Entscheidungen zum Euro-Rettungsschirm Alle Macht dem Bundestag

Stand: 20.09.2011 19:23 Uhr

Beim Euro-Rettungsschirm sollen künftig Bundestagsabgeordnete immer das letzte Wort haben. Die Koalitionsfraktionen einigten sich auf einen entsprechenden Gesetzentwurf. In eiligen Fällen soll demnach eine kleine Gruppe von Mitgliedern des Haushaltsausschusses entscheiden.

Die Koalitionsfraktionen wollen dem Bundestag umfassende Mitspracherechte beim erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF sichern. Union und FDP einigten sich auf einen Gesetzentwurf, demzufolge die Bundesregierung selbst bei eiligen Entscheidungen in Notfällen künftig auf grünes Licht von Bundestagsabgeordneten angewiesen wäre. Damit gehen die Pläne der Koalition über die Vorgaben hinaus, die das Bundesverfassungsgericht Anfang des Monats in seinem Urteil zum Euro-Rettungsschirm in seiner ursprünglichen Form gemacht hatte.

Zustimmung auch in eiligen Fällen unverzichtbar

Der Gesetzentwurf, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, sieht für besonders eilige Entscheidungen die Zustimmung eines Vertrauensgremiums vor. Ohne dessen Votum dürfte die Bundesregierung auf europäischer Ebene keine dringenden Nothilfen aus dem Rettungsschirm billigen. Das Bundesverfassungsgericht hatte es in solchen besonderen Fällen für ausreichend gehalten, wenn sich die Bundesregierung nachträglich die Unterstützung der Parlamentarier eingeholt hätte.

Dem Vertrauensgremium soll laut Gesetzentwurf mindestens ein Abgeordneter jeder Fraktion angehören. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sollen sich aber widerspiegeln. Die Zahl der Mitglieder des Gremiums, die der Haushaltsausschuss selbst benennen könnte, soll den Plänen zufolge aber so klein wie möglich sein. Das soll schnelle Entscheidungsprozesse garantieren. In der Koalition hieß es, der Euro-Rettungsschirm sei damit in jedem Fall handlungsfähig.

Besondere Eilbedürftigkeit und gleichzeitig eine besondere Vertraulichkeit gilt für vorsorgliche Kredite des Euro-Rettungsschirms an hoch verschuldete Staaten, für Kredite, die den Regierungen zur Kapitalunterstützung ihrer nationalen Banken gewährt werden, sowie für den Ankauf von Staatsanleihen. Diese Instrumente sollen dem Euro-Rettungsschirm EFSF erst nach der Erweiterung zustehen, über die der Bundestag Ende des Monats abstimmt. In allen diesen Fällen wäre der Bundestag dann zumindest über das neu zu schaffende Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses vorab an den Entscheidungen zu beteiligen.

Grundsatzentscheidungen trifft der Bundestag

Auch an allen anderen Angelegenheiten der EFSF ist der Haushaltsausschuss künftig beteiligt. So überwacht er die Kredithilfen für Staaten und die Umsetzung der damit verbundenen Vereinbarungen. Grundsatzbeschlüsse, darunter die Gewährung von Hilfen an einen Staat der Eurozone, soll das Bundestagsplenum fällen. Ohne dessen ausdrückliche Zustimmung muss der deutsche Vertreter im Entscheidungsgremium des EFSF mit Nein stimmen. Eine Enthaltung soll ihm laut Gesetzentwurf ausdrücklich verboten werden, wenn das Parlament das Hilfsprogramm für ein Land nicht explizit unterstützt.

Das Gesetz regelt zudem die Aufstockung der deutschen Garantien für Kredite des Euro-Rettungsschirms an hoch verschuldete Staaten. Deutschland könnte danach künftig mit bis zu 211 Milliarden Euro für Kredite gerade stehen. Bislang lag die Höchstsumme für den deutschen Beitrag zu Garantien bei 123 Milliarden Euro. Die neue maximale Bürgschaftssumme entspricht mehr als zwei Dritteln des Bundeshaushalts. Die nun vorgesehen Parlamentsbeteiligung ist eine Reaktion auf die Sorge, die enormen Garantien im Rahmen der Rettungsprogramme für Staaten der Eurozone könnten das Budgetrecht des Parlaments aushöhlen und der Bundesregierung zu viel Entscheidungsgewalt über die Bundesfinanzen geben, die grundsätzlich dem Parlament vorbehalten ist.

Union sieht generelle Bundestagsbeteiligung gesichert

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) erklärte, der Gesetzentwurf stelle eine "umfassende Parlamentsbeteiligung" sicher, die den Bundestag generell an "allen wesentlichen Entscheidungen" über den EFSF beteilige. Die Handlungsfähigkeit der Regierung bleibe dennoch gewährleistet. Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke sagte, die Koalition stelle sicher, dass der Bundestag und sein Haushaltsausschuss die zentralen Entscheidungsgremien seien, wenn es um den deutschen Beitrag zur Stabilisierung der Eurozone gehe. "Außerdem unterstreichen wir gegenüber den Bürgern, dass über die Verwendung ihrer Steuergelder nirgendwo anders entschieden wird als im von ihnen gewählten Parlament."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte zu den Plänen, die "schwierige Balance" zwischen funktionsfähigen Instrumenten der EU und der parlamentarischen Souveranität "scheint gewahrt". Das Vorhaben sei "auf dem richtigen Weg". Altmaier zeigte sich nach der Einigung auf den Gesetzentwurf überzeugt, dass die Koalition bei der Abstimmung im Bundestag am 29. September "eine eigene Mehrheit aufbieten" werde. Der FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle geht nach eigenen Angaben ebenfalls optimistisch in die anstehenden Abstimmungen.