Regierungserklärung zum Stabilitätspakt Merkel pocht auf Änderung der EU-Verträge

Stand: 28.10.2010 01:19 Uhr

Einen Tag vor dem EU-Gipfel hat die Kanzlerin den Druck auf die übrigen Mitgliedstaaten erhöht: In ihrer Regierungserklärung pochte Merkel weiter auf die Verschärfungen der EU-Verträge, um künftig Währungskrisen in Europa zu verhindern. Ob sie sich durchsetzen kann, ist jedoch fraglich - beim heutigen Treffen werden harte Kontroversen erwartet.

Von Nicholas Buschschlüter, HR, ARD-Hauptstadtstudio

Wer am Dienstag eine versöhnliche und kompromissbereite Angela Merkel im Bundestag erwartet hatte, der sah sich schnell getäuscht. Die Bundeskanzlerin wollte offenbar keinen Millimeter von ihrer umstrittenen Position abweichen, in Brüssel für die Veränderung der EU-Verträge zu kämpfen. Und das, obwohl schon die Verabschiedung des Vertrags von Lissabon von Pleiten, Pech und Pannen begleitet war und eine gefühlte Ewigkeit dauerte.

Doch Merkel blieb hart: "Der neue Krisenbewältigungsrahmen muss rechtlich unangreifbar sein. Das heißt ohne wenn und aber, klipp und klar: Gelingen wird das nur mit einer Änderung der europäischen Verträge."

Die neue Härte irritiert

Viele EU-Diplomaten dürften Alpträume angesichts dieser Aussichten bekommen. Doch wieso diese Kompromisslosigkeit der Kanzlerin? Wieso jetzt die Reform des Stabilitätspaktes? Das begründete die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung so: "Weil der Rettungsschirm nicht als langfristiges Instrument taugt, weil er Märkten und Mitgliedstaaten falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche Erwartungshaltung fördert." Die nämlich, dass Schuldenstaaten immer irgendwie von ihren EU-Partnern rausgepaukt werden.

Merkel will das in Zukunft verhindern und fordert den Stimmentzug für notorische Defizitsünder in EU-Gremien, außerdem ein Umschuldungssystem, bei dem private Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen an in Not geratene Staaten verzichten. Auf diese Weise müsste nicht immer der Steuerzahler als großer Retter einspringen, sondern in erster Linie die privaten Banken, die am Absturz manchen Staates in der Vergangenheit gut mitverdient haben.

Die Macht der Achse Berlin - Paris

Merkels Vorschläge sind bei den meisten EU-Partnern jedoch hoch umstritten. Unverhohlen droht sie deshalb mit dem politischen Gewicht der Achse Paris-Berlin. Mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy hatte sie sich vergangene Woche auf das gemeinsame Vorgehen herzlich geeinigt. "Es ist wahr: Eine deutsch-französische Einigung ist nicht alles in Europa, aber wahr ist auch: Ohne eine deutsch-französische Einigung wird vieles nichts. Das gilt auch in diesem Falle," so Merkel.

Wenn ihre Vorschläge beim heutigen EU-Gipfel nicht angenommen würden, wolle sie die allgemeine Reform des Stabilitätspaktes durchfallen lassen, ließ Merkel durchblicken. Es handele sich um ein Paket, sagte sie trotzig.

Opposition glaubt nicht, dass Merkel durchhält

SPD-Fraktionschef Steinmeier sieht darin die gleiche Vorgehensweise der Regierung wie schon in der Griechenland-Krise - erst dicke Backen machen, dann in sich zusammenfallen: "Wer nach diesem Muster immer wieder handelt - und das droht doch jetzt auch hier - der schädigt doch am Ende nicht nur die eigene europapolitische Position hier in Deutschland und gegenüber der deutschen Bevölkerung, der schädigt doch auch das Ansehen der Deutschen und der deutschen Regierung in Brüssel. Und das will ich nicht, meine Damen und Herren."

Auch Renate Künast von den Grünen nennt Merkel eine europapolitische Novizin. Dazu passt auch, dass die Kanzlerin in einem anderen wichtigen Punkt eine Rolle rückwärts vollzogen hat. War sie zunächst für automatische Sanktionen gegen Defizitsünder, nach dem Treffen mit Sarkozy dann plötzlich dagegen, ist Merkel jetzt wieder dafür, so Künast: "Das heißt, eine Sanktion kommt, wenn der Rat nicht mit qualifizierter Mehrheit wiederspricht."

Ihren Regierungspartner Guido Westerwelle dürfte dieser Meinungsumschwung freuen. Er passt jedoch so gar nicht zu dem Image der Eisernen Lady, das Merkel heute in Brüssel eigentlich vertreten will.