Rettungskräfte stehen auf dem Schuttberg eines eingestürzten Hauses in der südosttürkischen Stadt Kahramanmaras. | EPA

Erdbeben in der Türkei und Syrien Kampf gegen die Zeit

Stand: 07.02.2023 21:28 Uhr

Die Zahl der Opfer des Erdbebens steigt noch immer. Die Suche nach Vermissten wird bei eisigen Temperaturen immer dramatischer. Für die Türkei kommt internationale Hilfe - im Bürgerkriegsland Syrien ist es komplizierter.

Noch immer steigt die Opferzahl nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien weiter. Die Temperaturen um den Gefrierpunkt in dem Gebiet machen die Suche unter den Trümmern zu einem Kampf gegen die Zeit. Der türkische Wetterdienst sagte teils Schnee und Regen voraus.

Insgesamt liegt die Zahl der Toten inzwischen bei mehr als 7000, die Zahl der Verletzten wird mit mehr als 30.000 angegeben. Das Pacific Disaster Center, eine US-Organisation für Katastrophenhilfe, geht von insgesamt rund 23 Millionen Menschen aus, die von dem Erdbeben betroffen sind.

In Syrien hat es die Schwächsten getroffen

Während in der Türkei die Hilfe in vielen Gegenden angelaufen ist, warten im kriegszerstörten Syrien Tausende Menschen weiter auf Rettung. Helfer dort vermuten, dass noch immer Hunderte Familien unter den Trümmern begraben sind.

Die Beben in dem Bürgerkriegsland trafen vor allem Menschen, die ohnehin schon in großer Not lebten. Viele der Binnenflüchtlinge, die vor der Katastrophe in baufälligen Unterkünften wohnten, mussten die Nacht bei eisigen Temperaturen im Freien verbringen, wie eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sagte. Eines der am schwersten betroffenen Gebiete ist die Region Idlib, die unter Kontrolle der Rebellen und nicht der Regierung in Damaskus steht.

Weil es an allem fehle, sei die bisherige Suche nur langsam verlaufen, hieß es von den Weißhelmen, einer Hilfsorganisation in den Rebellengebieten. Auch Mediziner seien zudem überfordert und könnten nicht alle Verletzten retten, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Baerbock fordert Öffnung der Grenzübergänge

Laut Außenministerin Annalena Baerbock ist der einzige geöffnete Grenzübergang zwischen der Türkei und Syrien bei dem Beben beschädigt worden. Sie rief dazu auf, alle Grenzübergänge zu öffnen, um schnellere Hilfe in Syrien zu ermöglichen. Alle internationalen Akteure - Russland eingeschlossen - sollten "ihren Einfluss auf das syrische Regime nutzen, dass die humanitäre Hilfe für die Opfer dort auch ankommen kann", sagte Baerbock.

Russland ist ein Verbündeter des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und mit eigenen Soldaten in dem Land präsent. In den vergangenen Jahren hatten die Regierungen beider Länder einen UN-Hilfsmechanismus mit mehreren Grenzübergängen immer weiter eingeschränkt, bis nur noch der nun beschädigte Übergang übrig geblieben war.

Der Chef des syrischen Roten Halbmonds, Chaled Habubati, rief die EU zur Aufhebung ihrer Sanktionen und zu Hilfslieferungen auf. Die syrische Regierung versicherte, dass Hilfsgüter auch in die nicht von Damaskus kontrollierten Gebiete des Landes weitergeleitet würden.

Karte von der Türkei und Syrien mit mehreren Erdbeben (Stand 6.2.23 12 Uhr)

Karte des Erdbebengebiets in der türkisch-syrischen Grenzregion (Stand 6.2.23)

Ausnahmezustand in der Türkei ausgerufen

In der Türkei rief Präsident Recep Tayyip Erdogan den Ausnahmezustand in zehn vom Beben betroffenen Provinzen aus. Städteminister Murat Kurum sagte: "Dieses Erdbeben hat 13,5 Millionen unserer Bürger direkt betroffen." Manche Straßen und Wege seien nicht zugänglich, man arbeite daran, sie passierbar zu machen. "Der Schmerz ist unbeschreiblich."

Schätzungen der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften zufolge sind allein in der Türkei rund 150.000 Menschen obdachlos geworden. In einigen Gegenden werfen Bewohner der Regierung vor, nicht genügend zu tun.

Hilfsteams auf dem Weg

Aus der ganzen Welt sind mittlerweile Rettungsteams aufgebrochen, um die Arbeiten im Katastrophengebiet zu unterstützen. Über das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU sind laut dem zuständigen Kommissar mehr als 1150 Rettungskräfte und 70 Hunde entsandt worden. Aus Mexiko sind 145 Helfer auf dem Weg, auch das deutsche THW schickte Teams los.

Hilfszusagen kamen auch aus Großbritannien, Israel, Indien, Russland, Saudi-Arabien, Katar sowie den USA. Sogar die von Russland angegriffene Ukraine kündigte an, 87 Rettungskräfte in die Türkei zu schicken.

Neue Beben befürchtet

Experten gehen davon aus, dass es in nächster Zeit noch ähnlich große Beben in nahen Regionen geben könnte. Ursache dafür seien Spannungsumlagerungen, sagte Marco Bohnhoff vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam. Weitere Beben könnten insbesondere nordöstlich des bisherigen Gebiets folgen. Seine Kollegin Charlotte Krawczyk erklärte, in dem betroffenen Bereich habe es seit etwa 900 Jahren kein so großes Beben mehr gegeben.

Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 07. Februar 2023 um 21:35 Uhr.