
Hongkonger Kardinal Zen Nach Festnahme wieder frei - auf Kaution
Der frühere Hongkonger Erzbischof Zen ist auf Grundlage des umstrittenen "Sicherheitsgesetzes" festgenommen worden. Wenige Stunden später folgte die Freilassung auf Kaution. Zen gilt als Kritiker der Regierung in Peking.
In Hongkong ist der frühere Erzbischof Kardinal Joseph Zen wegen unterstellter Verstöße gegen das umstrittene nationale "Sicherheitsgesetz" festgenommen worden. Wie die Zeitung "South China Morning Post" unter Berufung auf eine Quelle berichtete, wurden neben dem pensionierten Kardinal Zen auch die ehemalige Oppositionsabgeordnete Margaret Ng und die Sängerin Denise Ho wegen angeblicher "Absprachen mit ausländischen Kräften" festgesetzt.
Die drei gehörten demnach zu den fünf Treuhändern eines Hilfsfonds, der eingerichtet worden war, um Aktivistinnen und Aktivisten, die im Jahr 2019 an den Anti-Regierungs-Protesten in Hongkong beteiligt waren, finanziell zu unterstützen. Der Fonds sei 2021 geschlossen worden, teilte die in Großbritannien beheimatete Menschenrechtsgruppe Hongkong Watch mit.
Freilassung auf Kaution
Zwei Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 45 und 90 Jahren seien wegen "Verschwörung zur Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften zur Gefährdung der nationalen Sicherheit" festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Sie kämen gegen Kaution frei, ihre Reisedokumente würden jedoch konfisziert.
In Medienberichten war zu sehen, wie Zen Journalistinnen und Journalisten beim Verlassen einer Polizeiwache zuwinkte. Anschließend habe er den Ort ohne weitere Erklärungen in einem Privatauto verlassen.
Weitere Festnahmen in Hongkong
Bereits am Vortag war nach Angaben von Hongkong Watch der Kulturwissenschaftler und Universitätsdozent Hui Po Keung von der nationalen Sicherheitspolizei am Flughafen von Hongkong festgesetzt worden. Die China-Expertin der Organisation Human Rights Watch (HRW), Maya Wang, sagte, auch die frühere Abgeordnete Cyd Ho Sau Lan sei festgenommen worden.
Auch sie sollen als Treuhänder an der Verwaltung des Fonds beteiligt gewesen sein, der Menschen Rechtshilfe finanzierte, die vor zwei Jahren an Protesten für mehr Demokratie in Hongkong teilgenommen hatten. Im Sommer 2020 hatte Peking dann ein drakonisches nationales "Sicherheitsgesetz" für seine Sonderverwaltungsregion Hongkong erlassen, das die politischen Rechte der Bevölkerung stark beschneidet. Viele Anhängerinnen und Anhänger der Opposition wurden seither entweder verhaftet, haben sich aus der Politik zurückgezogen oder sind ins Ausland geflohen.
Kritiker der chinesischen Führung
Kardinal Zen gilt als energischer Kritiker Chinas und hat den 2018 zwischen dem Vatikan und der Volksrepublik geschlossenen Vertrag zur Ernennung katholischer Bischöfe in dem Land als Ausverkauf der chinesischen Untergrundkirche scharf verurteilt. Seit Jahrzehnten ist die chinesische Kirche getrennt in eine staatstreue sogenannte Patriotische Vereinigung und eine Untergrundkirche.
Zen, von 2002 bis 2009 Bischof von Hongkong, zählt zu den kirchenpolitisch prägendsten Vertretern der katholischen Kirche in Asien. Weit über seine Amtszeit hinaus gehörte der Ordensmann der Salesianer Don Boscos zu den prominenten Kritikern der kommunistischen Führung in Peking und ihrer Menschenrechts- und Religionspolitik. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur KNA im Jahr 2018 sagte er: "Unfassbar. Wie kann der Vatikan in solch eine Regierung Hoffnungen setzen?" Er fürchtete stets, der Heilige Stuhl lasse sich von der Staatsführung in Peking das eigene Tun diktieren.
Sorge im Vatikan
In Rom sorgte die Nachricht über die Festnahme des 90-Jährigen für große Besorgnis. "Der Heilige Stuhl hat mit Sorge von der Festnahme des Kardinals Zen erfahren und verfolgt die Entwicklungen mit größter Aufmerksamkeit", sagte Vatikan-Sprecher Matteo Bruni. Das Weiße Haus in Washington forderte in einer Erklärung die "sofortige Freilassung" der "ungerechterweise Festgenommenen und Beschuldigten".
Human Rights Watch nannte die Festnahmen "schockierend". "Die Verhaftung eines 90-jährigen Kardinals wegen seiner friedlichen Aktivitäten ist ein schockierender neuer Tiefpunkt für Hongkong und veranschaulicht den freien Fall der Menschenrechte in der Stadt in den vergangenen zwei Jahren", sagte HRW-Mitarbeiterin Wang dem Portal "Hong Kong Free Press". Weiter hieß es: "Die Verhaftungen, die nach der Ernennung des ehemaligen Sicherheitschefs John Lee durch die chinesische Regierung zum Regierungschef der Stadt erfolgen, sind ein unheilvolles Zeichen dafür, dass das harte Durchgreifen in Hongkong eskalieren wird."
Ex-Sicherheitschef ist neuer Regierungschef
Der Peking-treue bisherige Sicherheitsminister Lee war am Wochenende zum neuen Regierungschef Hongkongs bestimmt worden. Ein Komitee votierte mit 99 Prozent der Stimmen für Lee, einen Gegenkandidaten gab es nicht. Der 64-Jährige spielte eine zentrale Rolle bei der Unterdrückung der Hongkonger Demokratiebewegung, die 2019 Millionen Menschen mobilisiert hatte.
"Mir ist klar, dass ich Zeit brauchen werde, um die Bevölkerung zu überzeugen", sagte Lee nach seiner Wahl. "Aber ich werde es durch Taten schaffen". Nachdem die Behörden "nach dem Chaos die Ordnung wiederhergestellt" hätten, sei es nun sein Ziel, ein Hongkong "voller Hoffnung, Chancen und Harmonie" zu schaffen.
Religionsfreiheit unter Druck
Seit der Einführung des sogenannten "Sicherheitsgesetzes" Ende Juni 2020 durch China werden in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong Freiheitsrechte, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit unterdrückt. Auch die Religionsfreiheit gerät zunehmend unter Druck durch die pro-chinesische Führung.
Im Juni 2021 wurden Gottesdienste in sieben katholischen Kirchen am Jahrestag des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens Ziel pro-chinesischer Aktivistinnen und Aktivisten. Sie positionierten vor den Kirchen Transparente mit der Aufschrift "Bösartiger Kult" und stellten Kardinal Zen als gehörnten Teufel dar.