Der russische Außenminister Lawrow in Neu-Delhi mit seinem Amtskollegen Jaishanker

Tauziehen um Indien Richtung Osten - oder Westen?

Stand: 01.04.2022 20:13 Uhr

Indien vermeidet eine Positionierung gegenüber dem Ukraine-Krieg. Doch der Druck auf das Land steigt - Minister aus Ost und West geben sich in Neu-Delhi die Klinke in die Hand. Vorerst genießt Indien die Aufmerksamkeit.

"Wir sind alte Freunde und gute Partner" sagt der russische Außenminister Lawrow bei einer Pressekonferenz in Neu-Delhi. "Unser Treffen findet in einem schwierigen internationalen Umfeld statt" - das sind die sehr diplomatischen Worte des indischen Außenministers Jaishanker.

Aber der russische Außenminister ist ohnehin nicht nach Indien gekommen, um über den Krieg in der Ukraine zu diskutieren. Der ja ohnehin nicht existiere, das hat Lawrow auch in Neu-Delhi nochmal betont - Russland führe ausschließlich eine militärische Operation dort durch: "Sie kennen unsere Haltung, wir verstecken nichts und wir begrüßen es sehr, dass Indien sich der Fakten bewusst ist und sich nicht auf eine Seite schlägt."

Viele Waffen aus Russland

Indien hat sich bislang bei allen Resolutionen enthalten und den russischen Krieg in der Ukraine nicht verurteilt. Denn Indien ist vor allem militärisch abhängig von Moskau, die meisten Waffen aus dem Arsenal der indischen Armee kommen aus Russland.

Aber der russische Außenminister ist vor allem nach Indien gekommen, um andere Geschäfte zu auszuhandeln: "Was auch immer Indien von uns kaufen will, wir stehen bereit", sagte Lawrow. Es soll um Öl gehen, das Russland zu Discounterpreisen anbietet. Und auch um Kohle.

"Indien hat einen riesigen Bedarf an Energie", sagt Pranay Sharma, Analyst für internationale Beziehungen in Neu-Delhi. "Wenn wir also günstig Gas oder Öl einkaufen können, wären wir doch dumm, das nicht zu tun."

Ein aus russischer Produktion stammender T-90-Panzer der indischen Armee bei einer Parade in Neu-Delhi

Indiens Armee setzt auf Rüstung aus Russland - wie den T-90-Panzer.

Warnungen aus den USA

Dann kommt noch die Frage, mit welcher Währung die Deals abgeschlossen werden. Die USA haben Indien gewarnt, es werde Konsequenzen für das Land haben, wenn lokale Zahlungstransaktionen ins Spiel kämen, die die US-Sanktionen gegen Russland unterlaufen würden.

Der russische Außenminister Lawrow hielt dagegen: "Schon seit Jahren versuchen wir, weniger mit Euro oder Dollar zu verhandeln und sind ohnehin schon dazu übergangen, unsere lokalen Währungen zu nutzen. Ich habe keinen Zweifel, dass wir diese künstlichen Hindernisse umschiffen werden, die der Westen hier illegal aufgebaut hat."

Den Spiegel vorgehalten

Ähnlich sieht das auch die indische Seite. Die Aufregung aus dem Westen stoße in Indien auf Unverständnis, sagt Analyst Sharma: "Wenn ihr meint, wir würden uns auf die Seite Russlands schlagen, weil wir Öl von dort kaufen, warum stoppt Europa dann nicht den Kauf von russischem Gas?"

Indien beuge sich keinem Druck, von keiner Seite, sagt Sharma. Kein Land der Welt stelle seine nationalen Interessen hinten an. Und insgeheim, so sagt er, genieße Indien sogar die große internationale Aufmerksamkeit.

Silke Diettrich, Silke Diettrich, ARD Neu-Delhi, 01.04.2022 16:40 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 01. April 2022 um 14:00 Uhr.