Euro-Münzen aus Griechenland

Staatshaushalt und Reformen Griechenlands Schulden-Bilanz

Stand: 02.05.2022 08:22 Uhr

Vor zwölf Jahren brachten die Euro-Finanzminister das erste Kreditprogramm für Griechenland auf den Weg. Heute ist das Land kein Fall mehr für eine Staatspleite - aber steht es wirklich besser da?

Ende April 2010: Georgios Papandreou, damals griechischer Premierminister, bittet die Europäische Währungsunion offiziell um finanzielle Hilfe - vor der idyllischen Kulisse von Kastelorizo, einer Insel in der Südägais: "Unsere Partner werden gemeinsam handeln und Griechenland den nötigen Hafen zu bieten, um unser Boot wieder stabil und vertrauenswürdig herzurichten." Die Länder der Eurozone und der Internationale Währungsfonds schnüren daraufhin das erste von insgesamt drei Rettungsprogrammen. Griechenland muss diesen Schritt gehen, weil es an den Finanzmärkten kein Geld mehr bekommt. Oder nur zu sehr hohen Zinsen. Die Defizite im Staatshaushalt sind zu hoch, ebenso die Schulden im Vergleich zur Wirtschaftsleistung.

Pleitegefahr überstanden

Zwölf Jahre danach ist die Schuldenkrise vorerst Geschichte. Die akute Phase liege definitiv hinter dem Land, meint Manos Matsaganis, Professor für Finanzwissenschaft an der polytechnischen Universität in Mailand: "Aber beim Blick auf den Schuldenstand lässt sich kaum sagen, dass Griechenland sein Schuldenproblem gelöst hat." Die Schulden übersteigen die griechische Wirtschaftsleistung um mehr als Doppelte: 206 Prozent. Das ist der mit Abstand höchste Wert in der EU. Zum Vergleich: Knapp 130 Prozent waren es beim Start des Schuldendramas im Jahr 2010.

Aber auf Druck der Gläubiger reduzierte Griechenland sein Haushaltsdefizit deutlich - also die jährlichen Neu-Schulden. Ende März hat Griechenland den Rest seiner Kredite beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgezahlt. Die meisten Schulden liegen jetzt bei der Europäischen Zentralbank und dem Europäischen Stabilitätsfonds, dem in der Krise entstandenen Rettungsinstrument der Eurozone; erst bis 2070 müssen sie getilgt sein.

Ausgerechnet Syriza setzt Sparpolitik um

Griechenland ist also wieder in der Lage, seine Schulden zu bedienen. Andererseits: Die von den Gläubigern auferlegten Sparprogramme schadeten massiv; die staatlichen Investitionen schrumpften um mehr als 50 Prozent. "Die öffentlichen Ausgaben so drastisch zu reduzieren, ist eine Hypothek für die kommenden Generationen", meint Finanzwissenschaftler Matsaganis. Kein Wunder, dass viele junge Griechinnen und Griechen ihrem Land den Rücken gekehrt haben. Weil sie anderswo bessere Chancen haben.

Dabei war Alexis Tsipras, Chef der linken Syriza-Partei, angetreten, Griechenland vom Diktat der Gläubiger zu befreien. "Griechenland lässt die katastrophale Sparpolitik, lässt fünf Jahre der Erniedrigung und des Schmerzes hinter sich", hatte er bei seinem Wahlsieg im Januar 2015 versprochen. Doch nur ein halbes Jahr später unterschrieb der linke Ministerpräsident ein neues Rettungspaket mit Haushaltszielen, die Griechenland weiter zum Sparen verpflichteten.

Gleichzeitig blieben wesentliche Reformen auf der Strecke, kritisiert Matsaganis - im Gesundheitswesen, der Altersvorsorge oder der Öffentlichen Verwaltung. "Es gab keine Reformer in der Tsipras-Regierung", sagt der Finanzwissenschaftler. "Seine Ministerinnen und Minister glaubten einfach nicht daran."

Rückschlag durch Corona - aber auch Hoffnung

Bei den Parlamentswahlen vor drei Jahren wurde die konservative Nea Dimokratia stärkste Kraft. Der neue Premierminister Kyriakos Mitsotakis versprach, alles anders zu machen - und wichtige Reformen voranzubringen. "Wir haben in wenigen Tagen Maßnahmen ergriffen, für deren Umsetzung andere Monate und Jahre gebraucht haben", lobte sich Mitsotakis zu Beginn seiner Regierungszeit. Doch die Bilanz ist bisher eher gemischt. Und dazwischen lag auch der Kampf gegen Corona. Durch die Milliardenprogramme - unter anderem zur Rettung der wichtigen Tourismusindustrie - sind die Schulden weiter gewachsen.

Infolge der Pandemie gibt es auch eine Chance für Griechenland: Die Mitgliedsstaaten haben den Fonds "Next Generation EU" aufgelegt. Die Milliarden daraus sollen in eine klimaneutrale Wirtschaft fließen. Das könnte dem Land helfen, stärker zu wachsen. Und die Schuldenkrise wirklich hinter sich zu lassen. Das hofft auch Ökonom Matsaganis - mit einer gewissen Skepsis: "Möglich, dass wir die Mittel verpulvern, aber ich bin optimistisch, dass es wir es besser machen als in der Vergangenheit."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 05. April 2022 um 08:00 Uhr.