
Wirecard-Skandal BaFin-Chef räumt Versäumnisse ein
Mit einer umstrittenen Maßnahme hatte die BaFin vor dem Wirecard-Kollaps den Eindruck erweckt, sie wolle das Unternehmen schützen. Viele Anleger führte das in die Irre. Im Untersuchungsausschuss räumte BaFin-Chef Hufeld nun Fehler ein.
Der scheidende Chef der Finanzaufsicht BaFin, Felix Hufeld, hat Versäumnisse im Betrugsskandal um die Wirecard AG eingeräumt. Nach dem von der BaFin ausgesprochenen Verbot von Spekulationen auf fallende Aktienkurse habe seine Behörde nicht deutlich genug gemacht, dass dieser Schritt keine Parteinahme für Wirecard bedeute, sagte Hufeld im Untersuchungsausschuss des Bundestags. Das sei zweifellos ein Versäumnis gewesen.
Das Verbot selbst sei für ihn vor dem Hintergrund der damals vorliegenden Informationen dagegen "beinahe zwingend" gewesen, so Hufeld. "Nichts zu tun, das erschien mir vollkommen indiskutabel."
"Das ist uns nicht gut gelungen"
Die BaFin hatte im Februar 2019, also mehr als ein Jahr vor dem Wirecard-Kollaps, ein sogenanntes Leerverkaufsverbot ausgesprochen. Damit wollte sie gegen Leerverkäufer vorgehen, die auf fallende Kurse wetten und deshalb oft negative Informationen über ein Unternehmen veröffentlichen. Das Verbot vermittelte aber bei vielen Anlegern den Eindruck, Berichte über Unregelmäßigkeiten bei Wirecard seien falsch und das Unternehmen lediglich Opfer einer Attacke.
Hufeld sagte, die BaFin habe damals eigentlich klar kommunizieren wollen, dass nicht ein einzelnes Unternehmen, sondern das Marktvertrauen im Allgemeinen geschützt werden solle. "Das ist uns nicht gut gelungen", so Hufeld. Dies hätte man rückblickend direkt in die Verfügung über das Leerverkaufsverbot schreiben sollen.
BaFin-Führung wollte Gefahrenabwehr betreiben
Auslöser für das Verbot waren Angaben der Münchener Staatsanwaltschaft zu einer bevorstehenden Leerverkaufsattacke und einer angeblichen Erpressung des Unternehmens Wirecard gewesen. Er selbst und BaFin-Vize Elisabeth Roegele hätten den Eindruck gehabt, sie könnten "tatsächlich Gefahrenabwehr im echten Sinne" betreiben, sagte Hufeld.
Die Geschichte über einen Erpressungsversuch habe zwar ungeheuerlich geklungen, sei ja aber von einer der größten Staatsanwaltschaften gekommen. Daher habe man sie ernst genommen.
BaFin-Vize Roegele sieht keinen schweren Fehler
Zuvor hatte bereits Roegele im Untersuchungsausschuss ausgesagt. Dabei machte sie klar, dass sie das umstrittene Leerverkaufsverbot nicht als schweren Fehler sehe. Sie übernehme jedoch die Verantwortung für diese Maßnahme.
"Wir sind nicht die Handlanger der Staatsanwaltschaft gewesen", sagte Roegele, die Ende April aus der BaFin ausscheidet. Die Finanzaufsicht habe eine ernstzunehmende Information der Staatsanwaltschaft bekommen, dass es einen Insiderhandel gebe. Das Bundesfinanzministerium sei vorab von der Absicht der BaFin unterrichtet worden. Das Ministerium habe keinen Grund gesehen einzuschreiten.
Wirecard hatte im vergangenen Sommer ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro eingestanden. Der mutmaßliche Betrug war offenbar über Jahre weder Wirtschaftsprüfern noch der Finanzaufsicht aufgefallen. Der BaFin wird deshalb vorgeworfen, sie habe im Fall Wirecard versagt.
Russischer Tweet sorgt für Aufsehen
In der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschuss sorgte neben den Aussagen von Hufeld und Roegele ein Tweet des russischen Außenministeriums für Aufsehen. Dabei ging es um eine der Schlüsselfiguren des Bilanzbetrugsskandals, den untergetauchten ehemaligen Wirecard-Vertriebsvorstand Jan Marsalek.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, schrieb auf Twitter, die Untersuchung der Wirecard-Insolvenz in Deutschland gehe weiter: "Die Spekulationen über die angeblich engen Beziehungen des Geschäftsführers J. Marsalek zu den Sonderdiensten von Russland sorgen für Verwirrung. Wir warnen Deutschland davor, diese Geschichte zu politisieren."
"Tweet platzt wie eine Bombe in die Beratungen"
Der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Jens Zimmermann, las den Tweet im Ausschuss vor. Worauf genau sich das russische Außenministerium bezog, ist unklar. Am Morgen war ein Vertreter des Kanzleramtes in einer nicht-öffentlichen Sitzung dazu befragt worden, ob das Kanzleramt wisse, wo Marsalek sei. Zimmermann sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Die heutige Stellungnahme des russischen Außenministeriums platzt wie eine Bombe in die Beratungen des Wirecard-Untersuchungsausschusses."
Verbindungen von Jan Marsalek nach Russland stünden schon lange im Raum, ebenso wie Spekulationen über seinen Aufenthaltsort, sagte der SPD-Obmann. "Warum sich die russische Regierung jetzt zu diesem Schritt genötigt sieht, wirft neue Fragen auf. Statt einer klaren Absage an mögliche Verbindungen soll der Bundestag offenbar bei seiner Aufklärung eingeschüchtert werden."