Ein Arzt untersucht in einer Kinderklinik ein Kind. (Archivbild)

Viele Streptokokken-Infektionen Droht eine Scharlach-Welle?

Stand: 12.01.2023 11:49 Uhr

Das Robert Koch-Institut registriert seit einigen Wochen einen "ungewöhnlich steilen Anstieg" von Streptokokken-Infektionen. Die Bakterien können verschiedene Erkrankungen auslösen - darunter auch Scharlach.

Von Nina Kunze, SWR

In diesem Winter wurde bereits aus mehreren Ländern eine Häufung von Scharlach-Fällen gemeldet, unter anderem aus Großbritannien und den Niederlanden. Die Kinderkrankheit, die durch A-Streptokokken ausgelöst wird, kann teils schwere Verläufe haben: Im Vereinigten Königreich sind seit September mindestens 19 Minderjährige an den Folgen der bakteriellen Infektion gestorben, wie aus Zahlen der Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) hervorgeht.

Nun werden auch in Deutschland vermehrt Infektionen mit A-Streptokokken registriert: Das Robert Koch-Institut vermeldet in seinem epidemiologischen Bulletin einen "ungewöhnlich steilen Anstieg von invasiven und nicht-invasiven Gruppe-A-Streptokokken-Nachweisen aus Arztpraxen und Krankenhäusern" für das letzte Quartal 2022. Dennoch liegt die Zahl der Infektionen laut RKI noch unter dem vorpandemischen Niveau. Genaue Zahlen sind jedoch schwer zu erheben, denn die Infektionen sind nicht meldepflichtig.

Verschiedene Krankheitsbilder

A-Streptokokken sind Bakterien, die auf unserer Haut und unseren Schleimhäuten vorkommen. Häufig sind sie harmlos, sie können jedoch auch verschiedene Krankheitsbilder verursachen.

Gerade in Verbindung mit den ebenfalls häufiger auftretenden Erkältungsviren wie RSV und Influenza werde ein Anstieg solcher Krankheitsbilder beobachtet, sagt der Kinderarzt Reinhard Berner. Er ist Direktor der Kinderklinik am Uniklinikum Dresden und forscht seit Jahren zu Streptokokken. Am Verhältnis von harmlosen zu krankhaften Infektionen habe sich jedoch nichts geändert.

Vor allem Kinder betroffen

Ende des 19. Jahrhunderts waren A-Streptokokken auch in Zusammenhang mit dem Kindbettfieber bekannt, an dem viele Mütter nach der Geburt aufgrund mangelnder Hygiene verstarben. Auch Scharlach, ein Hautausschlag mit Fieber, war nach zu Nachkriegszeiten eine verbreitete Erkrankung, so Berner, die ohne Antibiotika oft tödlich endete.

Heute kennen vor allem Eltern A-Streptokokken, weil sie bei Kindergarten- und Schulkindern Halsentzündungen verursachen. Laut Berner ist bei etwa jedem zehnten Kind der Rachenraum mit A-Streptokokken besiedelt. Eine Halsentzündung sei jedoch deutlich seltener.

Auch im Erwachsenenalter könne eine Erkrankung noch auftreten: "Das klassische Alter ist das Schulalter, also zwischen sechs und 16 Jahren. Aber auch junge Erwachsene und alte Menschen können Streptokokken-Infektionen bekommen."

Halsschmerzen ohne Schnupfen und Husten

Je nach Krankheitsbild unterscheiden sich auch die Symptome. Bei der typischen Halsentzündung treten starke Halsschmerzen und Schluckbeschwerden auf, geschwollene Lymphknoten am Hals und gelegentlich Fieber. Im Rachen erkrankter Kinder stechen die Mandeln vergrößert und rot hervor und können mit gelblichen Eiterflecken belegt sein. Anders als bei einer Erkältung lösen A-Streptokokken jedoch weder Schnupfen noch Husten aus, so Berner.

Das Krankheitsbild Scharlach tritt nur selten auf und äußert sich durch Fieber und einen rötlichen Hautausschlag. Zu Beginn haben Betroffene meist Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Schluckbeschwerden oder Schüttelfrost. Typisch für eine Scharlach-Erkrankung ist auch die "Himbeerzunge": Zuerst ist die Zunge weiß belegt, nach einigen Tagen rötet sie sich himbeerfarben. Mögliche Komplikationen sind Entzündungen des Mittelohres, der Nebenhöhlen und der Lunge. In Ausnahmefällen kann eine A-Streptokokken-Infektion auch zu einer Blutvergiftung oder einem toxischen Schock-Syndrom führen. Dieses endet laut Berner nicht selten tödlich.

Arztbesuch empfohlen

Bei starken Symptomen sei ein Arztbesuch zu empfehlen. Eine Antibiotika-Gabe sei jedoch nicht unbedingt notwendig, da viele Infektionen von selbst wieder abklingen. Dafür gebe es Leitlinien von medizinischen Fachgesellschaften.

Eine pauschale Antibiotika-Gabe aus Sorge vor dem sogenannten rheumatischen Fieber sei nicht angebracht, betont Berner: "Man muss dann Antibiotika geben, wenn es sinnvoll ist. Aber nicht, weil man meinen sollte, man könnte damit rheumatisches Fieber verhindern." Dabei handelt es sich um eine äußerst seltene Folgeerkrankung nach einer Infektion mit A-Streptokokken, die sich durch Fieber, starke Gelenkschmerzen und Hautausschlag auszeichnet und eine Entzündung der Herzklappen verursachen kann.

Wie lange zu Hause bleiben?

Weniger klar sind dagegen die aktuellen Leitlinien, ab wann ein Kind ohne eine Behandlung mit Antibiotika wieder eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen darf. Je nach Gesundheitsamt werden bis zu 14 Tage empfohlen. Laut Berner ergibt das aus infektiologischer Sicht keinen Sinn: "In aller Regel sind Kinder oder auch Erwachsene nicht mehr ansteckend, wenn für eine gewisse Anzahl an Tagen die Symptome abgeklungen sind." Es werde darauf hingearbeitet, diese Zeit auf maximal zwei Tage zu vereinheitlichen, unabhängig von der Antibiotika-Gabe.