Brennende Gasfackel vor Ölpumpen

Internationale Energieagentur Abschied von fossiler Energie gefordert

Stand: 18.05.2021 13:18 Uhr

Die Internationale Energieagentur fordert das sofortige Ende des Ölzeitalters, um das Klima zu schützen. Die globale Energieproduktion müsse sich fundamental wandeln. Ein Bericht mit Signalwirkung.

Die Internationale Energieagentur IEA fordert eine beispiellose Transformation im globalen Energiesektor und plädiert dafür, dass das Ende der fossilen Energiegewinnung sofort eingeleitet wird. In ihrem neuen Bericht "Net Zero by 2050" präsentiert die Agentur eine "Roadmap" für das globale Energiesystem. Ziel ist es sicherzustellen, das zum Zwecke des Klimaschutzes das Netto-Nullemissionsziel bis zum Jahr 2050 erreicht wird.

Der Pfad sei schmal, aber erreichbar, meint der Chef der IEA, Fatih Birol. "Wenn wir das Emissionsziel bis 2050 erreichen wollen, müssen wir die Investitionen in neue Öl-, Gas- oder Kohleprojekte stoppen", unterstreicht Birol.

"Extrem überraschend"

Die IEA wurde 1974 als eine Einheit der OECD in Reaktion auf die damalige Ölkrise gegründet. Die Sicherung des Öl-Nachschubs bleibt zwar eigenen Angaben zufolge ein wichtiges Thema für die IEA. Aber im Laufe der Zeit hat sie ihre Perspektive deutlich erweitert.

Energieversorgung in allen Aspekten sei nun das Anliegen der IEA; auch Erneuerbare Energien, Energiemärkte, moderne Technologien, saubere Energiegewinnung, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sind Bereiche, die unter Beobachtung stehen. Bekannt ist die Agentur insbesondere für ihren jährlichen und viel beachteten Energiereport.

Experten zeigen sich durchaus überrascht über die Vehemenz, mit der die IEA jetzt die Energiewende fordert: Die "Financial Times" zitiert Dave Jones, Analyst beim Klima-Think-Tank Ember. Seiner Einschätzung nach ist die Forderung der IEA nach einem Stopp der Investitionen in neue Öl- und Gasfelder extrem überraschend, wenn man sich die Geschichte der IEA vergegenwärtige: "Ich glaube nicht, irgend jemand hätte das von der IEA erwartet. Es ist eine große Wende", so Jones. Die Agentur habe fossile Energie bislang sehr positiv gesehen. "Jetzt mit so einer Forderung zu kommen, ist schlicht erstaunlich. Das ist wie ein Messer in der Industrie der fossilen Brennstoffe."

"Größte Herausforderung der Menschheitsgeschichte"

Die aktuelle Studie sei die erste, die auf mehr als 220 Seiten zeige, wie man den globalen Energiesektor bis 2050 auf das Nullemissionsziel transformieren und dabei gleichzeitig eine stabile und bezahlbare Versorgung bei robustem Wirtschaftswachstum sicherstellen könne, wirbt die IEA.

Es handele sich bei dieser Transformation, mit der erreicht werden solle, dass die globale Erwärmung auf plus 1,5 Grad Celsius begrenzt werde, um die vielleicht größte Herausforderung, der sich die Menschheit jemals gestellt habe, so IEA-Direktor Birol.

Die Art und Weise, wie Energie weltweit produziert, transportiert und genutzt werde, müsse sich fundamental ändern, stellen die Autoren fest. Es dürfe etwa ab sofort keine Investitionen in neue Projekte zur Versorgung mit fossilen Brennstoffen mehr geben. Es dürften keine weiteren endgültigen Investitionsentscheidungen für neue Kohlekraftwerke getroffen werden. Der Bericht sieht vor, dass die am wenigsten effizienten Kohlekraftwerke bis 2030 abgeschaltet, und die verbleibenden Kohlekraftwerke, die bis 2040 noch in Betrieb sind, nachgerüstet werden.

Ölnachfrage hat Höhepunkt hinter sich

Es brauche außerdem eine Politik, die den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor bis 2035 beende, schreiben die Fachleute. Bis zum Jahr 2050 sollen beinahe alle verkauften Lkw mit Brennstoffzelle oder elektrisch angetrieben werden. Schiffs- und Flugverkehr blieben indes eine Herausforderung.

Die Ölnachfrage wird nach Einschätzung der Autoren nie wieder den Höhepunkt des Jahres 2019 erreichen und bis zum Jahr 2050 um 75 Prozent fallen. Die Verwendung von Erdgas werde im Jahr 2050 verglichen mit 2020 um 55 Prozent gesunken sein. Sollte sich dieses Szenario bewahrheiten, müssten sich die großen Ölkonzerne auf gravierende Veränderungen ihres Geschäftsmodells einstellen.

Der Nachschub werde künftig aus Ländern geliefert, die zu relativ geringen Kosten produzieren können, so die IEA. Im Ergebnis führe das dazu, dass der Anteil an der Versorgung durch die OPEC von derzeit 37 Prozent auf 52 Prozent im Jahr 2050 steigen werde. Der Ölpreis werde von etwa 35 Dollar pro Barrel im Jahr 2030 diesem Szenario zufolge auf 25 Dollar im Jahr 2050 fallen. Für vom Ölpreis abhängige Volkswirtschaften wird auch das eine Transformation erfordern. Kostspielige Fördermethoden wie etwa das Fracking werden sich dann kaum noch lohnen.

Den Rest aus Kernenergie?

Die Politik müsse auf einen massiven Einsatz aller verfügbaren sauberen und effizienten Energietechnologien setzen und gleichzeitig Innovation global beschleunigen, fordert die IEA. Die Regierungen müssten ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung sauberer Energietechnologien schnell erhöhen und diese in den Mittelpunkt der Energie- und Klimapolitik stellen.

Im Jahr 2050 müsse der Energiesektor weitgehend auf erneuerbaren Energien statt fossilen Brennstoffen beruhen. Der Energiebedarf werde trotz einer um zwei Milliarden Menschen größeren Weltbevölkerung und einer mehr als doppelt so großen Wirtschaftsleistung um acht Prozent geringer sein als heute, erwarten die IEA-Experten.

Zwei Drittel der gesamten Energieversorgung im Jahr 2050 würden aus Wind, Sonne, Bioenergie, Geothermie und Wasserkraft stammen, schreiben die Expertinnen und Experten. Im Jahr 2050 stammen fast 90 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen, so die Prognose. Der Rest komme größtenteils aus der Kernenergie.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. Mai 2021 um 15:00 Uhr.