Sheynnis Palacios nach ihrem Gewinn des Titels Miss Universe 2023

Nicaragua Zu schön, um ungefährlich zu sein

Stand: 07.01.2024 17:05 Uhr

Sheynnis Palacios ist die erste Frau aus Nicaragua, die zur Miss Universe gekürt wurde. Der öffentliche Jubel darüber missfällt Diktator Ortega. Seither wird auf Palacios Umfeld Druck ausgeübt.

Von Christina Fee Moebus, ARD Mexiko-Stadt

Als am 18. November 2023 Sheynnis Palacios zur Miss Universe 2023 gekrönt wird, sind in Managua viele Menschen außer sich vor Freude. Hunderte feiern auf den Straßen der Hauptstadt Nicaraguas, fahren hupend mit Autokorsos durch die Stadt und schwingen nicaraguanische Flaggen. Eine junge Frau ist ganz aufgelöst. Sie sei so stolz, da sie Palacios seit langem verehre. Sie habe jedes Mal, wenn ihre Favoritin eine Runde im Wettbewerb weitergekommen sei, geweint.

Insbesondere für die ärmere Bevölkerung ist der Miss-Universe-Titelgewinn für Nicaragua zu schön, um wahr zu sein. Für die linksgerichtetete, sandinistische Regierung hingegen ist er offenbar zu bedrohlich, um einfach so hingenommen zu werden. Palacios und ihr Umfeld sind ins Visier von Machthaber Daniel Ortega und seiner Ehefrau Rosario Murillo geraten.

Karen Celebertti, Direktorin der Organisation Miss Universe Nicaragua, wurde nach dem Finale des Schönheitswettbewerbs die Wiedereinreise in ihr Heimatland verweigert. Ihr Mann und ihr Sohn wurden wegen Landesverrats verhaftet. Celebertti ist mittlerweile auf Druck des Regimes von ihrem Amt zurückgetreten.

Ausbürgerung - ein häufiges Mittel des Regimes

Immer wieder greift das nicaraguanische Regime bei (vermeintlichen) Oppositionellen auf das Mittel der Zwangsausbürgerung zurück. Vizepräsidentin Rosario Murillo sagte in einer Ansprache im nicaraguanischen Regierungsfernsehen, dass das Land weder "geschminkte Provokationen noch Verschwörungen noch vulgäre Manipulation, gelenkt von Truppen, die dem Imperialismus dienen" hinnehme.

Medienberichten zufolge sollte auch Palacios selbst zunächst nicht wieder einreisen dürfen. Allerdings zog die Regierung diese Maßnahme wieder zurück, nachdem die 23-Jährige den Sieg bei dem internationalen Wettbewerb geholt hatte.

Eine Frau, mit der sich viele identifizieren

Palacios wohnt aktuell in New York. Politische Botschaften vermeidet die Schönheitskönigin. Sie betont aber immer wieder, wie stolz sie darauf sei, als erste Nicaraguanerin zur Miss Universe gekrönt worden zu sein.

Viele können sich mit der jungen Frau aus Managua identifizieren. Sie kommt aus einfachen Verhältnissen, hat während des Studiums so genannte Buñuelos verkauft, eine Art Quarktasche aus Maniok, um finanziell über die Runden zu kommen.

Fans von Sheynnis Palacios jubeln mit der Nationalflagge Nicaraguas

Jubel mit Nationalflagge: Die öffentliche Freude über den Sieg Palacios ist dem Regime in Managua verdächtig.

Es reicht, die Nationalflaggen zu schwenken

Beim Regime ist Palacios in Ungnade gefallen für Zeiten, bevor sie zur Miss Universe aufgestiegen ist. In sozialen Medien kursieren Fotos, auf denen sie an den Sozialprotesten von 2018 teilnimmt und die blau-weiße Flagge Nicaraguas in die Luft hält. Wer die Landesfarben zur Schau trägt, gilt bei der Regierung als oppositionsnah. 

Damals hatte das Regime die Aufstände blutig niedergeprügelt. Etwa 350 Menschen kamen ums Leben. Der nicaraguanische Journalist Silvio Prado deutet die jetzige Reaktion des Ortega-Clans auf die neue Miss Universe als Zeichen der Schwäche.

Das Regime toleriere niemanden außerhalb der eigenen Kontrolle, sagt Prado, der als Autor bei der Digital-Zeitung "El Confidencial" arbeitet. Das Medium hat Palacios zur Person des Jahres gewählt. Das Regime sei schwach und gefangen in der eigenen Unsicherheit.

Die Opposition wird verfolgt

Das Ortega-Regime hat nach den Protesten den Druck auf die Zivilgesellschaft erhöht. Demonstrationen sind strikt verboten, genauso wie mittlerweile insgesamt 4000 Nichtregierungsorganisationen. Viele Oppositionelle wurden verhaftet oder ins Exil geschickt.

Auch Bischöfe und Priester hat die nicaraguanische Polizei in letzter Zeit vermehrt verhaftet, ohne eine Begründung anzugeben. Papst Franziskus hatte sich erst in seinem ersten Angelusgebet des neuen Jahres tief besorgt über die Situation der Kirche in Nicaragua gezeigt.

Auch wenn sich Palacios derzeit nicht politisch äußert: Die Strahlkraft ihres Erfolgs und ihre politische Vergangenheit alarmieren das Regime. Dass Bürger ermutigt werden, wieder mit der Flagge auf die Straße zu gehen, ist für die Herrscher gefährlich genug.

Christina Fee Moebus, ARD Mexiko-Stadt, tagesschau, 04.01.2024 18:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 04. Januar 2024 um 12:24 Uhr.