
Von der Leyen in Ägypten und Israel Auf der Suche nach Gas
Europa will unabhängiger von russischer Energie werden. Deshalb ist EU Kommissionspräsidentin von der Leyen nach Israel und Ägypten gereist - es geht um ein Abkommen über Flüssiggas-Lieferungen.
Eine super-gigantische Entdeckung, der Jackpot - so hieß es 2015 in den Nachrichten, als der italienische Ölkonzern Eni stolz Erfolg bei der Suche nach Gasvorkommen in Ägypten vermeldete: Das Gasfeld Zohr, unmittelbar vor der Küste Ägyptens im Mittelmeer gelegen, sei ein riesiges Gasvorkommen unter dem Meeresgrund.
Damit waren Ägyptens Gasengpässe nahezu schlagartig gelöst - bislang hatte das Land selbst Gas importieren müssen, unter anderem aus Russland - und hatte sich dafür schon Anfang der 2000er-Jahre zwei LNG Flüssiggasterminals am Mittelmeer gebaut.
Gaslieferungen nach Europa?
Seit 2018 ist Ägypten nun Selbstversorger und kann über seine LNG-Terminals Gas exportieren statt importieren. Die europäische Krise mit Russland könnte für Ägypten möglicherweise eine Chance sein.
"Wir sind gut positioniert in der momentanen Lage", so der ägyptische Ölminister Tarek al-Molaa im Gespräch mit CNBC. "Auch wenn wir kein großer Ölförderer sind, so haben wir doch Gas und können zu einem mediterranen Zentrum des Flüssiggasexports werden. Wir und die anderen Mittelmeerländer werden die Situation nutzen, unsere Wirtschaft auszubauen, so dass wir eine verlässliche Quelle für die Gaslieferungen nach Europa sind."
Unterzeichnung eines Gasabkommens
Das Interesse auf Seiten der EU ist groß, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist nach ihrem Israelbesuch weiter nach Kairo, um dort bei der Unterzeichnung eines Gasabkommens dabei zu sein. Eigentlich wollte von der Leyen mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisis vor allem über Nahrungsmittelsicherheit sprechen, aber die Energiefrage ist noch akuter.
Sprecherin Dana Spinant sagte: "Energie ist ein wichtiges Thema in der Beziehung zu Ägypten. Die aktuelle Situation hat uns motiviert, zusätzliche Verträge mit unseren Partnern abzuschließen, um unsere Energieversorgung breiter aufzustellen. In diesem Kontext ist Ägypten ein wichtiger Partner."
"Gasforum östliches Mittelmeer"
Denn Ägypten kooperiert mit seinen Nachbarn im Mittelmeerraum. Mit Griechenland, Zypern, Jordanien, Italien und mit Israel gründete Ägypten 2020 ein "Gasforum östliches Mittelmeer". Das Ziel ist, gemeinsam Gasförderung voranzutreiben und Exporte zu organisieren. Aktuell produziert Ägypten laut BP 73 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr, die Tendenz ist steigend.
Zum Vergleich: Russland fördert mehr als 600 Milliarden Kubikmeter. Große Mengen sind es also noch nicht in Ägypten - das Land am Nil steht auf der Weltliste gasfördernder Länder auf dem 14. Platz.
Aber es könne ja noch mehr werden, betont der Ölminister: "Die aktuelle Lage wird Investitionen im Offshore-Gasbereich vorantreiben, nicht nur in Ägypten, sondern auch in Israel und Zypern. Alle drei Länder haben noch Potentiale, und die europäischen und amerikanischen Förderfirmen haben verstanden, dass jetzt die richtige Zeit ist, um zu investieren. Das wird die Produktion steigern und das Gas kann durch die ägyptischen LNG-Terminals nach Europa gebracht werden."
Israel will Gas nach Europa liefern
Auch wenn zwischen Ägypten und Israel seit 1979 offiziell Frieden herrscht - eine so enge Kooperation beider Länder ist ungewöhnlich. Die Idee der Zusammenarbeit zwischen den einst verfeindeten Staaten: Israel verfügt nach Schätzungen über Gasreserven von mindestens einer Billion Kubikmetern und könnte damit Beobachtern zufolge alleine den Gasbedarf Europas für rund zwei Jahre decken. Denn der eigene Gasbedarf im Land ist gering. Das Land bemüht sich deshalb, Erdgas nach Europa zu exportieren, es hat aber keine Flüssiggas-Terminals.
Pipeline zwischen Israel und Ägypten
Und da kommt Ägypten ins Spiel: Es gibt bereits eine Pipeline zwischen Israel und Ägypten, und diese könnte möglicherweise sogar ausgebaut werden. Dann würde demnächst Gas von Israel nach Ägypten fließen, um dort in den ägyptischen LNG Terminals nach Europa verschifft zu werden. Eine Lieferung auf Umwegen sozusagen, die auch schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen dürfte, aber in Europa scheint man froh zu sein über alles, was an Gas kommt.
Bei ihrem Besuch in Israel sprach EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen auch die geplante Unterwasserpipeline EastMed an, die von Israel direkt via Zypern und Griechenland nach Italien käme - ein Mega-Projekt, mit geschätzten sechs Milliarden Euro Kosten.
Das sei keine schnelle Lösung, sagt die israelische Energieexpertin Gina Cohen: "Die EastMed Pipeline ist von allen Projekten das längste, könnte aber 2027 fertig sein. Wichtig ist nur, dass sich die EU schnell dazu entscheidet und sich verpflichtet, langfristig Gas zu importieren. Dazu müssen Verträge unterschrieben werden und nicht nur, was bislang geschieht, viel geredet und diskutiert wird. Und nicht nur hoffen, dass die erneuerbaren Energien die Lösung für alle Probleme sind."
Wie reagiert Russland?
In Ägypten wird es spannend, wie Russland auf die neuen Gas-Pläne reagiert, denn eigentlich gelten Kairo und Moskau schon länger als enge Verbündete, und Ägypten möchte Russland nicht verärgern.
Doch auf der andere Seite bergen die Pläne auch Chancen für die Region, so Energieexperte Mostafa Al Barzakan im Sender SkyNews: "Die Pläne sorgen in Russland für große Beunruhigung, denn diese Abkommen zeigen eine neue Gasstrategie der EU. Es ist bekannt, dass Energiequellen zu Kriegen führen, aber auch zu Frieden. Und natürlich wirkt sich der EU-Gasbedarf positiv auf die Länder im östlichen Mittelmeerraum aus. Der Bedarf an Gas kann hier zu Friedensschlüssen führen, um verlässlich Gas nach Europa zu liefern."
Weitere Gassuchprojekte
Ägypten hat derzeit weitere Gassuchprojekte in Auftrag gegeben - mit der Hoffnung, auch in der Wüste Richtung Libyen weiteres Gas zu finden. Einige Gasfelder sind dort bereits erschlossen. Die Regierung hofft, dass Ägypten bald ein regionales Zentrum zum Gasexport werden könnte. Im letzten Jahr exportierte Ägypten 8,9 Milliarden Kubikmeter Gas - das meiste davon nach Asien. Geht es nach von der Leyen, sollte sich wohl genau das in Zukunft ändern: Ziel des Gases - Europa bitte.