Reederverband zur EU-Hafenrichtlinie "Mehr Wettbewerb wäre nötig und nützlich"

Stand: 25.08.2007 22:49 Uhr

Heute entscheidet das EU-Parlament über die umstrittene Hafenrichtline. Eine Ablehnung gilt als sicher, da der Entwurf fraktionsübergreifend auf Kritik stößt. Auch von Hafenarbeitern, Gewerkschaftern und vielen Politikern wird er abgelehnt, Befürworter finden sich wenige. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder, Hans-Heinrich Nöll, erklärt im Interview mit tagesschau.de, warum die Reeder Autos und Anhänger lieber selbst auf die Schiffe bringen würden.

tagesschau.de: Herr Nöll, was halten Sie von der EU-Hafenrichtlinie?

Hans-Heinrich Nöll: Grundsätzlich unterstützen wir eine Richtlinie zur Liberalisierung des Hafenbetriebs, schon seit dem ersten Entwurf. Zwei Punkte interessieren die Reeder besonders: die so genannte Selbstabfertigung, also die Frage, ob Reedereien mit eigenem Personal Schiffe abfertigen dürfen, und die Frage der Liberalisierung von Lotsendienstleistungen. Unser Interesse an einer Richtlinie ohne diese beiden Punkte, wie sie auch diskutiert wurde, ist eher gering. Und der Widerstand von Gewerkschaften, Hafenorganisationen und aus der Politik ist sehr groß. Deshalb hat die Richtlinie derzeit keine Chance.

"Warum darf der Reeder das nicht selbst machen?"

tagesschau.de: In welchen Situationen wäre eine Hafenrichtlinie aus Ihrer Sicht denn hilfreich?

Nöll: In manchen europäischen Häfen ist festgelegt, dass bestimmte Arbeiten im Umschlagbetrieb nur von bestimmten Firmen gemacht werden können. Und da wäre mehr Wettbewerb nötig und nützlich für den Seeverkehr. Aber die Selbstabfertigung zum Beispiel ist ja gar nicht immer möglich. Ein Containerschiff etwa können Sie nicht selbst be- und entladen. Autotransporter oder so genannte RoRo-Fähren, wo Trailer drauf und wieder runter gefahren werden, aber schon. Auf den Autotransporter könnte die Besatzung ja auch Fahrzeuge drauf fahren. Das würde sicherlich nicht ausreichen, aber man könnte sie zumindest einsetzen. Oder bei einer RoRo-Fähre: Da werden zum Beispiel Papierrollen auf Tiefladern mit Zugmaschinen aufs Schiff gefahren und dort abgestellt. Das darf in vielen Häfen nur ein Hafenbetrieb tun. Da sagen wir: Warum darf der Reeder das nicht mit eigenem Personal machen, wieso darf er sich das nicht aussuchen? In diesen Fällen wäre es attraktiv, dies auch selbst zu tun und nicht einem Monopol von Hafenarbeitern gegenüber zu stehen.

Bei den Lotsendiensten ist das sehr kompliziert. Denn die Lotsen sind in Deutschland in privaten Brüderschaften organisiert und bekommen ein Mandat, die Lotstätigkeit an bestimmten Stellen zwingend durchzuführen. Hier geht es um Öffnung von Strukturen, die seit Jahrhunderten bestehen. Natürlich ist das ein sensibler Sektor, es geht schließlich um die Sicherheit der Seewege. Aber es wäre denkbar, dass man seine Schiffe selbst lotst oder eigene Lotsenorganisationen – natürlich unter staatlicher Aufsicht – unterhält. Im freien Wettbewerb würde es dann auch günstigere Preise geben.

Angst vor Billig-Arbeitern unbegründet

tagesschau.de: Es gibt viel Widerstand gegen die Richtlinie. Halten Sie den für begründet?

Nöll: Für die Gewerkschaften ist die Richtlinie ein rotes Tuch. Dabei ist gar nicht ausgemacht, dass sich mit der Hafenrichtlinie alles ändern würde. Die Selbstabfertigung etwa würde nicht dazu führen, dass Billig-Arbeiter mit den Schiffen ins Land kommen und die Hafenarbeiter verdrängen. Denn schließlich würden ausländer-, arbeits- und sozialrechtliche Standards, die in den Häfen gelten, nicht einfach ausgehebelt werden. Ausländische Schiffsbesatzungen etwa, die in ihren Heimatländern angeheuert wurden, dürfen an Land im Hafen aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen gründen gar nicht ohne Weiteres arbeiten. Und wir haben im deutschen Tarifvertrag sogar eine Regelung drin, die die Selbstabfertigung durch Besatzungsmitglieder der meisten Unternehmen ausschließt.

tagesschau.de: Wie wichtig ist die Richtlinie für die Reeder?

Nöll: Ich würde nicht sagen, dass man sie dringend braucht. Es gibt wichtigere Dinge. Aber es ist bedauerlich, dass hier kein vernünftiges Ergebnis zustande kommt. Wir machen hier eine Richtlinie für ganz Europa, nicht nur für Nordeuropa, wo es doch recht viel Wettbewerb zwischen den Häfen gibt.

Und auch ohne die Hafenrichtlinie gibt es in der EU rechtliche Instrumente, die unmittelbar anwendbar sind, wenn es in europäischen Häfen wettbewerbswidrige Verhältnisse gibt. Zum Beispiel das Wettbewerbskartellrecht. Mit der Richtlinie würde die Liberalisierung der Häfen schließlich nicht völlig neu erfunden.

"Damit die Ladung von der Straße an Bord kommt"

tagesschau.de: Warum braucht die EU dann überhaupt eine Hafenrichtlinie?

Nöll: Verkrustete Wettbewerbsstrukturen in Häfen sind nicht nur an sich schlecht und für die Reeder schlecht, sondern auch allgemein für den Seeverkehr. Denn es ist ja auch europäische Politik, dass man den sich stauenden Verkehr an Land auf das Wasser umleitet. Und dazu braucht man nicht nur Schiffe – die sind leicht verfügbar. Man braucht vernünftige Hafeninfrastruktur, damit die Ladung auch von der Straße an Bord kommt. Das ist viel wichtiger.

Die Fragen stellte Claudia Witte, tagesschau.de