Jake Sullivan

Verteidigungskampf gegen Russland USA liefern Streumunition an die Ukraine

Stand: 05.09.2023 07:09 Uhr

Die USA werden der Ukraine Streumunition zur Verfügung stellen. Es sei eine schwierige Entscheidung gewesen, erklärte das Weiße Haus. Die Ukraine werde die Munition im eigenen Land zur Verteidigung einsetzen.

Zur Verteidigung gegen Russland wird die US-Regierung der Ukraine Streumunition liefern. Das teilte der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan mit. Es sei eine schwierige Entscheidung gewesen, sagte er im Weißen Haus. Aber US-Präsident Joe Biden habe sich entschieden, diesen Schritt zu gehen.

"Wir sind uns bewusst, dass Streumunition das Risiko birgt, dass Zivilisten durch nicht explodierte Munition zu Schaden kommen", betonte Sullivan. "Deshalb haben wir die Entscheidung so lange aufgeschoben, wie wir konnten."

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Markus Preiß, ARD Brüssel, tagesthemen, 07.07.2023 21:25 Uhr

Es bestehe jedoch auch ein großes Risiko für Zivilisten, "wenn russische Truppen und Panzer über ukrainische Positionen rollen und mehr ukrainisches Territorium einnehmen und mehr ukrainische Zivilisten unterwerfen". Die Ukraine brauche dringend weitere Artilleriemunition, um russische Angriffe abwehren und ihre eigene Gegenoffensive fortsetzen zu können. Die Streumunition sei eine Art Übergangslösung, während die USA ihre Produktion von neuer Artilleriemunition für die Ukraine hochfahren, erklärte Sullivan.

Biden: Schritt mit Verbündeten abgesprochen

In einem am Freitag ausgestrahlten Interviewausschnitt mit dem US-Sender CNN betonte Biden, er habe über den Schritt mit Verbündeten und Mitgliedern des US-Kongresses gesprochen.

Die USA seien - anders als Deutschland - zwar keine Unterzeichner des Vertrags zur Ächtung von Streumunition, dennoch habe es eine Weile gedauert, bis er überzeugt gewesen sei, die Streumunition zu liefern. Einer der Hauptgründe sei, dass in der Ukraine ein großer Mangel an Munition herrsche, die die Ukraine im Kampf gegen Russland benötige.

Pentagon versichert niedrige Blindgänger-Quote

Auch Sicherheitsberater Sullivan hatte zuvor betont: "Wir werden die Ukraine in dieser Konfliktphase zu keinem Zeitpunkt schutzlos zurücklassen. Punkt." Die Ukraine werde die Streumunition im eigenen Land zur Verteidigung einsetzen. "Russland hat von Kriegsbeginn an Streumunition eingesetzt, um die Ukraine damit anzugreifen. Munition, die eine hohe Blindgängerquote von 30 oder 40 Prozent hat", betonte Sullivan.

Das Pentagon, dem zufolge die Munition Teil eines neuen Rüstungspakets für die Ukraine ist, betonte, man werde nur Streumunition mit einer niedrigen Rate an Blindgängern liefern. Kiew habe außerdem zugesichert, die Geschosse nicht in dicht besiedelten städtischen Gebieten einzusetzen und festzuhalten, wo die Munition zum Einsatz komme. Sullivan zufolge liege der Blindgänger-Anteil der US-Munition bei unter drei Prozent. Man sei sich der Gefahr der Streumunition für die Zivilbevölkerung bewusst.

Weitere Details zum Zeitplan und der exakten Menge der Lieferung wollte das Pentagon nicht preisgeben. Die Bereitstellung solle aber so erfolgen, dass sie für die bereits angelaufene ukrainische Gegenoffensive relevant sei. Die USA haben nach eigenen Angaben Hunderttausende der Geschosse auf Lager.

Hoch umstrittene und viel kritisierte Munition

Die Ukraine fordert bereits seit Längerem die Lieferung von Streumunition. Damit werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper - sogenannte Submunition - verstreuen oder freigeben. Streumunition könnte der Ukraine nach Ansicht von Militärexperten bei ihrer Gegenoffensive gegen russische Truppen helfen, die sich unter anderem in Schützengräben verschanzt haben.

Allerdings gilt die Munition international als geächtet. Sie ist sehr unpräzise, vor allem aber detonieren viele Sprengkörper beim Aufprall nicht. Diese stellen auch Jahre oder Jahrzehnte nach Ende eines Konflikts eine Gefahr für Zivilisten dar. So können spielende Kinder oder Bauern bei der Feldarbeit durch solche Blindgänger getötet oder schwer verletzt werden, ähnlich wie bei Landminen.

USA und Ukraine haben Abkommen nicht unterschrieben

In der US-Regierung wurde seit einer Weile über die Lieferung der Munition diskutiert. Deutschland ist wie mehr als 100 weitere Staaten einem Vertrag zur Ächtung von Streumunition beigetreten - dem sogenannten Oslo-Übereinkommen. Die USA haben das Abkommen nicht unterschrieben.

In dem Vertrag verpflichten sich Staaten, "unter keinen Umständen jemals Streumunition einzusetzen, zu entwickeln, herzustellen, auf andere Weise zu erwerben, zu lagern, zurückzubehalten oder an irgendjemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben". Es heißt unter anderem, dass man entschlossen sei, "das Leiden und Sterben zu beenden", das durch Streumunition verursacht werde. Man sei besorgt, dass "Streumunitionsrückstände Zivilpersonen, einschließlich Frauen und Kinder, töten oder verstümmeln" könnten.

Die Forderung der Ukraine nach der Lieferung von Streumunition hatte bereits bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar für Aufsehen gesorgt. Der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow argumentierte damals, diese Art von Munition könne dazu beitragen, dass man den Angreifern standhalten könne. Außenminister Dmytro Kuleba wies darauf hin, dass die Ukraine den völkerrechtlichen Vertrag zum Verbot des Einsatzes von Streumunition nicht unterzeichnet hat.

Mit Informationen von Claudia Sarre, ARD-Studio Washington

Katrin Brand, ARD Washington, tagesschau, 07.07.2023 21:46 Uhr