
Verstaatlichung So will der Bund Uniper retten
Der Bund übernimmt den angeschlagenen Gasimporteur Uniper. Wie sieht der Deal aus? Welche Folgen hat er? Und was passiert nun mit der Gasumlage? tagesschau.de klärt die wichtigsten Fragen.
Was wurde beschlossen?
Die Bundesregierung, der finanziell schwer angeschlagene Gasimporteur Uniper und der bisherige Mehrheitseigentümer Fortum haben sich auf eine weitgehende Verstaatlichung von Uniper verständigt. Heute unterzeichneten die Beteiligten ein entsprechendes Stabilisierungspaket. Im Zuge des Deals ist unter anderem eine Kapitalerhöhung in Höhe von acht Milliarden Euro vorgesehen, die ausschließlich durch den Bund gezeichnet werden soll.
Zudem kauft der Staat dem Großaktionär Fortum seine Aktienbeteiligung zum Nominalwert von 1,70 Euro je Aktie ab, was einem Kaufpreis 480 Millionen Euro entspricht. "Im Ergebnis übernimmt die Bundesregierung insgesamt 99 Prozent an Uniper", teilte das Wirtschaftsministerium mit.
Fortum hielt bislang knapp 78 Prozent an Uniper. Fortum selbst gehört zu rund 51 Prozent dem finnischen Staat. Die anstehende Trennung von Uniper sei ein schmerzhafter, aber unumgänglicher Schritt, sagte Fortum-Chef Markus Rauramo. Der finnische Konzern verliert einen Großteil seines Investments, das laut Habeck acht Milliarden Euro betrug.
Was umfasst der Deal noch?
Zusätzlich zur Verstaatlichung erhält Uniper Finanzmittel entsprechend ihrem Liquiditätsbedarf. Dazu zählt auch die Ablösung einer infolge der Energiepreiskrise gewährten Kreditlinie von Fortum, die aus einem Gesellschafterdarlehen in Höhe von vier Milliarden Euro sowie einer sogenannten Garantielinie in Höhe von ebenfalls vier Milliarden Euro besteht.
Darüber hinaus sichert der Bund die Finanzierung des Unternehmens bis zur Umsetzung der Kapitalerhöhung. Die Gelder für die Rettung kommen von der staatlichen Förderbank KfW.
Mit dem heutigen Beschluss wurde das im Juli verkündete Rettungspaket für Uniper noch einmal massiv ausgeweitet. Die Auflagen der vorherigen Vereinbarung gelten dabei weiterhin - wie das Dividendenverbot und Vergütungsbeschränkungen für das Uniper-Management.
Warum ist eine Verstaatlichung jetzt notwendig?
Die Bundesregierung stellte noch einmal die Dringlichkeit der geplanten Verstaatlichung heraus. Die Kapitalerfordernisse von Uniper hätten sich durch die komplette Einstellung der vertraglich vereinbarten Gaslieferungen aus Russland und die stark gestiegenen Gaspreise signifikant erhöht, hieß es vom Wirtschaftsministerium. "Die dadurch weiter gestiegenen Ersatzbeschaffungskosten haben die Notlage des größten deutschen Importeurs von russischem Gas verschärft."
Der Großhändler, der mehr als 100 Stadtwerke und große Unternehmen mit Gas beliefert, ist laut dem Wirtschaftsministerium "eine zentrale Säule der deutschen Energieversorgung" und etwa für die Hälfte des Gasverbrauchs in Deutschland verantwortlich. Uniper war nach dem russischen Angriff auf die Ukraine in Schieflage geraten.
Wegen der ausbleibenden Lieferungen muss sich der Konzern das Gas teuer auf dem Spotmarkt besorgen, um seine Verträge einhalten zu können. Zuletzt berichtete Uniper von täglichen Verlusten in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro. Nach Angaben des finnischen Mutterkonzerns beläuft sich der gesamte Verlust mittlerweile auf rund 8,5 Milliarden Euro. Das vorherige Rettungspaket reicht nun nicht mehr aus.
Was ist das Ziel?
Nach der Umsetzung der Maßnahme will der Bund Einfluss auf das Geschäft von Uniper ausüben. Man werde sich "die einzelnen Geschäftsfelder im Einzelnen sehr genau anschauen", sagte Habeck auf der heutigen Pressekonferenz. Durch die mehrheitliche Übernahme bekommt der Staat wesentliche Mitsprache- und Kontrollrechte bei dem Unternehmen.
Zudem schafft der Deal "eine klare Eigentümerstruktur, um so Uniper und damit die Energieversorgung für Unternehmen, Stadtwerke und Verbraucherinnen und Verbraucher zu sichern", hieß es in der Mitteilung. Durch die Verstaatlichung könne der Bund die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten.
Wie geht es nun weiter?
Noch stehen die Stabilisierungsmaßnahmen unter Vorbehalt. Zum einen ist für das Unterstützungspaket die beihilferechtliche Genehmigung durch die Europäische Kommission nötig. Zum anderen kann der Erwerb der Aktien durch den Bund erst nach der Erfüllung regulatorischer Anforderungen sowie der Genehmigung durch die Uniper-Aktionäre erfolgen. Eine außerordentliche Hauptversammlung soll das Ganze im vierten Quartal 2022 beschließen.
Noch-Mehrheitseigentümer Fortum geht davon aus, dass die Transaktion voraussichtlich bis zum Ende des Jahres abgeschlossen ist. Laut Habeck dauert die Umsetzung der Verstaatlichung mindestens drei Monate.
Unabhängig von Uniper will die Bundesregierung auch andere großen Gasimporteuren bei Bedarf unterstützen - wie etwa den ebenfalls schwer angeschlagenen Gaskonzern VNG. "Der Staat wird, das zeigen wir ja, alles Nötige tun, um die Unternehmen immer stabil am Markt zu halten", sagte Habeck. "Das gilt für Uniper. Das gilt für die anderen großen systemrelevanten Unternehmen in Deutschland."
Was passiert mit der Gasumlage?
Zu dieser Stabilisierung soll auch die geplante Gasumlage beitragen, die wie geplant ab dem 1. Oktober erhoben werden soll - zumindest bis Uniper offiziell ein staatliches Unternehmen ist. Sie sei als Brücke notwendig, um die Finanzsolidität des Energiekonzerns sicherzustellen, sagte Habeck. Mit der Gasumlage sollen Importeure gestützt werden, die wegen der hohen Einkaufspreise in Schwierigkeiten geraten. Durch die Abschlagszahlungen der Gaskunden können die Firmen ihre höheren Kosten weitergeben.
Zuletzt hatte sich der Wirtschaftsminister bemüht, den Kreis berechtigter Firmen so einzuschränken, dass nur Unternehmen in Not profitieren. Nun habe die Bundesregierung einen "rechtssicheren Weg" gefunden, um "sogenannte Trittbrettfahrer vom Trittbrett zu schubsen", sagte er. Allerdings ergebe sich mit der nun offiziell angekündigten Verstaatlichung von Uniper eine Situation, die geprüft werden müsse.
Worum geht es bei der Prüfung?
Hintergrund ist die rechtlich unklare Frage, ob auch Staatsunternehmen die Ausgleichsgelder kassieren dürfen. Mit der Übernahme von Uniper würde ein solches Unternehmen davon profitieren. Ob die Umlage zu dem Zeitpunkt, wenn Uniper ein Staatsunternehmen sei, noch verfassungskonform erhoben werden könne, sei eine berechtigte Frage, so Habeck. Finanzverfassungsrechtliche Prüfungen dazu liefen bereits auf Hochtouren.
Dem widerspricht jedoch Finanzminister Christian Lindner. "Es gibt keine weitere Prüfung, sie ist abgeschlossen", betonte der FDP-Chef heute. Auf Habecks Aussagen angesprochen sagte Lindner, er habe die Äußerungen "nicht gehört". Die Entscheidung, dass es keine Rechtsbedenken bei der Umlage gebe, habe auch für den Fall einer Verstaatlichung von Uniper gegolten.
Was sagen Ökonomen zum Festhalten an der Gasumlage?
Top-Ökonom Jens Südekum sieht die Maßnahme skeptisch. "Nach der Verstaatlichung von Uniper ist die Grundlage für die Gasumlage eigentlich entfallen", sagte das Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums der Nachrichtenagentur Reuters. "Zwar fallen die hohen Ersatzbeschaffungskosten für Gas weiterhin an, aber die können nun auch direkt aus dem Bundeshaushalt bestritten werden." So ließe sich auch mit den Kosten für die anderen Gasimporteure wie VNG verfahren.
Andere Volkswirte sehen das ähnlich. Auch Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrats, hält die Gasumlage nach der Verstaatlichung für kein zielführendes Instrument mehr. "Die Gasumlage gibt die Bezugskosten an den Versorger weiter, auch wenn dieser gar nicht mehr in Problemen steckt. Das finde ich nicht legitim", sagte sie im phoenix-Tagesgespräch. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält sie ebenfalls für nicht mehr nötig: "Sie sollte abgeschafft werden, da sonst praktisch doppelt bezahlt werden würde."