Luana Lopez Reta

Argentinien Eine Quote für Transmenschen

Stand: 21.08.2021 11:36 Uhr

In Argentiniens Behörden gilt ab sofort eine Trans-Quote von einem Prozent. Die LGBTIQ-Gemeinde jubelt. Mitten in der Pandemie nimmt das katholisch geprägte Land eine Vorreiterrolle bei der Gendergerechtigkeit ein.

Der Stolz steht Luana Lopez Reta ins Gesicht geschrieben, als sie zu ihrer neuen Arbeitsstelle im Zentrum von Buenos Aires läuft. Luana ist eine der ersten Transfrauen, die vom neuen Transgender-Gesetz Argentiniens profitieren. Die Systemanalystin mit der Spezialisierung für Linux-Software hatte bislang verschiedene Jobs als Freischaffende angenommen.

Jetzt arbeitet sie erstmals seit ihrem Outing als Transperson wieder festangestellt in einem Büro. "Ich hätte nie gedacht, dass ich als Transfrau einer geregelten Arbeit würde nachgehen können, eben weil ich diese Orientierung habe. Jetzt bin ich glücklich."

Die 55-jährige Luana wurde als Mann geboren, fühlte sich jedoch bereits früh fremd in ihrem Körper. Solange ihre Mutter am Leben war, wollte sie sich nicht outen. Erst nach deren Tod ließ Luana ihre Haare wachsen, änderte ihren Kleidungsstil und heiratete einen Mann. Dass damit ein krasser Lebenswandel verbunden war, wusste Luana.

Transpersonen treffen im katholisch geprägten Argentinien noch immer auf große Vorbehalte. Vor allem in ländlichen Provinzen. Sie finden oft genug keine Arbeit außerhalb der Prostitution. 95 Prozent der Transgender-Personen sind laut Studien nicht formal angestellt.

Luana Lopez Reta

Ein Stück Sicherheit und Normalität, mit dem sie nicht mehr gerechnet hatte: Luana Lopez Reta profitiert von der neuen Quote.

Das Gesetz findet eine große Mehrheit

Argentiniens neues Gesetz sieht nun vor, dass ein Prozent aller Stellen im öffentlichen Dienst für Transpersonen reserviert ist. Insgesamt sollen es landesweit 2500 Arbeitsplätze sein. Private Unternehmen, die Transgender-Personen beschäftigen, sollen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt werden. Das Gesetz hatte der Kongress jüngst mit großer Mehrheit verabschiedet.

Argentiniens Präsident Alberto Fernández lud anschließend zu einer großen Pressekonferenz und stellte ein weiteres Projekt seiner Regierung vor: den neuen Ausweis auch für nicht-binäre Menschen. Zukünftig kann jeder Argentinier dort neben "männlich" oder "weiblich" ein "x" vermerken lassen, wenn die Zuordnung zu keinem Geschlecht gewollt ist.

Damit setzt Argentinien mitten in der Pandemie die wohl progressivste Sozialgesetzgebung Südamerikas um. Das hatte Präsident Fernández seit Amtsbeginn angestrebt. Es gibt wohl auch einen persönlichen Hintergrund: Fernández' Kind hat sich gerade als nicht-binär geoutet und will dies im neuen Personalausweis auch kenntlich machen.

Argentiniens Präsident Fernandez mit LGBTTIQ-Aktivisten

Das Eintreten für eine Trans-Quote hat für ihn auch eine persönliche Dimension: Argentiniens Präsident Fernandez (Mitte)

Reform in einer Zeit der Krise

Was die LGBTIQ-Gemeinde begrüßt, spielt für viele Argentinier derzeit aber nur eine untergeordnete Rolle. Denn die Corona-Pandemie hat noch immer enorme Auswirkungen auf den Alltag am Rio de la Plata: Die Grenzen zu den Nachbarländern sind seit Monaten dicht, die Inflation steigt immer weiter an und die Wirtschaftskrise hat sich durch die Pandemie zugespitzt. Ein Ausweg aus der Misere ist vorerst nicht absehbar.

Für Luana Lopez Reta überwiegt dennoch derzeit die Freude über den neuen Job. Gemeinsam mit anderen Trans-Aktivisten sitzt sie in ihrem Garten und stößt auf die neue Gesetzgebung an. Fast jeder hat bislang unter Stigmatisierungen gelitten. "Jahrelang musste ich mich verstellen, um mich an die Mehrheitsgesellschaft anzupassen", erzählt Alexia Segovia. "Die neuen Gesetze helfen jetzt und werden einen Wandel einleiten."

Luanas Lebenswandel steht erst am Anfang. In ihrem Ausweis ist bereits ein "F" für Frau vermerkt. Demnächst will sie mit einer Hormontherapie beginnen, um zukünftig einen weiblicheren Körper zu besitzen. Denn sie hat sich für einen Prozess der Transsexualität entschieden. Dass sie nun einen festen Job im Innenministerium hat, bestärkt sie darin, ihren Weg zu gehen.