Ein Kleinkind mit Mukoviszidose inhaliert mit seiner Mutter.

Therapie-Erfolge Fortschritte bei der Behandlung von Mukoviszidose

Stand: 21.03.2024 09:21 Uhr

Vor 70 Jahren überlebten Babys mit Mukoviszidose nur wenige Monate. Heute werden Patienten mit der unheilbaren Erbkrankheit oft 60 Jahre alt. Immer mehr Betroffene können mit neuen Wirkstoffen behandelt werden.

Jedes Jahr kommen in Deutschland etwa 150 bis 200 Kinder mit der unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose zur Welt. Durch einen Gendefekt bildet sich bei Mukoviszidose zäher Schleim in der Lunge. Mit den Jahren wird die Lunge von Mukoviszidose-Betroffenen immer schwächer. Häufig endet irgendwann eine Lungenentzündung tödlich.

Diese Woche tagt die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie in Mannheim und spricht über aktuelle Behandlungsoptionen. Klar ist: Die Prognose wird für die Patienten und Patientinnen immer besser.

Bakterielle Infektion schneller und wirksamer behandeln

Wie kann die nächste Lungenentzündung verhindert oder zumindest schnell behandelt werden? Das ist wohl eine der wichtigsten Fragen bei der Behandlung von Mukoviszidose-Betroffenen. Der durch die Erbkrankheit gebildete Schleim in der Lunge ist ein idealer Nährboden für Bakterien. Vor allem das Bakterium Pseudomonas aeruginosa ist eine Gefahr. Das Bakterium ist gegen die meisten Antibiotika resistent und führt immer wieder zu gefährlichen Lungenentzündungen.

Lange mussten Fachleute zusehen, wie die Lungenfunktion dadurch Jahr für Jahr schwächer wurde. Heute ist das zum Glück anders: Wird die bakterielle Infektion sehr früh erkannt, können die Bakterien direkt mit einem hochdosierten Medikament bekämpft werden.

Die Patienten inhalieren dabei ein starkes Antibiotikum: "Die Patienten leben durch diese Therapie länger", sagt Carsten Schwarz, Ärztlicher Direktor des Mukoviszidose-Zentrums am Klinikum Westbrandenburg in Potsdam. Die bakterielle Infektion muss aber sehr schnell behandelt werden - deshalb schicken die Patienten und Patientinnen alle vier bis sechs Wochen eine selbst entnommene Probe zur Überwachung.

Schleim in der Lunge soll verhindert werden

Noch ist die Krankheit nicht heilbar, aber mit neuen Medikamenten soll der Schleim in den Organen, vor allem in der Lunge, reduziert werden. So führt die Erbkrankheit zu einer Störung des Salz-Wasser-Haushalts. Wichtige sogenannte CFTR-Kanäle für den Salz-Ausgleich funktionieren nicht richtig. Die Folge: Auf den Schleimhäuten an der Zelloberfläche befindet sich viel weniger Salz als im Zellinneren.

Der Körper versucht, dieses Ungleichgewicht auszugleichen, indem er den Schleimhäuten Wasser entzieht. Es bildet sich zäher Schleim - nur weil die Kanäle auf der Zelloberfläche nicht richtig funktionieren. Genau hier kann eine Kombination neuer Medikamente helfen.

Sogenannte CFTR-Modulatoren werden zweimal täglich als Tablette eingenommen und sollen die Kanäle zumindest teilweise reparieren. Ein erster Wirkstoff, Ivacaftor, wurde schon 2012 zugelassen. Allerdings profitierte davon nur eine kleine Gruppe von Patienten, mit einem seltenen Subtyp der Erbkrankheit. Die Medikamente müssen immer zum Gendefekt passen - es gibt mehrere Subtypen, also unterschiedliche Mutationen.

Therapie für Babys der nächste Durchbruch?

In den vergangenen zehn Jahren wurde die Therapie zusammen mit weiteren neuen Wirkstoffen kombiniert. Ein Großteil der Betroffenen profitiert jetzt davon. Immer jüngere Menschen werden damit behandelt. Das Medikament Kaftrio wurde im November 2023 für über Zweijährige zugelassen und wird als nächstes auch an Kleinkindern und Babys getestet. Eine Behandlung direkt nach der Geburt wäre ein großer Fortschritt, sagt Mediziner Schwarz: "Sie würden wahrscheinlich nicht nur viel länger leben, sondern eine gute Lebensqualität haben."

In Zukunft könnten sogar Ungeborene direkt im Mutterleib behandelt werden, sagt Schwarz, zumindest gebe es Einzelfallberichte, die Hoffnung machten. Es gebe Fälle, bei denen eine schwangere Mukoviszidose-Patientin behandelt wurde und das Kind trotz vererbtem Gendefekt gesund zur Welt kam. "Natürlich weiß man immer noch nicht, ob dann nach 30 Jahren nicht doch eine milde Form einer Mukoviszidose entsteht", gibt der Pneumologe zu bedenken. Aber die Patienten und Patientinnen seien auch dann deutlich einfacher zu behandeln.

Bessere Früherkennung durch Neugeborenen-Screening

In Zukunft könnte eine solche Therapie aber nur funktionieren, wenn schon vor der Geburt bekannt ist, dass das Kind an Mukoviszidose erkrankt ist. Früher hat es teils Monate gedauert, bis Ärzte die Krankheit bei Neugeborenen entdeckten - obwohl eine frühe Behandlung so wichtig ist. Das hat sich spätestens seit 2016 geändert. Seitdem werden Säuglinge im Rahmen des Neugeborenen-Screenings auf die Erbkrankheit untersucht - mit einem Bluttest. Die Behandlung kann dann bei einer folgenden Diagnose direkt beginnen. Hat sich dieses neue Screening bereits positiv ausgewirkt? "Die Daten dazu, die gibt es noch gar nicht so", sagt Schwarz. Aber er glaubt schon, dass es bereits einen positiven Einfluss hat. Das zeige der Alltag in der Klinik.

Klar ist: Vor allem in den vergangenen 20 Jahren hat sich die Therapie der Mukoviszidose deutlich verbessert. Deutschlandweit gibt es 50 spezialisierte Behandlungszentren. Hier stehen Inhalationstherapien, Physiotherapie mit Atemtraining, Ernährungsberatung und Sport auf dem Programm. Auch Verdauungsenzyme helfen, um die bei den Patienten geschwächte Bauchspeicheldrüse zu unterstützen. Denn nicht nur die Lunge ist betroffen. Vor 70 Jahren überlebten Säuglinge nur wenige Monate, heute liegt die Lebenserwartung in Deutschland im Durchschnitt bei über 60 Jahren.

Pascal Kiss, SWR, tagesschau, 21.03.2024 09:44 Uhr