Verhandlungen ergebnislos abgebrochen EU kann sich nicht auf Höchstarbeitszeit einigen

Stand: 07.11.2006 20:57 Uhr

Nach dem Scheitern der Verhandlungen in Brüssel rückt die geplante europaweite Arbeitszeitregelung in weite Ferne. Für Deutschland hat das Konsequenzen, vor allem mit Blick auf den Streit um die Bereitschaftsdienste von Ärzten im Krankenhaus.

Von Michael Becker, ARD-Hörfunkstudio in Brüssel

Es war ein wahrer Verhandlungsmarathon - dennoch gingen die EU-Sozial- und Arbeitsminister am Ende wieder auseinander, ohne sich geeinigt zu haben. Die geplante europaweite Arbeitszeit-Regelung bleibt ein schöner Entwurf.

Für Deutschland hat das Konsequenzen, vor allem mit Blick auf den Streit um Bereitschaftsdienste von Ärzten im Krankenhaus. Bereits im Jahre 2003 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Bereitschaftsdienste in Deutschland gegen EU-Recht verstoßen. Ärzte, die nachts im Krankenhaus schlafen und Bereitschaft haben, bekommen diese Zeit nicht als Arbeitszeit angerechnet. Das sei unzulässig, hatten die EU-Richter entschieden.

Verfahren gegen Deutschland eingeleitet

Die Bundesregierung hatte sich jedoch geweigert, die Bereitschaftsdienste neu zu regeln, mit dem Hinweis, man arbeite ja ohnehin an einer neuen EU-Regelung zur Arbeitszeit. Doch die ist jetzt gescheitert. Als Konsequenz leitete die EU-Kommission ein Verfahren gegen Deutschland ein, die Bereitschaftsdienste neu zu regeln. Passiert das nicht, wird Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.

Klagen gegen 23 EU-Länder

Der tschechische EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla meinte, er habe gar keine andere Wahl als diesen Weg einzuschlagen: "Natürlich muss ich ein Verfahren einleiten, wenn ein Staat nicht im Einklang mit europäischem Recht ist", sagte Spidla in Brüssel. Deutschland befindet sich dabei in guter Gesellschaft: Spidla hat insgesamt 23 EU-Länder auf der Liste wegen gleicher oder ähnlicher Arbeitszeitregelungen.

Die Bundesregierung hat für ihre Zurückhaltung gute Gründe. Wenn die gesamte Nachtbereitschaft für Krankenhausärzte als Arbeitszeit angerechnet wird - also auch die Ruhezeit, so wie die EU-Richter gefordert hatten - dann wird das teuer. Mehrere tausend Ärzte müssten zusätzlich eingestellt werden, in Berlin befürchtet man den Kollaps fürs Gesundheitssystem.

Die neue Arbeitszeitregelung wollte deshalb einen Kompromiss schaffen. Es sollte unterschieden werden zwischen aktiver und inaktiver Zeit, und nur die aktive sollte als Arbeitszeit angerechnet werden. Die Ruhezeit also nicht. Doch die europäische Neuregelung ist gescheitert und nun droht die Auseinandersetzung mit dem Brüsseler Sozialkommissar. Am Ende könnte Deutschland gezwungen werden, sich an die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes zu halten. Aber das kann dauern. Die Ärzte werden noch einige Zeit auf ihr Recht warten müssen.