Frauen in Kathmandu halten Handys mit Fotos ihrer in der Ukraine kämpfenden Männer.

Männer aus Nepal und Indien Menschenhandel für Russlands Krieg

Stand: 09.03.2024 17:39 Uhr

In der Hoffnung auf einen russischen Pass und viel Geld fallen junge Männer aus Südasien auf skrupellose Vermittler herein - und landen plötzlich an der Front im Kampf gegen die Ukraine.

Der junge Nepalese möchte unerkannt bleiben. Er zeigt eine vernarbte Wunde auf seinem rechten Unterschenkel. Auch über seinen linken Fuß zieht sich eine breite Narbe. Immer noch stecken Metallteilchen in seinem Fuß. Der 24-Jährige war Teil einer russischen Einheit an der Front im Osten der Ukraine.

"Als es Bomben und Kugeln regneten, dachte ich, mein Leben ist zu Ende, das war's, ich werde sterben. Aber ich habe überlebt und fühle mich wie wiedergeboren", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Er hat Glück gehabt, ist zurück in seinem Heimatland.

"Hatte gehört, dass es dort gutes Geld gibt"

Doch viele seiner Kameraden seien vor seinen Augen gestorben. Und viele Nepalesen seien noch schwer verletzt in Russland. Auf seinem Handy zeigt er Fotos von seiner Zeit bei der russischen Armee sowie Videos in den sozialen Medien von anderen Nepalesen an der Front.

Er hatte sich Geld für ein Studentenvisum in Russland geliehen. Doch damit durfte er nicht arbeiten. "Ich musste zu Hause Kredite abbezahlen und konnte kein Geld schicken. Ich habe mich für die Armee entschieden, weil ich gehört hatte, dass es dort gutes Geld gibt. Nicht, weil ich es wollte, sondern weil meine Situation mich dazu zwang", sagte er.

Es sollen tausende Nepalesen sein, die seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine an der Front für Russland kämpfen. Die Regierung von Nepal spricht offiziell nur von 200. Mindestens zwölf sollen inzwischen ums Leben gekommen sein. Fünf seien als Kriegsgefangene in der Ukraine. Nichtregierungsorganisationen gehen von deutlich höheren Zahlen aus.

Ein ehemaliger Söldner in Nepal zeigt ein Foto auf einem Handy von nepalesischen Männern in russischer Uniform

Tausende Nepalesen sollen seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine für Russland kämpfen.

Hilferuf indischer Männer

Auch Männer aus Indien kämpfen für Russland. Erst diese Woche bestätigte die indische Botschaft in Moskau den Tod eines Inders. Er sei auf einen Arbeitsvermittler in Dubai hereingefallen, hieß es.

Diese Woche kursierte ein Video in den indischen Medien - ein Hilferuf von sieben jungen Indern, angezogen in Tarnuniformen. Sie seien von den russischen Behörden hereingelegt worden, sagen sie: "Sie stellten die Bedingung, dass wir entweder zehn Jahre ins Gefängnis gehen oder einen Vertrag unterschreiben für einem Job als Helfer, Fahrer und Koch. Also haben wir unterschrieben."

Menschenhandel für den Krieg

Wie das indische Außenministerium mitteilte, gehen die  Behörden hart gegen skrupellose Vermittler vor, die junge Männer mit falschen Versprechen rekrutieren. Am Donnerstag hatte die Polizei in mehreren Städten Razzien durchgeführt und Beweismaterial gesammelt.

Gegen mehrere Vermittler laufe ein Verfahren wegen Menschenhandels. Randhir Jaiswal, ein Sprecher des Außenministeriums, erklärte, dass Indien versuche, seine Landsleute wieder zurückzuholen. Insgesamt hätten sich 20 indische Söldner gemeldet. "Wir tun unser Bestes, um sie ausfindig zu machen. Wir stehen in Kontakt mit den russischen Behörden. Wir haben sie gedrängt, die Männer vorzeitig zu entlassen", erklärt der Sprecher.

Demonstrantinnen in der Nähe der russischen Botschaft in Nepal

In Kathmandu protestieren Anfang Februar Angehörige von Söldnern vor der russischen Botschaft.

Nepalesisches Arbeitsverbot für Russland und Ukraine

In Nepals Hauptstadt Kathmandu protestieren schon Anfang Februar Angehörige von Söldnern vor der russischen Botschaft. Sie hielten Plakate hoch mit der Aufschrift: "Russland! Stopp die Rekrutierung von Nepalesen für die russische Armee."

Der Außenminister von Nepal, Narayan Prakash Saud, hatte zuvor erklärt: "Nepal ist ein Land, das an die Blockfreiheit und an den Frieden glaubt, und deshalb können wir nicht zulassen, dass unsere Bürger auf diese Weise für die Armee eines Landes rekrutiert werden, mit dem wir kein Abkommen haben. Wir fordern die sofortige Rückkehr dieser Menschen." Die russischen Behörden haben mittlerweile eine Entschädigung für die Familien der an der Front getöteten Nepalesen angeboten.

Ende des Jahres hatte Russlands Präsident Wladimir Putin einen Erlass unterzeichnet: Ausländischen Söldnern wird darin die russische Staatsbürgerschaft versprochen und ein Sold von etwa 2.000 Euro im Monat. Für viele Nepalesen entspricht das einem Jahresgehalt.

Die Regierung von Nepal hat inzwischen ein Arbeitsverbot für ihre Bürger in Russland und der Ukraine verhängt. Damit will sie verhindern, dass noch mehr Landsleute an der Front sterben.

Charlotte Horn, ARD Neu-Delhi, tagesschau, 09.03.2024 11:10 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 09. März 2024 um 15:24 Uhr.