Ein Lkw fährt am frühen Morgen über das Gelände des Umschlagbahnhofs Leipzig-Wahren.

ifo-Index überraschend schwach Keine Feststimmung in Deutschlands Chefetagen

Stand: 18.12.2023 12:02 Uhr

Die Hoffnungen auf eine konjunkturelle Besserung über Weihnachten haben sich nicht erfüllt. Das ifo-Geschäftsklima sank im Dezember unerwartet nach zuvor zwei Anstiegen in Folge.

Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hat sich zum Jahresende überraschend eingetrübt. Das Ifo-Geschäftsklima sank im Dezember zum Vormonat um 0,8 Punkte auf 86,4 Zähler, teilte das Münchner ifo-Institut zu seiner Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften mit. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Fachleute hatten mit einem Plus auf 87,8 Punkte gerechnet. Im Oktober und im November hatte es jeweils Anstiege gegeben.

Die Unternehmen beurteilten ihre aktuelle Geschäftslage und ihre Aussichten für die kommenden Monate wieder pessimistischer. "Die Konjunktur bleibt auch in der Weihnachtszeit schwach", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest.

Sorgenkind Industrie

In der Industrie fiel der Geschäftsklimaindex merklich. "Insbesondere energieintensive Branchen tun sich schwer", erläuterte Fuest. Im Dienstleistungssektor verbesserte sich die Stimmung hingegen leicht. Die Firmen berichteten von weniger Skepsis bei den Aussichten für das kommende Halbjahr.

Stefan Wolff, HR, zum sinkenden ifo-Index

tagesschau, 18.12.2023 17:00 Uhr

In der Gastronomie verbesserte sich zwar die Geschäftslage. "Die Erwartungen sind regelrecht abgestürzt", erklärte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. Zugleich gehen die Preiserwartungen durch die Decke." Grund dafür sei das Ende der reduzierten Mehrwertsteuer auf Speisen zum Jahreswechsel: Dann werden wieder 19 statt der bislang sieben Prozent fällig. "Die Preise werden steigen in der Gastronomie", sagte Wohlrabe.

Auch der Einzelhandel blicke alles andere als euphorisch auf das laufende Weihnachtsgeschäft. Im Bauhauptgewerbe fiel der Index sogar auf den niedrigsten Wert seit September 2005.

"Eine kalte Dusche"

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank bezeichnete die Daten als eine "kalte Dusche“. "Die deutschen Unternehmen haben einfach zu viel zu verdauen, etwa ein neues Zinsumfeld, dauerhaft hohe Energiepreise und eine jahrelange Erosion der Standortqualität", stellt Krämer fest. Die Haushaltskrise sei in diesem Zusammenhang nicht hilfreich.

Eigentlich habe in den vergangenen Wochen vieles für ein Ende der konjunkturellen Talfahrt gesprochen, zumal am Horizont die Aussicht auf sinkende Leitzinsen für 2024 hell aufleuchte, meint Jens-Oliver Niklasch, Ökonom bei der LBBW. "Doch mit den jüngsten Zahlen aus der Industrie sind die Abwärtsrisiken wieder stärker in den Vordergrund getreten."

Damit dürften sich die konjunkturellen Aussichten weiter verschlechtern. Die deutsche Wirtschaft war im Sommer leicht geschrumpft. Bei einem weiteren Rückgang des Bruttoinlandsproduktes im laufenden Quartal droht ein Rückfall in eine vorübergehende, sogenannte technische Rezession.

Konjunkturprognosen werden pessimistischer

Viele führende Wirtschaftsforschungsinstitute wie das ifo, das Berliner DIW und das IWH aus Halle haben ihre Prognosen für 2024 gesenkt und erwarten nur noch 0,5 bis 0,9 Prozent Wachstum. Das gewerkschaftsnahe IMK geht sogar davon aus, dass die Wirtschaft 2024, genau wie in diesem Jahr, um 0,3 Prozent schrumpft. "Kürzungen bei den Staatsausgaben, höhere Abgaben und die zusätzliche Unsicherheit über die weitere Förderung von Klimaschutzprojekten dürften den bremsenden Effekt von hohen Zinsen und verhaltener Entwicklung der Weltwirtschaft verstärken", erklärten die Forscher in ihrer am Montag veröffentlichten Prognose.

Auch die Commerzbank rechnet Krämer zufolge für das gesamte Jahr 2024 mit einem von 0,3 Prozent: "Mit dieser Prognose liegen wir noch immer deutlich unter dem Konsens von 0,4 Prozent, wobei sich dieser seit Monaten in unsere Richtung bewegt“, so der Experte.

"Alles in allem gehen wir davon aus, dass die derzeitige Stagnation und leichte Rezession anhalten wird", kommentiert Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING. Das Risiko, dass 2024 ein weiteres Rezessionsjahr sein werde, habe sich deutlich erhöht. "Es wäre das erste Mal seit Anfang der 2000er-Jahre, dass Deutschland eine zweijährige Rezession durchläuft, auch wenn es sich um eine flache Rezession handeln dürfte", so Brzeski.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. Dezember 2023 um 11:58 Uhr.