Hintergrund

Chodorkowski-Chronik Der Öl-Mogul, der zum Häftling wurde

Stand: 09.04.2009 07:20 Uhr

An der Spitze des Energiekonzerns Yukos wurde Michail Chodorkowski zum wohl reichsten Mann Russlands. Nur wenige verstanden es wie er, die Chancen der politischen und wirtschaftlichen Öffnung in der damaligen Sowjetunion für sich zu nutzen, bis er an seinem Widersacher Putin scheiterte.

Michail Borisowitsch Chodorkowski wird am 26. Juni 1963 in Moskau geboren. 1986 beendet er seine Hochschulausbildung als Chemiker am Moskauer chemisch-technischen Institut. 1988 schließt er eine weitere Ausbildung am Moskauer Plechanow-Institut für Volkswirtschaft ab. Seinen Wunsch, in die Rüstungsindustrie einzutreten, kann sich Chodorkowski wegen seiner jüdischen Herkunft nicht erfüllen. Er wird Funktionär in der kommunistischen Jugendorganisation Komsomol.

Vom Bankier zum Ölmanager

1988 gründet Chodorkowski eine der ersten Privatbanken Russlands mit - die MENATEP-Bank - und übernimmt deren Leitung. Im September 1995 verlässt er den Vorsitz des Geldinstituts, um an die Spitze der Investment-Firma ROSPROM zu treten. Ein Jahr später wechselt er zum zweitgrößten russischen Ölkonzern Yukos, an dem die MENATEP-Bank 1995 die Mehrheit der Anteile erworben hatte, nachdem sich der Staat in einer fragwürdigen Privatisierungsaktion von seinen Anteilen getrennt hatte.

Yukos-Reformen nach westlichem Vorbild

1997 wird Chodorkowski Vorstandsvorsitzender von Yukos. Nach der russischen Finanzkrise im August 1998 ist die MENATEP-Bank insolvent. Yukos-Aktien stürzen radikal ab, westliche Investoren und Kreditgeber verlieren ihren Einsatz, doch Chodorkowski übersteht die Krise ohne Blessuren. Er sorgt daraufhin bei Yukos für größere Transparenz und westliche Standards in der Buchführung und legt 2002 sogar die Anteilseigner offen. "Ehrlichkeit, Offenheit und Verantwortung" erklärt er zum Leitmotiv.

Ein Ergebnis seiner Reformen ist die Reduktion der Produktionskosten um zwei Drittel, womit eine niedrigere Kosten-pro-Barrel-Quote erreicht wurde als in allen anderen russischen Ölfirmen. Chodorkowski gilt bald darauf als reichster Mann Russlands; zeitweise wird sein Vermögen auf bis zu acht Milliarden US-Dollar geschätzt.

Zwischen Wirtschaft und Politik

Parallel zu seiner Manager-Karriere verfolgt Chodorkowski politische Ambitionen: 1992 gehört er zum Beraterstab des russischen Premiers, im März 1993 steigt er sogar zum stellvertretenden Minister für Brennstoffe und Energie auf. Zusammen mit anderen Wirtschaftsführern organisiert und finanziert Chodorkowski in diesem Jahr den bereits verloren geglaubten Wahlkampf für den russischen Präsidenten Boris Jelzin und sichert damit den nochmaligen Wahlsieg.

Später bekennt sich Chodorkowski offen zu seiner finanziellen Unterstützung von oppositionellen Parteien (u. a. der liberal-konservativen Jabloko-Partei und der Union rechter Kräfte). Regierungsnahe Stimmen behaupten sogar, Chodorkowski wolle das Parlament kontrollieren und persönlich bei den Präsidentschaftswahlen 2008 kandidieren. Der Manager dementiert daraufhin jegliche politische Einflussnahme.

Absturz nach Steueraffäre

Nach der Verhaftung des MENATEP-Chefs und Chodorkowski-Vertrauten Lebedjew im Juli 2003 werden auch die Büros der Yukos-Zentrale durchsucht. Drei Monate später wird Chodorkowski selbst wegen Steuerhinterziehung und Betrugs festgenommen. Nach Prozessbeginn im Sommer 2004 werden Chodorkowski und Lebedjew am 31. Mai 2005 von einem Moskauer Bezirksgericht wegen Betrugs, Veruntreuung und Steuerhinterziehung zu jeweils neun Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. In einem Revisonsverfahren am 23. September 2005 erklärt dasselbe Gericht das Urteil bei einem reduzierten Strafmaß von acht Jahren für rechtskräftig.

Ins Straflager nach Sibirien

Etwa einen Monat später wird Chodorkowski aus der zweijährigen Untersuchungshaft in Moskau in ein 6500 Kilometer entferntes Straflager im sibirischen Krasnokamensk (Gebiet Tschita) nahe der Grenze zu China verlegt. Im Januar 2006 berichten seine Anwälte von einer vorübergehenden Isolationshaft, weil sich ihr Mandat "illegal" Dokumente über die Rechte von Gefangenen beschafft haben soll.

Insolvenzverfahren gegen Yukos

Am 28. März 2006 beginnt in Moskau das Insolvenzverfahren gegen den Ölkonzern Yukos. Ein entsprechender Antrag wurde von einem westlichen Bankenkonsortium gestellt. Das Moskauer Gericht stellt Yukos zunächst unter externe Aufsicht durch einen Konkursverwalter, der die Transaktionen des Unternehmens überwachen soll. Bei der Auktion am 10. Mai 2007 sichert sich der Ölkonzern Rosneft aus der Yukos-Konkursmasse ein Paket, das die Yukos-Tochter Samaraneftegaz und drei Raffinerien enthält. Für 165 Mrd. Rubel (4,72 Mrd. Euro) erhält Rosneft den Zuschlag bei der letzten großen Auktion. Mit den erworbenen Raffinerien übertrifft Rosneft den bisher größten russischen Raffineriebetreiber Lukoil.

Häftling im Hungerstreik

Am 28. Januar 2008 tritt der inhaftierte Chodorkowski in den Hungerstreik. Er will damit gegen die Haftbedingungen seines ehemaligen Yukos-Hausjuristen, Wasili Alexanian, protestieren, dem in der Untersuchungshaft medizinische Versorgung vorenthalten werde. Nach zwei Wochen beendet Chodorkowski den Hungerstreik. Seine Forderungen werden erfüllt, sein früherer Mitarbeiter in ein Krankenhaus gebracht.

Am 16. Juli 2008 beantragen Chodorkowskis Anwälte die vorzeitige Haftentlassung ihres Mandanten auf Bewährung, wie es das russische Strafrecht nach der Verbüßung der Hälfte der Haftzeit unter Umständen erlaubt. Sie betonen, dass mit dem Antrag kein Schuldeingeständnis verbunden sei. Dieser Fakt ist für die Richter am 22. August 2008 ein Grund, die Begnadigung Chodorkowskis abzulehnen. Zudem besteht nach Ansicht des Gerichts im sibirischen Tschita Fluchtgefahr, weil gegen Chodorkowski ein zweites Strafverfahren anhängig ist. Ihm werden darin Unterschlagung und Geldwäsche von über 18 Milliarden Euro zur Last gelegt.

Chodorkowski bleibt damit weiter in Haft. Er ist in zweiter Ehe mit Inna Walentinowna verheiratet und hat vier Kinder.