EU-Wein soll konkurrenzfähiger werden EU plant radikale Refomen bei Weinproduktion

Stand: 22.06.2006 17:44 Uhr

EU-Agrarkommissarin Fischer Boel will den europäischen Weinsektor radikal reformieren. Denn einerseits leide die Branche an Überproduktion, andererseits an der wachsenden Konkurrenz aus Übersee. Insgesamt 400.000 Hektar Wein-Anbaufläche will die EU-Kommissarin stilllegen und Zuschüsse anders verteilen.

Die europäischen Winzer müssen sich auf tief greifende Veränderungen im Weinbau einstellen. Denn wegen Überproduktion drohe die EU in einem "Weinsee" zu ertrinken, so EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel. "Wir bewegen uns in eine Krise", sagte sie in Brüssel. Der Verbrauch sinke und die Branche habe es versäumt, "junge Konsumenten zu gewinnen."

Die EU-Agrarkommissarin forderte, insgesamt 400.000 Hektar Anbaufläche in einem Zeitraum von fünf Jahren stillzulegen. Das sind knapp zwölf Prozent. Zudem sollen neue Vorschriften zur Weinproduktion und zur Etikettierung helfen, dass die Weinbauern es besser mit der wachsenden Konkurrenz aus Übersee aufnehmen können. So will Fischer Boel das jährliche EU-Weinbudget von rund 1,2 Milliarden Euro zwar nicht vermindern, aber anders verteilen.

Bisher fließt pro Jahr etwa eine halbe Milliarde Euro in die Destillierung von überschüssigem Wein zu Alkohol. "Das ist für den Steuerzahler nicht mehr hinnehmbar", sagte die Kommissarin. Sie will - gestreckt über fünf Jahre - 2,4 Milliarden Euro für die geplante freiwillige Rodung von Weinbergen ausgeben - als Anreiz auch für nicht wettbewerbsfähige Winzer, aus ihrem Beruf auszusteigen.

Konkurrenz aus Übersee wächst rapide

Die Pläne der Kommission sehen auch neue Regeln für die Weinherstellung und die Kennzeichnung von Wein vor, um die europäischen Winzer weltweit konkurrenzfähiger zu machen. Denn die zunehmenden Einfuhren von Wein aus Übersee machen Brüssel erhebliche Sorgen. Schon in wenigen Jahren droht den Angaben zufolge ein Überschuss in der EU-Produktion von 15 Prozent. Fischer Boel setzt auch auf eine einfachere und damit besser verständliche Etikettierung von europäischen Weinen. Dazu würde es gehören, bei preiswertem Wein ohne besondere geografische Angabe die Rebsorte wie beispielsweise Riesling zu nennen, was bisher verboten ist. Die Kommission will sich zudem von den Agrarministern das Recht übertragen lassen, neue Produktionsmethoden zu genehmigen.

Konkrete Gesetzesvorschläge ab Januar 2007

Die dänische Kommissarin machte der Branche und den EU-Staaten zunächst unverbindliche Vorschläge, um der Krise zu begegnen. Im Januar kommenden Jahres will sie dann einen konkreten Gesetzesvorschlag vorlegen. Es wird dann die Aufgabe von Agrarminister Horst Seehofer sein, in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 die Verhandlungen unter den EU-Staaten zu führen.

Dass die Debatten schwierig werden, deutete sich bereits an. So kritisierten die deutschen Winzer die Vorschläge der Kommission, die Verwendung von Zucker zur Steigerung des Alkoholgehalts zu verbieten. Dies wird unter anderem in Deutschland, aber auch in einigen französischen Gebieten, in Luxemburg und Österreich angewandt.

Vorsichtige Zustimmung kam bei der Vorstellung der Reformpläne aus dem EU-Parlament. Der CDU-Europaabgeordnete und frühere rheinland-pfälzische Weinbauminister Werner Langen sprach von einem mutigen Entwurf. Die CDU-Agrarexperten Lutz Goepel und Elisabeth Jeggle erklärten, das Ziel eines Abbaus von Überkapazitäten im Süden Europas und eine Stärkung der Qualitätsweine sei richtig. Die Grünen lobten die zentralen Vorschläge zur Abschaffung der Zuschüsse für die Umwandlung in Ethanol. "Wein in Industriealkohol umzuwandeln war schon immer eine teure Schnapsidee", sagte ihr Agrarexperte Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf.

EU liegt bei Weinproduktion weltweit vorn

Die EU ist weltweit der größte Weinproduzent. Mit einem Anteil von knapp einem Drittel des Wertes ist Frankreich der wichtigste Erzeuger, gefolgt von Italien. Deutschland kommt laut EU-Statistik mit einer Produktion von 1,1 Milliarden Euro fast an den Branchendritten Spanien heran, der für 1,2 Milliarden Euro im Jahr produziert. Spanien keltert allerdings vier Mal soviel Wein wie Deutschland.