Miami: Zwei Regimekritikerinnen aus Nicaragua umarmen sich

Nicaragua "Gesetz der Rache und der Willkür"

Stand: 19.02.2023 11:12 Uhr

In Nicaragua herrscht Machthaber Ortega mit harter Hand. Zuletzt schob das autoritäre Regime 222 Oppositionelle in die USA ab. Jetzt geht Ortega auch gegen Regimekritiker im Exil vor.

Gioconda Belli liest aus ihrem Gedicht vor. "Nicaragua" heißt es. Eine Liebeserklärung an ihr Heimatland. Es ist ihre Reaktion auf ihre Ausbürgerung, gepostet auf ihrem Instagram-Account. 94 Regimekritiker, die bereits im Exil leben, wurden von dem autoritär regierenden Präsidenten Daniel Ortega zu Flüchtlingen der Justiz erklärt.

Die renommierte Schriftstellerin Belli lebt in Madrid, weil sie ihre Heimatstadt Managua nach massiven Drohungen verlassen musste. Sie zählt zu den bekanntesten Kritikerinnen der autoritären Regierung von Daniel Ortega und seiner Frau Rosario Murillo.

Drastisches Vorgehen gegen Landsleute im Exil

Ein Richter verlas Mitte der Woche die Begründung. Die Maßnahmen dienten dem Zweck, "den sozialen Frieden, die Rechtssicherheit, die Unabhängigkeit, Souveränität und Selbstbestimmung Nicaraguas zu gewährleisten". Den Betroffenen wurde außerdem vorgeworfen, Falschnachrichten zu verbreiten und die nationale Integrität zu untergraben. Ihr gesamtes Vermögen soll beschlagnahmt werden. Sie dürfen zu Lebzeiten kein öffentliches Amt mehr in ihrer Heimat bekleiden.

Die EU verurteilte den Entzug der Staatsbürgerschaft für die 94 Dissidenten. Das Vorgehen stelle eine Verletzung von Grundrechten und einen Bruch internationalen Rechts dar, erklärte der Chefsprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes in Brüssel.

"Gesetz und Verfassung werden nicht mehr geachtet"

Auch der Journalist und Chefredakteur Carlos Fernando Chamorro ist unter den Betroffenen. Er betreibt die Online-Ausgabe von "El Confidencial" inzwischen aus dem Exil in Costa Rica, nachdem die Zeitung in Nicaragua zwangsgeschlossen wurde. Zwei seiner Geschwister waren unter den 222 politischen Gefangenen, die am 9. Februar des Landes verwiesen und in die USA ausgeflogen wurden. Für Chamorro ist dies der Beleg für die Unfreiheit seines Heimatlandes.

Die Diktatoren Ortega und Murillo beweisen damit, dass Nicaragua seit vielen Jahren keine Gesellschaft mehr ist, in der das Gesetz und die Verfassung geachtet werden, sondern nur noch das Gesetz der Rache, der Willkür und des Hasses gegen die Bürger durchgesetzt werden, die in einer freien und demokratischen Gesellschaft leben wollen.

Appell an Beschäftigte in öffentlichen Ämtern

Unter den Ausgebürgerten sind Diplomaten, Journalisten, Menschenrechtlerinnen, Politiker, Intellektuelle und Aktivistinnen, die sich teils auch an Protesten im Jahr 2018 beteiligt hatten, die von dem autoritären Regime blutig niedergeschlagen wurden. Damals starben rund 350 Menschen, Tausende wurden verletzt.

"Vor allem die im öffentlichen Dienst Beschäftigten, im Staatsdienst und im Militär, sollten die Korruption anprangern", ruft Chamorro seine Landsleute dazu auf, das Schweigen zu brechen. Sie dürften "nicht den Befehlen einer amoralischen Diktatur gehorchen und damit beginnen, Teil eines Wandels und einer nationalen Lösung zu werden".

Anne Demmer, Anne Demmer, RBB, 19.02.2023 10:55 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. Februar 2023 um 07:44 Uhr.