weise auf eine Schwächung der Institutionen hin.

Lapid spricht von "zerstörerischem Feldzug"

Oppositionschef Yair Lapid, bis vergangenen Herbst Ministerpräsident Israels, sagte bei einer Kundgebung in Netanja, die Regierung befände sich "auf einem zerstörerischen Feldzug" und werde nicht von selbst damit aufhören. "Die Regierung zerstört unsere Wirtschaft, sie nimmt das Geld der arbeitenden Bürger und verwendet es, um Bürger zu finanzieren, die nicht arbeiten", so Lapid. "Solche Regierungen" hörten erst auf, wenn sich die Bürger vor sie stellten "und deutlich sagen, dass sie sich nicht mehr ausnutzen lassen."

Regierungschef Netanyahu reagierte auf die Entscheidung der Ratingagentur Moody's, den Ausblick auf die Kreditwürdigkeit Israels von "positiv" auf "stabil" herunterzustufen, mit den Worten: Israels Wirtschaft sei stabil und kräftig und werde es, "so Gott will" auch bleiben.

Zehntausende protestieren erneut gegen umstrittene Justizreform in Israel

tagesschau24 19:15 Uhr
Clemens Verenkotte, Clemens Verenkotte, ARD Tel Aviv, 16.04.2023 10:14 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 16. April 2023 um 12:08 Uhr.