Ein Coworking Space in Berlin

Coworking Space in Brandenburg Moderne Arbeitswelt trifft Landleben

Stand: 18.04.2021 10:09 Uhr

Je länger die Pandemie andauert, desto genervter sind viele vom Homeoffice - vor allem in den großen Städten. Immer mehr Menschen fliehen in Coworking Spaces auf dem Land.

Alleen säumen den Weg nach Großwudicke im Havelland, von Berlin sind es etwa anderthalb Stunden Fahrtzeit Richtung Westen mit dem Auto. Die Entschleunigung setzt ein, Freude am weiten Blick: Es ist eine Wohltat nach der Enge der Stadt, nach all den Stunden im Corona-Homeoffice. Großwudicke ist auf den ersten Blick ein normales Dorf mit alten Klinkergebäuden und einigen neu errichteten Einfamilienhäusern, hinter der grünen Schallschutzwand fährt der ICE entlang. Mittendrin aber in einem grünen Gebäude, noch gegen Ende der DDR-Zeit errichtet, ist nun die moderne Arbeitswelt eingezogen. Ein Coworking Space mit dem passenden Namen "Waldstatt." Modernste Technik, vermietete Büros und zu vermietende Arbeitsplätze, Meetingraum mit überdimensionalem Bildschirm - es ist alles da, was ein "Digital Worker" so braucht.

Vor allem Menschen aus der Umgebung

Der Blick aus dem Fenster fällt auf einen landwirtschaftlichen Betrieb, der Weg dorthin ist sandig, es hat etwas Gemütliches. Florian Kunz hat die "Waldstatt" erst im Oktober gegründet, also mitten in der Pandemie - und schon ist fast alles ausgebucht. Dabei geht es ihm und seinem Team gar nicht so sehr um die pandemiegestressten Berlinerinnen und Berliner, die hier in der ländlichen Umgebung arbeiten wollen; für sie reichen die Übernachtungsmöglichkeiten derzeit gar noch nicht, auch wenn sich das sicherlich ändern wird. In der "Waldstatt" sitzen derzeit Kolleginnen und Kollegen aus der Umgebung, zum Beispiel aus dem nahe gelegenen Rathenow, die jetzt lieber in Großwudicke arbeiten als in Berlin.

Der Stadt entfliehen - Coworking Space auf dem Land

Griet von Petersdorff, RBB, MoMa 07:53 Uhr

Die Coworker beleben das Dorf neu

Punkt zwölf Uhr, Mittagszeit, die Glocken der nahegelegenen Kirche läuten. Die Coworkerinnen und Coworker ziehen gemeinsam zum Dorffleischer, zu Fuß sind es nur zwei Minuten. Mal bellt ein Hund, mal begleitet das Krähen eines Hahns die "Waldstatttruppe". Die Dorffleischerei der Familie Mäser ist der "Meeting Point" im Dorf, vor allem zur "Lunch Time". Es gibt Brühpolnische und Wudicker Lümmel, und schnell steht fest: Für Veganer ist das nichts.

Was sagt die Metzger-Familie Mäser zum Coworking Space in der Nachbarschaft? Mit dem Begriff "Coworking" könnten sie wenig anfangen. Aber dass die "Waldstatt" die Gemeinde belebt, das sehen die Mäsers, und das finden sie auch gut. Ein Hauch von Großstadt-Flair hat in Großwudicke Einzug gehalten.

Voraussetzung: schnelles Internet

Die Stadt kommt ins Dorf - das meint auch Friseur Stefan Thiem. Immer mehr Menschen wollen hierherziehen, es gibt viele Kinder, eine gute Schule und einen Bahnhof. Großwudicker, die ihrer alten Heimat einst wegen fehlender Perspektive den Rücken gekehrt haben, kommen vermehrt zurück und geben ihrem Dorf noch einmal eine Chance.

Bürgermeister Felix Menzel fördert die Weiterentwicklung des Dorfes nach Kräften. Bei einem Spaziergang durch den Ort weist er stolz auf ein unscheinbares kleines Gebäude: da ist der Verteilerkasten der Telekom drin. Mit anderen Worten: Großwudicke hat schnelles Internet - ein wichtiges Erfolgsrezept. Deshalb klappt es in der "Waldstatt" so gut. Funktioniert das Internet, ist modernes Arbeiten möglich. Und dann wird das Leben auf dem Land zu einer immer beliebteren Lebensform.

Ein Trend breitet sich aus

Coworking Spaces auf dem Lande entstehen gerade überall im Land Brandenburg. Da ist das inzwischen schon fast berühmte "Coconat" in der Nähe von Bad Belzig, schick und mit hohem Wellnesscharakter; hier ziehen sich auch mal Künstler und Schriftsteller für ein paar Wochen in die schönen Räumlichkeiten des Gutsgeländes zurück. Oder die Alte Schule Letschin im Osten Brandenburgs: Hier haben Coworker die Möglichkeit sich einzumieten, zu arbeiten und die Schönheiten des Oderbruchs zu genießen - für rund zwölf Euro am Tag.

Coworking Spaces auf dem Land werden politisch unterstützt. Die Chance besteht darin, dass einst abgehängte Regionen neuen Schwung bekommen und plötzlich im Trend liegen. Hier strahlt Berlin in alle Richtungen der Region aus.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-Morgenmagazin am 15. April 2021 um 07:53 Uhr.