Ein Mann steht an der Küste des Gazastreifens, während sich die "Open Arms" nähert.

Krieg in Nahost Erstes Schiff mit Hilfsgütern nähert sich Gaza

Stand: 15.03.2024 12:36 Uhr

Ein erstes Schiff mit Hilfsgütern hat die Küste des Gazastreifens erreicht. Auch die deutsche Luftwaffe bereitet von Jordanien aus Hilfslieferungen vor - aus der Luft. Das Welternährungsprogramm drängt auf Hilfe auf dem Landweg.

Nach mehrtägiger Fahrt ist ein mit Hilfsgütern beladenes Schiff vor der Küste des Gazastreifens angekommen. Die mit 200 Tonnen Lebensmitteln der US-Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) beladene "Open Arms" ist mittlerweile in Sichtweite des Palästinensergebiets. Der Website Marine Traffic zufolge lag das Schiff am Morgen rund fünf Kilometer vor der Küste. 

Einige Bewohner des Gazastreifens versammelten sich bereits am Ufer, um auf die Hilfsgüter zu warten. Wann das Schiff entladen werden kann, ist noch unklar. "Wir hoffen, die Hilfsgüter zu entladen, sobald wir anlegen können, aber viele Faktoren spielen bei dieser komplizierten Operation eine Rolle", sagte WCK-Präsidentin Erin Gore am Donnerstag.

Ein Team von WCK, das sich im Gazastreifen aufhält, errichtet bereits seit mehreren Tagen eine schwimmende Anlegestelle. Das Schiff soll 300.000 Mahlzeiten geladen haben, darunter Reis, Mehl und Konserven. Die "Open Arms" war am Dienstag von Zypern aus aufgebrochen.

Erste Maschine der Luftwaffe in Jordanien

Parallel wird internationale Hilfe aus der Luft in dem Kriegsgebiet abgeworfen, woran auch Flugzeuge der Bundeswehr beteiligt sind. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte am Mittwoch grünes Licht für den Auftrag gegeben. Die Bundeswehr stellt dafür zwei C-130-Transportflugzeuge Hercules bereit, die jeweils bis zu 18 Tonnen Last transportieren könnten.

Schon gestern landete ein erstes Transportflugzeug der Luftwaffe in Jordanien. "Wir laden das mitgebrachte Material aus und bereiten uns auf die kommenden Flüge vor", schrieb die Luftwaffe auf der Plattform X. In Jordanien sollen Hilfsgüter eingeladen werden. Die Abwürfe sollen noch in dieser Woche beginnen.

Lieferungen über Land am wichtigsten

Hilfslieferungen aus der Luft und über See können nach Einschätzung des Welternährungsprogramms jedoch nicht Transporte auf dem Landweg ersetzen. "Wir brauchen dringend mehr offene Zugänge", sagte der Direktor des Welternährungsprogramms für Deutschland, Österreich und Liechtenstein, Martin Frick, dem Radiosender Bayern2.

Vor allem im Norden des Gazastreifens sei die Versorgungslage schlecht, daher müssten vor allem dort Grenzübergänge geöffnet werden, erläuterte Frick. Im Dezember seien bereits 570.000 Menschen vom Hungertod bedroht gewesen.

Das Welternährungsprogramm habe derzeit mehr als 1.000 Lastwagen außerhalb des Gazastreifens stehen, die jederzeit Hilfe bringen könnten; das absolute Minimum an Hilfslieferungen seien 300 Lastwagenladungen pro Tag. "Das muss man sich vor Augen führen", sagte Frick: "Da stehen Lastwagen voller Lebensmittel, und auf der anderen Seite der Grenze verhungern Kinder."

Karte: Gazastreifen, schraffiert: von der israelischen Armee kontrollierte Gebiete

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee

Hamas: Menschenmenge von Israel beschossen

Gestern sollen auf Hilfsgüter wartende Menschen nach Angaben der Terrororganisation Hamas von der israelischen Armee beschossen worden sein. Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen teilte mit, 20 Menschen seien dabei getötet und weitere 155 verletzt worden.

Das israelische Militär wies die Berichte als falsch zurück und erklärte, es untersuche das Geschehen. Zu dem Zwischenfall soll es in der Nähe eines Kreisverkehrs gekommen sein, der in den vergangenen Wochen ein wichtiger Punkt für die Verteilung von Hilfsgütern im nördlichen Gazastreifen war.

USA versuchen, Waffenstillstand zu erreichen

Die Bemühungen um einen Waffenstillstand gehen unterdessen weiter. Die USA brachten den Entwurf einer entsprechenden Resolution für den UN-Sicherheitsrat in Umlauf. Ein solcher Waffenstillstand soll demnach Teil einer Vereinbarung sein, die auch die Freilassung der israelischen Geiseln aus der Gewalt der Hamas vorsieht.

Der US-Entwurf fordert von allen Beteiligten die Einhaltung des Völkerrechts, das den Schutz von Zivilisten und zivilen Objekten vorschreibt, zu denen Krankenhäuser, Schulen und Wohnhäuser gehören. In dem Text wird "tiefe Besorgnis des Rates über die Bedrohung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen durch konfliktbedingte Hungersnöte und Epidemien sowie über die Zahl der unterernährten Menschen" und ein katastrophales Ausmaß des Hungers in dem Küstengebiet geäußert.

Sollte die Resolution angenommen werden, würde der Sicherheitsrat zum ersten Mal "die von der Hamas angeführten Angriffe vom 7. Oktober 2023 sowie die Geiselnahme und Tötung von Geiseln, die Ermordung von Zivilisten und sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung" und die Nutzung ziviler Infrastruktur für militärische Zwecke verurteilen. Ein Zeitpunkt für eine Abstimmung im Sicherheitsrat steht noch nicht fest.

Karin Senz, ARD Istanbul, tagesschau, 15.03.2024 14:44 Uhr