Die Polizei beschützen Anwohner, die aus dem Viertel Carrefour Feuilles in Port-au-Prince fliehen.

UN-Bericht Mehr als 2.400 Tote durch Bandengewalt in Haiti

Stand: 18.08.2023 18:59 Uhr

Haiti wird seit Jahren von Bandengewalt erschüttert. Die UN haben nun Zahlen über das Ausmaß vorgelegt: Demnach wurden seit Jahresbeginn 2.439 Menschen getötet. Menschenrechtskommissar Türk fordert eine internationale Truppe für das Land.

Seit Jahresanfang sind in Haiti nach Angaben der Vereinten Nationen infolge von Bandengewalt 2.439 Menschen ums Leben gekommen. 902 weitere Menschen seien zwischen dem 1. Januar und dem 15. August verletzt worden, teilte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Genf mit.

Zudem seien 951 Menschen gekidnappt worden. Als Reaktion auf die Banden bildeten sich zunehmend Selbstverteidigungsgruppen, die ebenfalls für Gewalt verantwortlich seien. "Die Berichte aus Haiti in dieser Woche unterstreichen die extreme Brutalität der Gewalt gegen die Bevölkerung", sagte die Sprecherin des UN-Hochkommissariats, Ravina Shamdasani.

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk forderte die Entsendung einer multinationalen Truppe, die nicht der UN angehört, um die örtliche Polizei in der "ernsten Sicherheitslage und bei der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung" zu unterstützen. Das Leiden der haitianischen Bevölkerung müsse gelindert werden, sagte er.

30 Tote und viele Verletzte in Port-au-Prince

Besonders die Hauptstadt Port-au-Prince wurde seit dem Wochenende wieder von einer Welle der Gewalt erschüttert. Nach UN-Angaben flüchteten in den vergangenen Tagen etwa 5000 Bewohnerinnen und Bewohner vor den Angriffen der Banden in den Stadtteilen Carrefour-Feuille und Savanes Pistaches.

Die Bewohner verließen die Viertel zu Fuß, auf Motorrädern oder in Autos gepfercht sowie mit Taschen und Koffern beladen, wie ein AFP-Journalist beobachtete. Bandenmitglieder plünderten Häuser und zündeten sie an. Einige Bewohner sollen erschossen worden sein.

Laut einer vorläufigen Bilanz von Aktivisten sollen 30 Menschen getötet worden sein. Zudem seien mehr als ein Dutzend Menschen verletzt, vier Menschen gelten als vermisst, erklärte das örtliche Netzwerk für die Verteidigung der Menschenrechte (RNDDH) gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Unter den Toten sind demnach auch zwei Polizisten.

Das Viertel Carrefour-Feuilles wird nach Angaben der Polizei regelmäßig von Mitgliedern einer Bande angegriffen, die von Renel Destina - auch bekannt als Ti Lapli - angeführt wird, der von der US-Bundespolizei FBI gesucht wird. Inzwischen sollen Banden mehr als 80 Prozent von Port-au-Prince kontrollieren. Die Nationalpolizei gilt als überfordert und personell unterbesetzt.

USA wollen Resolution in UN-Sicherheitsrat einbringen

Haiti ist das ärmste Land Lateinamerikas und befindet sich seit Langem in einer wirtschaftlichen und politischen Krise, die immer wieder zu Gewalt führt. In der Hauptstadt kämpfen Banden, die häufig mit politischen Kräften verbunden sind, um die Kontrolle. Auch die Zahl der Entführungen ist drastisch gestiegen. Zuletzt kam es zu einer Selbstjustiz-Bewegung der Bewohner gegen die Banden.

Vor diesem Hintergrund fordert Ministerpräsident Ariel Henry wiederholt eine internationale Eingreiftruppe für sein Land, um die Gangs zu stoppen. Ende Juli bot Kenia an, die Führung einer solchen Truppe zu übernehmen. Erst kürzlich kündigten die USA zudem an, eine Resolution in den UN-Sicherheitsrat einzubringen, die eine multinationale Mission für Haiti vorsehe, die aber nicht den Vereinten Nationen unterstehen solle.    

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. April 2023 um 08:00 Uhr.