
Dürre im Irak Dem Zweistromland geht das Wasser aus
Eine massive Dürre plagt den Irak: Es hat viel zu wenig geregnet, die Reserven sind aufgebraucht - und die Nachbarländer Türkei, Syrien und Iran machen dem Irak das Wasser von Euphrat und Tigris streitig.
Youssef arbeitet auf seinem Acker. Mit bloßen Händen und einer Spitzhacke versucht der Bauer, den steinharten Boden etwas zu lockern. Ein schwieriges Unterfangen - es hat viel zu wenig geregnet in diesem Jahr. Die Erde sei völlig ausgetrocknet, erzählt Youssef der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir haben viele Äcker hier ganz aufgeben müssen, sie sind zur Wüste geworden. Vor Kurzem wurde hier überall noch Gemüse angebaut. Aber jetzt ist es anders. Wir haben so viel Geld verloren, weil nichts mehr gewachsen ist, dass wir Angst haben, überhaupt noch etwas anzubauen."
Berechnungen zufolge ist die Weizenernte in der Niniveh-Ebene im Norden in diesem Jahr um 70 Prozent geringer ausgefallen als im Vorjahr. Die Trockenheit lässt ganze Landstriche veröden. Wendy Barron, Landesdirektorin im Irak für die Hilfsorganisation Care sagt im Gespräch mit der ARD: "Es ist ein absolut großes Problem, wir hatten hier weder den üblichen Regen im Winter, noch Schneefälle in den Bergen. Mittlerweile zählt der Irak zu den fünf Ländern weltweit, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind. Das ist schon das zweite Dürrejahr in Folge. Die Wasserreserven sind aufgebraucht. Experten sagen, es dauert mindestens zwei bis drei Jahre, um die leeren Staudämme und Flüsse wieder aufzufüllen."
Trockenheit - und Konkurrenz
2021 war das zweittrockenste Jahr der vergangenen 40 Jahre, melden Meteorologen. Irak war einst ein fruchtbares Land – mit den beiden großen Flüssen Euphrat und Tigris sowie verschiedenen Nebenflüssen.
Doch zu den ausbleibenden Regenfällen kommt ein politisches Problem: Die Länder näher an den Quellen der Flüsse - Türkei, Syrien und Iran - nutzen das Wasser zunehmend selbst. Riesige Staudammprojekte graben dem Irak und Irakisch-Kurdistan buchstäblich das Wasser ab. Der internationale Water Stress Index hat berechnet: Wenn die Wassernutzung so weitergeht, hat das einstige Zweistromland Irak in weniger als 20 Jahren gar keine großen Flüsse mehr.
Grundwasserspiegel sinkt
Ein dramatisches Problem, wie Barron betont: "Wir sehen, dass Bauern massenhaft ihr Vieh verkaufen. Wir sehen Flucht und Vertreibung. Manche Menschen sind schon zum zweiten oder dritten Mal auf der Flucht - erst aufgrund des IS, jetzt wegen Wassermangel. Auch der Grundwasserspiegel ist dramatisch gesunken: Wir haben in einem Flüchtlingslager im Nordirak nach Wasser gebohrt - sonst finden wir das Grundwasser immer bei rund 150 Metern - jetzt muss man rund 400 Meter tief graben und hat trotzdem nicht genug."
Das hat auch Bauer Hamid erlebt. Der alte Mann konnte mit den wenigen Erträgen kaum noch seine Tiere füttern. "Wir haben gesät, aber wir haben alles verloren, die Saat und den Dünger. Die schwere Arbeit war umsonst, es ist einfach alles vertrocknet. Die Ernte war so schlecht, weil es nicht geregnet hat."
Kaktusanbau aus der Not heraus
Hamid und sein Kollege Youssef haben jetzt eine neue Strategie entwickelt, wie sie ihre Schafe, Ziegen und Kühe füttern können: Sie bauen Kaktuspflanzen an. Die Kakteen wachsen gut auf dem völlig ausgetrockneten Boden - es ist die letzte Chance, überhaupt noch Ackerbau zu betreiben. "Normalerweise werden im Irak keine Kakteen angebaut. Aber sie sind praktisch: Sie sparen Wasser, weil man nicht viel braucht, um sie anzubauen und man kann damit die Tiere füttern - man braucht also weniger Viehfutter", sagt Youssef.
Vorsichtig schneidet er einige der fleischigen Blätter eines Feigenkaktus ab, raspelt die Stacheln weg und schneidet die saftigen Pflanzen in kleine Stücke. Die verfüttert er an die Tiere. Die Schafe fressen es ohne Probleme, auch die Kuh beginnt zu kauen. "Ich füttere die Tiere dreimal am Tag; zweimal bekommen sie Futter und einmal Kakteen. Das klappt gut."
Bewässerung reicht nur für Hälfte der Flächen
Die Bauern gehen neue Wege im Anbau, denn bei der Wasserknappheit ist kein Ende in Sicht. Die Bewässerung reicht nur noch für die Hälfte der Landflächen. Landwirtschaftsdirektor der Niniveh-Verwaltung, Rabie Youssef, sagt: "Ohne Regen geht es nicht anders. Manche Bauern vermieten ihr Land, aber momentan kann nur ein Viertel bis maximal die Hälfte der Landflächen bestellt werden."
Die Folge: Die Lebensmittelpreise steigen und die Menschen werden ärmer: Rund sieben Millionen Menschen sind allein im Irak und in Irakisch Kurdistan akut vom Wassermangel betroffen. Doch die internationalen Hilfsgelder würden zunehmend gekürzt, kritisiert Wendy Barron von der Hilfsorganisation Care. Die Vereinten Nationen befürchten, in wenigen Monaten drohe in der Region eine neue humanitäre Krise.
"Wir haben hier politische Instabilität, hatten die Ölkrisen, Kriege, den IS, Corona - und jetzt kommt die Dürre noch oben drauf. Das macht Menschen arm. Knapp die Hälfte der Iraker lebt in Armut. Diese Zahl hat sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Die Zeit läuft uns davon", so Barron.