Montage einer mit Tabletten gefüllten Kopfsilhuette
FAQ

Gefälschte Arzneimittel Was Verbraucher wissen müssen

Stand: 17.05.2017 09:58 Uhr

Gefälschte und minderwertige Medikamente gelangen auch nach Deutschland - teils illegal, teils über die legalen Vertriebswege. Wie können sich Verbraucher schützen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Von Tobias Bönte, BR

Welche Medikamente werden gefälscht?

Am beliebtesten sind Medikamente, die teuer und weit verbreitet sind. So lässt sich für die Fälscher der Gewinn maximieren. Auch Medikamente, deren Einnahme nicht gerne zugegeben wird, werden gerne gefälscht: Potenzmittel wie Viagra oder auch Cholesterinsenker sind hier zu nennen. Dabei nutzen die Fälscher oft aus, dass Patienten aus Scham lieber anonym im Internet bestellen anstatt sich ein offizielles Rezept bei ihrem Arzt zu holen und es offen in der Apotheke zu kaufen.

Doch mittlerweile gehen die Fälscher noch weiter. "Es wird letztendlich alles gefälscht", sagte ein Pharma-Sicherheitsexperte. "Von Antibiotika bis zur Antibabypille, selbst teure Krebsmedikamente." Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass in Europa bis zu ein Prozent der Medikamente im Markt gefälscht ist. Das geht aus dem WHO-Bericht aus dem Jahr 2011 hervor, aktuellere Zahlen wurden seither nicht veröffentlicht.

Auch die Vertriebswege werden laufend von den Fälschern professionalisiert, so dass gefälschte Medikamente auch auf den legalen Wegen auftauchen. Somit läuft jeder von uns Gefahr, mit Fälschungen in Berührung zu kommen.

Wie kann ich gefälschte Medikamente erkennen?

Achten Sie bei Medikamenten auf jedes Detail. Hat die Pille die gleiche Form wie sonst? Sieht die Verpackung identisch aus? Stimmt der Beipackzettel? Sehen Sie sich die Verpackung genau an: Entdecken Sie Rechtschreibfehler? Sind Namen falsch geschrieben? Besteht die Verpackung aus einem schwächeren Material als üblich? Sollten Sie hier unsicher sein, wenden Sie sich vor der Einnahme unbedingt an Ihren Apotheker.

Die Inhaltstoffe von Medikamenten kann jedoch auch nicht der Apotheker, sondern nur ein Labor überprüfen. Sie müssen sich somit auf die optischen Merkmale stützen, auch wenn dies nicht immer einfach ist.

Was machen die Pharmafirmen gegen Fälschungen?

Die Pharmafirmen versuchen seit vielen Jahren Produktfälschungen und Produktpiraterie einzudämmen. 2019 soll das so genannte securPharm-Projekt gestartet werden. Damit wird die EU-Richtlinie 2011/62/EU umgesetzt, die fordert, dass jedes verschreibungspflichtige Medikament mit Sicherheitsmerkmalen ausgestattet werden muss, "die es Großhändlern und Personen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit ermächtigt oder befugt sind, ermöglichen, die Echtheit des Arzneimittels zu überprüfen; und einzelne Packungen zu identifizieren; sowie eine Vorrichtung, die es ermöglicht zu überprüfen, ob die äußere Umhüllung manipuliert worden ist."

Hierzu wird ab 2019 jedes verschreibungspflichtige Medikament einen eindeutigen Code erhalten, der in der Apotheke gescannt und mit einer Datenbank abgeglichen wird. Wurde die Seriennummer schon einmal verkauft oder gar nie vergeben, warnt das System den Apotheker, und die Packung wird nicht abgegeben.

securPharm ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings gilt nur bei verschreibungspflichtigen Medikamenten Kennzeichnungspflicht. Rezeptfreie Medikamente, die ebenso bereits als Fälschungen aufgetaucht sind, fallen nicht unter das System.

Ein weiteres Problem liegt im System der Herstellung von Arzneimitteln: Durch die Auslagerung von Produktionsprozessen in Billiglohnländer gelangen immer wieder minderwertige Medikamente in die legalen Handelswege. Nachdem bei securPharm keine zusätzlichen Qualitätskontrollen der Produkte stattfinden, sondern lediglich eindeutige Kennzeichnungen auf die Packungen gedruckt werden, wird das Problem minderwertiger Medikamente, die über die legalen Wege in den Handel kommen, nicht gelöst.

Im Kampf gegen Produktpiraterie verspricht securPharm jedoch eine echte Verbesserung zu werden.

Kann ich noch sicher in der Apotheke um die Ecke einkaufen?

Ja, das können Sie. Es tauchen zwar auch immer wieder gefälschte Medikamente in den legalen Lieferketten und somit auch in deutschen Apotheken auf, der Prozentsatz ist jedoch deutlich geringer als bei anderen Bezugsquellen.

Wichtig ist: Seien Sie wachsam. Schauen Sie sich Medikamente genau an, bevor Sie sie einnehmen. Sollte Ihnen irgend etwas seltsam vorkommen, dann sprechen Sie Ihren Apotheker darauf an und scheuen Sie sich nicht, bei Verdacht Arzneimittel in ihre Apotheke zurückzubringen. Jeder Apotheker wird hierfür Verständnis haben.

Ist es gefährlich online Medikamente zu bestellen?

Hier müssen Sie unterscheiden. In einer lizenzierten und auch in Deutschland zugelassenen Online-Apotheke können Sie problemlos einkaufen. Eine Übersicht über diese zertifizierten Händler bietet Ihnen das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information auf seiner Internetseite. Finger weg von Arzneimitteln, die über Plattformen wie Ebay oder ähnlichem angeboten werden.

Sie sollten auf jeden Fall stutzig werden, wenn Sie rezeptpflichtige Medikamente ohne ärztliches Rezept bestellen können oder wenn die Preise weit unter den marktüblichen Preisen der Apotheke liegen.

Auf meiner Arzneimittelschachtel ist eine ausländische Bezeichnung mit einem deutschen Aufkleber überklebt. Kann ich dem Medikament trauen?

Ja, im Normalfall müssen Sie keine Bedenken haben. Sie haben ein reimportiertes Medikament in den Händen. Das in Deutschland produzierte Medikament wurde ins Ausland exportiert, dort von einem Großhändler eingekauft und wieder nach Deutschland importiert. Hintergrund für dieses System sind große Preisunterschiede bei Medikamenten. Diese machen sich Großhändler zu Nutze, indem sie Arzneimittel im Ausland günstig einkaufen und in Deutschland teurer wieder verkaufen. Hierzu müssen die ausländischen Produktbezeichnungen überklebt und auch der ausländische Beipackzettel durch einen in deutscher Sprache ersetzt werden. Seit 2003 gibt es sogar die gesetzliche Verpflichtung für Apotheker, einen Reimport abzugeben, wenn dieser 15 Prozent oder mindestens 15 Euro günstiger ist als das Produkt für den deutschen Markt (15/15-Regel). So will die Politik Kosten im Gesundheitssystem sparen. Derzeit sind elf Prozent der verkauften Medikamente Reimporte.

Da es sich um identische Produkte deutscher Hersteller handelt, die lediglich eine "Ehrenrunde" über das Ausland drehen, sind die Medikamente in aller Regel unbedenklich. In vielen Fällen könne man als Verbraucher sogar bares Geld sparen, wenn man nach Reimporten frage, empfehlen die Verbraucherzentralen.

Allerdings ist zu beobachten, dass die meisten in Deutschland in Apotheken aufgegriffenen Fälschungen aus dem Reimport-Geschäft stammen. Dass die Medikamente im Zielland noch einmal umetikettiert oder umverpackt werden müssen, scheinen immer wieder Kriminelle auszunutzen, um vor dem Export gefälschte Ware in die Lieferungen zu bringen. Wird die Fälschung im Zielland beim Importeur nicht erkannt, gelangt sie dann mit Originalverpackung in die legalen Handelswege.

Sollten Sie keine Reimporte wollen, sprechen Sie bereits bei der Verordnung mit Ihrem Arzt über mögliche Alternativen. Selbst durch das Setzen des sogenannten "aut idem"-Kreuzes auf dem Rezept lässt sich der Austausch gegen einen Reimport nicht ausschließen, da Original und Import rechtlich als das Gleiche gelten. Dann ist der Apotheker verpflichtet, bei Eintreten der 15/15-Regel einen Reimport abzugeben.

Wo kann ich mich über aktuelle Rückrufe von Medikamenten informieren?

Informationen zu Rückrufen von Arzneimitteln finden Sie online, zum Beispiel auf der Seite der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Alternativ können Sie sich auch in Ihrer Apotheke erkundigen. Diese erhalten ebenfalls alle Rückrufe und Warnhinweise und sind verpflichtet, diese mindestens fünf Jahre aufzubewahren.

Ein Themenabend im Ersten widmet sich am Mittwoch, 17. Mai mit dem Spielfilm "Gift" und der anschließenden Dokumentation "Gefährliche Medikamente" der Problematik.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Bayern2 am 11. Mai 2017 um 09:05 Uhr