
BioNTech und Moderna Omikron-Booster kommen später - oder nie
Die Auslieferung der Omikron-spezifischen Impfstoffe von BioNTech und Moderna wird sich zumindest verzögern. Unklar ist, ob die Omikron-Booster überhaupt eine Zukunft haben.
Der an die Omikronvariante angepasste Corona-Impfstoff von BioNTech dürfte einige Wochen später kommen als ursprünglich geplant. Entgegen seiner früheren Ankündigung, das Vakzin könnte schon Ende März verfügbar sein, erklärte BioNTech-Chef Ugur Sahin nun: Der Auslieferungstermin werde April oder Mai sein. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) müsse nämlich länger als geplant auf die für die Zulassung benötigten Daten warten, sagte der Firmengründer bei "Bild Live"
Noch deutlich später könnte der angepasste Impfstoff von Moderna auf den Markt kommen. Der US-Impfstoffhersteller Moderna geht derzeit von einem Omikron-spezifischen Booster im August aus.
Omikron-Welle ebbt ab
Die Ankündigungen der Hersteller kommen zu einem Zeitpunkt, da der Höhepunkt der aktuellen Omikron-Welle in Deutschland bereits überschritten zu sein scheint. Darauf deuten jedenfalls die rückläufigen Zahlen zu den Neuinfektionen und zu den Corona-Patienten auf den Intensivstationen hin, wie die Commerzbank-Ökonomen Christoph Weil, Marco Wagner und Bernd Weidensteiner in ihrem aktuellen "Corona-Update" erläutern.
Dabei ist Deutschland global betrachtet - nicht zuletzt aufgrund der wegen der Deltavariante ergriffenen Schutzmaßnahmen - eines der Länder, die von der Omikron-Welle erst relativ spät erfasst wurden. Andere Länder sind dagegen mit Omikron quasi schon "durch". So befindet sich in den USA die 7-Tage-Inzidenz bereits wieder auf dem Wert von Mitte Dezember, also aus der Zeit vor dem Ansteigen im Zuge der Omikron-Welle. Die Zahl der Corona-Patienten in den Hospitälern habe sich seit dem Hochpunkt im Januar beinahe halbiert, unterstreichen die Commerzbank-Experten.
Braucht es einen Omikron-Booster?
Umso mehr stellt sich die Sinnfrage nach einem Omikron-spezifischen Impfstoff: Braucht es einen solchen Booster überhaupt noch? Tatsächlich haben da sogar die Hersteller selbst Zweifel. Das müsse noch untersucht werden, hält sich BioNTech-Chef Sahin bedeckt und verweist auf ein mögliche neue Welle im Herbst/Winter: "Wir müssen uns die Impf-Epidemiologie angucken. Wenn die Welle stoppt, bedeutet das nicht, dass sie nicht wieder beginnen kann."
Moderna-Chef Stephane Bancel ist zwar überzeugt, dass eine Auffrischungsimpfung erforderlich sein wird. Nur welcher Impfstoff dabei zum Zuge kommen soll, ist noch unklar: "Ich weiß noch nicht, ob es sich dabei um den bestehenden Impfstoff oder nur Omikron oder um einen bivalenten handeln wird: Omikron plus bestehender Impfstoff, zwei mRNA in einer Dosis."
Ernüchternde Studienergebnisse zu Omikron-Impfstoffen
Der Moderna-Chef legt damit den Finger in die Wunde der Impfstoffentwickler: Es ist nämlich fraglich, ob sich die Entwicklung eines Omikron-spezifischen Vakzins überhaupt noch lohnt. Und zwar nicht nur, weil es für die aktuelle Welle deutlich zu spät kommen könnte, da diese in vielen Ländern ihren Scheitelpunkt schon überschritten hat.
Hinzu kommt: Die ersten Ergebnisse von Tierversuchen mit mRNA-Impfstoffen gegen die Omikron-Variante sind äußerst ernüchternd ausgefallen. Sie wirken demnach nicht besser als die bereits zugelassenen Corona-Vakzine.
Normaler Booster schützt genauso gut
Zwar sind alle Studien noch nicht durch ein Peer-Review begutachtet und liegen nur als Vorab-Veröffentlichung vor, wie das Fachjournal "Nature" berichtet. Doch zeigte sich bei den vier Studien, drei davon mit mRNA-Impfstoffen, ganz klar, dass es bei Booster-Impfungen keinen großen Unterschied macht, welcher Impfstoff zum Einsatz kommt: der ursprüngliche oder der an Omikron angepasste. Lediglich bei Erstimpfungen zeigte sich ein Vorteil für die Omikron-spezifischen Vakzine.
Immunologen zeigen sich darüber kaum überrascht: Richtet sich eine Booster-Impfung nämlich gegen ein nur leicht verändertes Ziel, so erkennt das Immunsystem den Unterschied oftmals gar nicht. Dann ist eine Impfung mit dem ursprünglichen Vakzin genauso wirksam.
Der Mechanismus dahinter wurde bereits 1960 vom US-amerikanischen Epidemiologen Thomas Francis Jr. beschrieben und ist unter dem Begriff "Antigen-Erbsünde" bekannt: Demnach verstärkt eine Booster-Dosis vor allem die Produktion von Antikörpern, die sich gegen die Stellen des Virus richtet, auf die bereits die Basis-Immunisierung ausgerichtet war.
Besser abwarten und beobachten?
Fakt ist somit: Gegen die nach bisherigen Erkenntnissen eher milde Gefahr, die von der Omikron-Variante ausgeht, stehen derzeit wirksame und erprobte Impfstoffe zur Verfügung, die vor einem schweren Krankheitsverlauf zuverlässig schützen. Insofern müssen sich die Hersteller nun die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, noch Geld und Ressourcen in die Entwicklungen eines neuen Impfstoffes zu stecken, der keinen großen Vorteil im Vergleich zu den bereits zugelassenen Mitteln birgt.
Womöglich könnte es angezeigt sein, die Lage zunächst zu beobachten, ähnlich wie bei der Grippeimpfung, um besser abzuschätzen zu können, welche Variante sich Richtung Herbst/Winter durchsetzen wird. Dann könnten die Hersteller darauf - wenn nötig - mit der mittlerweile eingeübten Schnelligkeit reagieren und neue Varianten-Impfstoffe entwickeln.