Interview mit dem OECD-Steuerexperten Pross "Mit Diplomatie und Anreizen gegen Steueroasen"

Stand: 04.03.2008 20:32 Uhr

Nach dem Liechtensteiner Steuerskandal demonstriert die Bundesregierung Entschlossenheit: Finanzminister Steinbrück versucht auf EU-Ebene, seine Kollegen dazu zu bewegen, mit schärferen Regeln gegen Steueroasen vorzugehen. Wie das gehen könnte, sagt Steuerexperte Poss im tagesschau.de-Interview.

tagesschau.de: Als Reaktion auf die Affäre um Steuerhinterziehung in Liechtenstein drängt Bundesfinanzminister Steinbrück auf strengere europäische Steuerregeln. Wie kann das geschehen, besonders in Ländern, die noch nicht einmal zur EU gehören, sondern nur assoziiert sind?

Achim Pross: Wir reden hier in erster Linie über fünf Drittstaaten, die mit der EU assoziiert sind und im Steuerbereich entweder gar nicht oder nur in beschränktem Umfang mit EU-Staaten zusammenarbeiten: Das sind Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und die Schweiz. Diese Länder wollen ihr Bankgeheimnis wahren und beteiligen sich nicht am Informationsaustausch in der EU. Der beinhaltet nämlich genaue Auskünfte über die Zinseinkünfte von EU-Ausländern. Diese Staaten erheben lediglich eine pauschale Quellensteuer. Ziel der EU-Finanzminister wird es nun sein, diese Länder dazu zu bringen, zum OECD-Standard überzugehen. Das würde bedeuten, dass sie Auskünfte darüber erteilen müssten, welche Zinseinkünfte Ausländer in ihren Finanzinstituten erwirtschaften. Sie hätten nicht mehr die Möglichkeit, sich mit einer pauschalen Quellensteuer vor einer genauen Erhebung und Einzelauskünften zu drücken.

Stichwort

Die Richtlinie zur Zinsbesteuerung trat 2005 EU-weit in Kraft. Seitdem werden Zinszahlungen von Banken an Ausländer an den heimischen Fiskus per Informationsaustausch der meisten EU-Staaten gemeldet. Für die EU-Länder Luxemburg, Österreich und Belgien gilt eine Ausnahmeregelung, damit sie ihr Bankgeheimnis wahren können. Sie erheben eine Quellensteuer auf Zinserträge der Anleger. Die Ausnahmeregelungen gelten auch für assoziierte Gebiete wie die fünf europäischen Drittstaaten und Steueroasen Liechtenstein, Andorra, Monaco, San Marino und die Schweiz. Mit der EU-Zinssteuer werden nicht alle Steuerschlupflöcher gestopft. Denn die Richtlinie betrifft bisher nur Sparzinsen. Viele Anlageformen werden nicht erfasst. Zudem gilt die Quellensteuer nur für natürliche Personen. Stiftungen werden verschont.

tagesschau.de: Was schreibt denn der OECD-Standard vor?

Pross: Es wird genau geregelt, unter welchen Voraussetzungen Informationen einschließlich Bankinformationen zwischen Ländern ausgetauscht werden können. Der Informationsaustausch ist nicht nur auf Einkünfte aus Sparguthaben beschränkt, sondern auch auf Aktiengewinne. Informationen über Hintermänner oder Briefkastenfirmen müssen gegeben werden. Außerdem fallen unter die Auskunftspflicht nach OECD-Standard neben natürlichen auch juristische Personen – also auch Stiftungen. Die spielen ja im Liechtensteiner Skandal eine entscheidende Rolle.

tagesschau.de: Aber was soll denn die Länder, die bis jetzt auf einer Ausnahme beharrt haben, um ihr Bankgeheimnis und damit auch entscheidende Einnahmen zu bewahren, dazu bringen, jetzt den OECD-Standard anzunehmen?

Pross: Es ist nicht leicht, hier Fortschritte zu erzielen. Die EU und ihre Mitgiedstaaten setzen jetzt wohl auf eine Mischung aus Diplomatie, Druck und bestimmten Anreizen. Die EU wird wohl jetzt Gespräche mit diesen fünf Ländern beginnen. Und die Gemeinschaft hat Mittel, ihre Interessen durchzusetzen. Auch in der Vergangenheit hat sie bereits Wege gefunden, ihr Interesse am Informationsaustausch über andere Hebel durchzusetzen.

Zur Person

Achim Pross ist Steuerexperte bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die OECD ist ein Zusammenschluss von 30 Ländern auf der ganzen Welt. Ziele der Organisation sind nachhaltiges Wachstum, höhere Beschäftigung, Steigerung des Lebensstandards, Sicherung finanzieller Stabilität, die Unterstützung der Entwicklung anderer Länder und das Wachstum des Welthandels

"Steuerflucht ist kein deutsches Problem"

tagesschau.de: Haben auch andere EU-Staaten ein ähnliches Problem mit Steuerflucht wie Deutschland?

Pross: Absolut. Da gibt es überhaupt keine Unterschiede. Aufgrund des Liechtensteiner Skandals wissen wir, dass beispielsweise auch Australien, England, Italien, Frankreich und die USA betroffen sind. Das ist also kein deutsches Problem, das haben alle OECD- und Industriestaaten.

tagesschau.de: Also stimmt die Behauptung nicht, dass das komplizierte deutsche  Steuersystem besonders anfällig ist für Steuerhinterziehungen?

Pross: Nein. Das Problem haben wir, wie gesagt, in allen Industriestaaten. Außerdem: Wer mit den Schwierigkeiten des Liechtensteiner Stiftungssystems fertig werden kann, um seine Millionen in Sicherheit zu bringen, ist sicher auch in der Lage, eine deutsche Steuererklärung auszufüllen.

Das Interview führte Sabine Klein, tagesschau.de