
Filmwirtschaft "Es wird so viel gedreht wie nie"
Die Filmwirtschaft erholt sich von der Corona-Zwangspause. Wegen des großen Nachholbedarfs laufen die Produktion derzeit auf Hochtouren. Doch die Pandemie hat Folgen, die die Branche verändern werden.
Kulissen auf Rollwagen, Laster, die entladen werden, verschlossene Tore, hinter denen geheime Bühnenbilder aufgebaut werden - im Studio Babelsberg brummt es. Christoph Fisser ist Vorstand hier und bester Laune. Im Polohemd spaziert er über das weitläufige Gelände. "Drei internationale Großproduktionen starten in diesen Wochen bei uns, die sind alle Star-besetzt", sagt er. Man hört den Stolz in seiner Stimme. "Nicht nur bei uns, es wird überall gedreht wie noch nie, weil alle Filme nachgeholt werden, die letztes Jahr nicht gedreht wurden. Die waren ja schon alle finanziert."
Maskenbildner sind kaum noch zu kriegen
Die Branche boomt. So sehr, dass es schwierig sei, Crews zusammenzustellen. Maskenbildner und Tontechnikerinnen sind kaum noch zu kriegen, weil sie alle schon für Produktionen engagiert sind.
Das Studio Babelsberg ist ein Schwergewicht in der Branche. Vor mehr als hundert Jahren gegründet, wurden hier Filme gedreht wie "Der blaue Engel" oder später "The Bourne Ultimatum" und "Grand Budapest Hotel". Es gilt als das älteste Filmstudio seiner Art weltweit.
Während Corona habe man nur 16 Wochen schließen müssen, zwei Großproduktionen hätten danach die Dreharbeiten in Potsdam fortgeführt. Zwar sei das mit einem großen logistischen und finanziellen Aufwand verbunden gewesen - 60.000 Tests habe man dafür durchgeführt, auch jetzt werde weiter akribisch getestet -, aber es sei eben weitergegangen.
Die Branche stand still
Der Branche als Ganzes ging das anders. Es herrschte Stillstand. Es sei kaum gedreht worden. Zu groß war die Unsicherheit, zu strikt waren die Auflagen. Jetzt gebe es weitreichende Lockerungen, das allgemeine Aufatmen und einen großen Nachholbedarf, sagt auch Sebastian Lambeck von der Produzentenallianz Film und Fernsehen. Aber perspektivisch werde man eine Verschiebung der Produktionstätigkeit beobachten können.
"Die Finanzierung von Kinofilmen ist durch die Pandemie noch schwieriger geworden", sagt Lambeck. Ob man einen Film, wenn er fertig ist, in die Kinos bekommt, wie gut er läuft: Das alles ist durch die Pandemie noch unkalkulierbarer geworden. Und, ganz klar: Der Trend, der sich ohnehin abzeichnete, hat sich durch Corona enorm beschleunigt: "Die Streaming-Anbieter sind die Gewinner dieser Krise."
Das merkt auch Babelsberg-Vorstand Fisser. Die Nachfrage habe sich mehr als verdreifacht, das liege an dem großen Hunger der Streamingdienste nach Inhalten. Für Fissers Unternehmen ist das eigentlich egal. Wenn bei ihm gedreht wird, bringt das immer Geld. Aber es schmerzt ihn ein wenig. "Wir lieben Kino, das muss man echt sagen. Ich persönlich produziere viel lieber Kinofilme als seriell, aber da hat sich der Markt gravierend verändert."
"Filme in Hülle und Fülle"
Trotz aller Veränderungen: Das gute, alte Kino gibt es noch. In diesen Wochen öffnen die Lichtspielhäuser in Deutschland wieder, regional zeitlich versetzt. "Gute Filme gibt es in Hülle und Fülle", sagt Christian Bräuer, Vorsitzender der AG Kino - Gilde e.V.
"In den kommenden vier Monaten werden etwa so viele Filme ins Kino kommen wie sonst über ein gesamtes Jahr verteilt", berichtet er. Auch die Constantin Film AG, die sowohl Filmverleih als auch Produktionsgesellschaft ist, bestätigt das. Wie alle Verleiher hätten sie außergewöhnlich viele Filme auf Halde. Das bedeutet jetzt für die Kinobesucher: Es gibt eine riesige Auswahl an Filmen. Auch deshalb blicken die Kinobetreiber mit viel Zuversicht auf die Öffnungen. Die Hoffnung: Nach der Krise kommt der Boom - nicht nur beim Filme-Produzieren, sondern auch beim Filme-Schauen.