Ali Khamenei
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45 Jahre Islamische Revolution Irans Mullahs sehen schwierigen Zeiten entgegen

Stand: 11.02.2024 14:13 Uhr

Nach außen hin zeigt sich Teheran stark und kampffreudig. Doch ein Blick ins Innere der Islamischen Republik offenbart, dass der größte Gegner des Regimes die eigene Bevölkerung ist.

Eine Analyse von Ulrich Pick, SWR

Rund um die Feierlichkeiten zum 45. Jahrestag der Islamischen Revolution, hat es nicht an markigen Worten oder großen Gesten gefehlt. So waren bei den obligatorischen Demonstrationen, zu denen das Regime seine stets weniger werdenden Anhänger eigens mit Bussen zusammenkarrt, die klassischen Slogans "Tod für Amerika" und "Tod für Israel" ebenso zu vernehmen wie die seit Wochen zu hörenden Lobeshymnen auf die "Achse des Widerstandes" und ihren Kampf gegen Israel.

Zudem wurde den Gegnern der Mullahs einmal mehr entgegengerufen, was sie in den vergangenen Wochen bereits mehrfach aus Teheran zu hören bekommen haben: dass die Islamische Republik bei einem Angriff auf ihr Territorium nicht zögern werde, "ihre Fähigkeit zu nutzen, um eine Antwort zu geben, die bei den Aggressoren zu Reue führt". Deutliche Worte also.

Verwundbarkeit größer als behauptet

Wer das Land genauer unter die Lupe nimmt, wird allerdings feststellen, dass seine Stärke bei Weitem nicht so groß ist, wie die Repräsentanten des Regimes glauben machen wollen. So mussten in den vergangenen Wochen die iranischen Revolutionsgarden den Verlust gleich mehrerer wichtiger Mitglieder beklagen. Am 25. Dezember wurde Rasi Mussawi, General der Al-Kuds-Brigaden, bei einem gezielten Luftangriff in Syrien getötet - ebenso wie am 20. Januar vier weitere Militärberater, darunter zwei hochrangige Geheimdienstoffiziere.

Zudem machten die von der Terrorgruppe IS verübten schweren Explosionen mit mehr als 90 Toten in Kerman am 3. Januar sowie die unerwarteten Scharmützel mit Pakistan Ende Januar augenfällig deutlich, dass sowohl die innere Sicherheit als auch die Luftverteidigung Irans Defizite aufweisen.

Immer weniger Rückhalt unter Bürgern

Das eigentliche Problem der iranischen Machthaber aber ist, dass sie immer weniger Rückhalt unter den Bürgern des Landes haben. Spätestens seit den monatelangen, landesweiten Protesten nach dem Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022 ist unübersehbar, dass die Islamisten an der Staatsspitze gegen die Mehrheit der eigenen Bevölkerung regieren. Hierbei ist der Einsatz von Gewalt zum Erhalt ihrer Macht inzwischen zur Regel geworden.

Wie groß die Abneigung gegenüber dem Regime im Volk ist, dürfte sich am 1. März zeigen. Dann nämlich werden das iranische Parlament und der Expertenrat neu gewählt, und es mehren sich die Anzeichen, dass die Beteiligung am Urnengang, der von der geistlich-politischen Führung des Landes gerne als Zustimmung zum politischen System deklariert wird, einen historischen Tiefststand erreichen dürfte.

Viele wollen Wahlen im März boykottieren

Bereits Anfang Dezember kursierten Hinweise, dass weite Teile der Bevölkerung die Wahlen boykottieren werden. Ende Januar dann publizierte die Nachrichtenseite Khabar-Online das Umfrageergebnis einer nicht genannten staatlichen Organisation, mutmaßlich des Innenministeriums: Danach wollen sich landesweit nur maximal 30 Prozent der Iraner am Urnengang beteiligen.

Für die Provinz Teheran liegt die Prognose bei 22 Prozent, für die Hauptstadt selbst gar nur bei 15 Prozent. Gerade letzteres dürfte ein Problem für das Image des Landes nach sich ziehen. Denn gewöhnlich bekommen ausländische Journalisten bei Abstimmungen innerhalb der Metropole die Möglichkeit, ausgewählte Wahllokale zu besuchen, um sich ein Bild von Abstimmungen in der Islamischen Republik zu machen. Während die pikante Umfrage-Meldung bei Khabar nach einem Tag verschwand, machten Berichte die Runde, dass es in einigen Städten Demonstrationen gegeben habe, auf denen Bürger zum Boykott der Wahlen aufgerufen hätten.

"Wir sind verbraucht"

Zudem waren immer wieder auch kritische Töne von Personen zu vernehmen, die dem politischen System nahe stehen. So erklärte beispielsweise Gholamali Radjaii, ein Berater von Ex-Staatspräsident Ali Akbar Haschemi-Rafsandjani, im TV-Sender Didar-News, dass "sicherlich 70 bis 75 Prozent" der Bevölkerung das religiös-politische System im Land ablehnten: "Wir werden bald in der Minderheit stehen. Wir sind verbraucht. Die Islamische Republik bietet keine Zukunft mehr, und so kann es nicht weitergehen."

Hinzu kommt, dass für die Wahl der 88 Sitze des Expertenrates landesweit nur insgesamt 138 Kandidaten aufgestellt wurden - meist sehr konservative und linientreue. Reformkräfte wie Ex-Präsident Hassan Rohani ließ man gar nicht erst zu. Hintergrund ist, dass das auf acht Jahre gewählte Gremium die Aufgabe hat, den Nachfolger des Geistlichen Führers der Islamischen Republik zu bestimmen.

Da Ayatollah Ali Khamenei bereits 84 Jahre alt ist und als gesundheitlich angeschlagen gilt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auf den neuen Expertenrat auch wirklich diese Aufgabe zukommt. Entsprechend, so heißt es, seien denn auch die Kandidaten bereits im Sinne des greisen Theologen und seines islamistischen geistlichen Erbes ausgewählt worden. Die Sicht der iranischen Bevölkerung habe dabei keine Rolle gespielt.

Wunsch nach äußerem Feind?

Dass die große Kluft zwischen Volk und Regime auf absehbare Zeit wieder kleiner wird, ist nicht zu erwarten. Dies dürfte auch ein Grund sein, warum Iran nicht aktiv in die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas eingreift. Die Teheraner Machthaber hätten nämlich keine Rückendeckung in der Bevölkerung für einen solchen Schritt.

Die einzige Möglichkeit, dass das Regime die Bürger wieder auf seine Seite bekommen würde, bestünde paradoxerweise, wenn der Iran angegriffen würde. Dann nämlich dürfte sich das ganze Land gegen einen gemeinsamen äußeren Feind zusammenschließen - so wie es im Krieg gegen Irak von 1980 bis 1988 geschah. Doch diesen "Gefallen" werden wohl weder die USA noch Israel den Mullahs tun.