Rettungsarbeiten im April 2013 am der eingestürzten Rana Plaza Fabrik in Dhaka

Rana-Plaza-Einsturz 2013 Endloses Warten auf Gerechtigkeit

Stand: 11.03.2022 10:57 Uhr

Mehr als 1100 Menschen starben 2013 beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch. Nach jahrelanger Unterbrechung wird der Prozess am 16. März fortgesetzt. Warum müssen Angehörige so lange auf ein Urteil warten?

Die Augen von Kalpona Akter verengen sich, wenn sie über den verheerenden Unfall am 24. April 2013 und dessen Folgen spricht. Akter ist Präsidentin einer Vereinigung, die für die Rechte von Arbeitnehmern in Bangladesch kämpft. Sie ist sich sicher, dass die Katastrophe, die sich in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka ereignete, längst hätte aufgearbeitet sein können. "Alle Beweise sind da. Es ist klar, wer für das Unglück verantwortlich ist", sagt sie. "Ich habe manchmal den Eindruck, dass gar kein ernsthaftes Interesse daran besteht, den Prozess zu einem Ende zu bringen."

41 Menschen des Mordes angeklagt

Eine Sichtweise, die viele Menschen in Bangladesch teilen - vor allem die Angehörigen der Opfer. Für sie geht es um Gerechtigkeit, das Eingeständnis von Schuld und natürlich auch um weitere finanzielle Entschädigungen. In zahlreichen Fällen verloren Familien durch den Brand ihren Hauptverdiener. Es ist nicht bekannt, dass für eines der Opfer eine Sozial- oder Unfallversicherung existiert hätte.

2016, drei Jahre nach dem Unglück, wurden in einem Gerichtsprozess insgesamt 41 Menschen des Mordes angeklagt. Drei von ihnen sind inzwischen verstorben. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, bewusst mangelhafte Baustandards unterschrieben zu haben. Zudem sollen sie Mitarbeiter gezwungen haben, in dem achtstöckigen Gebäude zu arbeiten - obwohl sie wussten, dass es strukturell nicht intakt war.

Fortsetzung nach fünf Jahren Pause

"Es ist schlichtweg falsch, was den Angehörigen der Opfer hier angetan wird", so Akter. Viele von ihnen würden selbst noch immer in Textilfabriken arbeiten. "Sie erinnern sich an den Brand. Sie erinnern sich an ihre Freunde, Kollegen und Verwandten in diesem Gebäude. Doch sie müssen weiterhin in Fabriken gehen, weil sie keine Alternative haben", erläutert Akter.

Neun Jahre nach dem Unglück - und nach einer fünfjährigen Pause - soll der Prozess am 16. März endlich fortgesetzt werden. Offiziell begründen die Behörden die langjährige Unterbrechung unter anderem mit der Vielzahl an Verhören, die vorbereitet werden müssten. Insgesamt 594 Zeuginnen und Zeugen sollen in dem Fall befragt werden. Inzwischen macht allerdings auch der Oberstaatsanwalt Hemayet Hossain Druck. "Wir wollen den Prozess so schnell wie möglich abschließen. Es wurde bereits zu viel Zeit vergeudet", so Hossain gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Enormer Einfluss der Textillobby

Einige glauben, dass der wahre Grund für die lange Aussetzung des Prozesses ein anderer ist. Die Textilindustrie ist Bangladeschs wichtigster Wirtschaftszweig. 31 Milliarden Euro setzt sie jährlich um. Der Anteil am Exportsektor beträgt etwa 80 Prozent. In der Industrie befürchte man, dass ein Urteil mit zahlreichen zusätzlichen Sicherheitsstandards einhergehe. "Die Implementierung dieser Standards und die Zahlung von Schadenersatz würde die Fabrikbesitzer viel Geld kosten. Deshalb versucht die Textillobby, den Prozess so weit wie es geht in die Länge zu ziehen", vermutet Akter.

Auf öffentlichen Druck hin sind einige Textilfabriken in Bangladesch mittlerweile etwas sicherer geworden. Auch internationale Modeketten schauen nun genauer auf die Einhaltung von Mindeststandards. Noch immer aber, so Akter, würden viele verbindliche Vorschriften fehlen. "Ich hoffe wirklich, dass ein baldiges Urteil das ändert", sagt sie. Große Hoffnung darauf habe sie allerdings nicht mehr.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Kultur am 24. April 2017 um 18:30 Uhr.