Ein Demonstrant in den USA hält ein Schild mit der Forderung "Defund the police" hoch .

Vier Jahre nach dem Tod von Floyd Kaum jemand fordert noch eine Polizeireform

Stand: 25.05.2024 10:17 Uhr

Sein gewaltsamer Tod durch Polizisten hat George Floyd zu einer Symbolfigur gemacht. Doch obwohl es in den USA immer wieder zu Fällen von Polizeigewalt kommt, ist der Ruf nach einer Polizeireform weitgehend verstummt.

"Defund the police" - "Streicht der Polizei die Mittel": Mitten in der Hauptstadt Washington hatten Aktivisten im Sommer 2020 den griffigen Slogan in großen, gelben Lettern auf eine Straße gesprüht. Nicht auf irgendeine Straße, sondern auf eine, die im Herzen der Hauptstadt direkt auf das Weiße Haus zuführt.

Zachary Parker dagegen hat nie viel davon gehalten, der Polizei die Mittel zu kürzen. Der hochgewachsene Afro-Amerikaner und ehemalige Schullehrer vertritt den Stadtteil Brookland im Stadtrat, eine besonders von Kriminalität betroffene Gegend.

Natürlich habe es nach dem Tod von George Floyd auch hier die Forderung nach "defund the police" gegeben, also der Polizei die Mittel zu streichen, sagt Parker. Aber niemand habe gewusst, was die Alternative sein könnte.

Die Forderung sei "einfach zu schlicht", schließlich gehe es darum, "das System zu reformieren" und für eine Alternative für eine bessere Zukunft zu entwickeln. Aber das, glaubt Parker, werde hart.

Menschen gehen über eine Straße in Washington, D.C. (USA), auf die im Sommer 2020 die Worte "Black lives matter" gemalt worden waren.

Neben der Forderung nach einer Streichung der Polizeimittel hatten Demonstranten auch den Slogan "Black lives matter" auf die Straße in Washington geschrieben.

Die Gewaltrate steigt stark an

Im vergangenen Jahr ist in der US-Hauptstadt die Rate der Gewaltverbrechen um 39 Prozent in die Höhe geschnellt. 274 Menschen wurden ermordet: Die Hauptstadt erlebte ihr tödlichstes Jahr seit 1997.

Als Konsequenz hat der Stadtrat jetzt die "Secure DC Bill" verabschiedet, ein umfangreiches Maßnahmenpaket, um die Kriminalitätsrate zu drücken. Auch durch eine höhere Polizeipräsenz auf den Straßen, was Ra Amin aus Brookland begrüßt.

Amin engagiert sich in der lokalen ANC ("Advisory Neighborhood Commission"), eine Art basisdemokratisches Lokalparlament, das sich um Belange unmittelbar vor der Haustür kümmert. Er macht sich Gedanken über eine effektive Polizeireform.

"Noch in den 1960er- und 1970er-Jahren war es hier in Brookland ganz normal, dass Polizisten im gleichen Wohnviertel leben", erzählt er, "sie gehörten in der Nachbarschaft dazu, waren Teil der Gemeinschaft, ein vertrauter Anblick".

Wenig Kontakt, viel Misstrauen

Das ist heute anders. Polizisten seien allenfalls im Einsatz zu erleben: Auch daher rühre das weitverbreitete Misstrauen gegen die Beamten, besonders in der schwarzen Bevölkerung, weiß der Afro-Amerikaner Amin.

"Die meisten Leute, mit denen ich hier in Brookland spreche, wollen ja Polizei auf der Straße sehen", so die Erfahrung des Nachbarschaftsaktivisten, "die sind dagegen, bei öffentlicher Sicherheit zu sparen". In Amins Wohngegend kommt es immer wieder zu Schießereien oder zu Autodiebstählen.

Er plädiert dafür, aus Kostengründen eingestellte Programme wieder aufzulegen: etwa dass Polizeibeamte in die Schulen gehen, um mit jungen Leuten über ihre Arbeit zu reden, ihr Vertrauen zu gewinnen. "Das findet heute nicht mehr statt, weil kein Geld da ist", klagt Amin.

Unterfinanzierung verhindert vertrauensbildende Maßnahmen. Amin ist überzeugt davon, dass am falschen Ende gespart wird: "Die Wahrnehmung von Polizei ändert sich, wenn man einander kennt!"

Wie kann ein besseres Miteinander wachsen?

Umgekehrt gelte das natürlich auch: Polizeiarbeit sei da leichter, wo sich die Beamten auskennen. Da es nicht ohne einander geht, müsse das Miteinander verbessert werden. Auch durch eine bessere Ausbildung der Beamten, wieder ein Kostenfaktor.

David lebt seit elf Jahren in Brookland. Vor wenigen Wochen erst musste er eine Schießerei miterleben. Er war mit Freunden in einem Restaurant, als vor der Tür Schüsse fielen. Die Restaurantgäste warfen sich auf den Boden, suchten Schutz unter den Tischen: Aus Angst vor Querschlägern und Kreuzfeuer.

Die Polizeipräsenz komplett einstellen, das kann sich David kaum vorstellen: "Dafür vertraue ich meinen Mitbürgern zu wenig, als dass ich sie selber für ihre Sicherheit sorgen lassen würde."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. Mai 2024 um 09:24 Uhr.