Streik in Italien wegen Arbeitsmarktreformen "So geht's nicht!"

Stand: 12.12.2014 16:06 Uhr

Die Gewerkschaften in Italien laufen Sturm gegen die Arbeitsmarktreformen der Regierung. Unter dem Motto "So geht´s nicht!" riefen sie zum Streik auf. Tausende gingen auf die Straßen und legten weite Teile des öffentlichen Lebens lahm.

Zwei große Gewerkschaftsverbände gehen auf Konfrontationskurs: mit Demonstrationen in 54 Städten, durch Arbeitsniederlegungen im großen Stil. Alitalia hat hunderte Flüge gestrichen. Der öffentliche Nahverkehr kam zum Beispiel in Rom zum Teil zum Erliegen. Autobahnen wurden bestreikt, Verwaltungen, Schulen und Krankenhäuser.

Als klares Zeichen gegen die Reformen, die die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi auf den Weg bringt, will die Generalsekretärin des Gewerkschaftsverbandes CGIL, Susanna Camusso, dies verstanden wissen. Die Richtung müsse geändert werden, Arbeitsplätze geschaffen werden.

"Wir brauchen Investitionen, Antworten auf drei Millionen Arbeitslose und auf die vielen jungen Leute, die die Koffer packen und wegziehen, weil es keine positive Zukunft in einem Land gibt, wo die Arbeit keine Würde hat und es kein Recht auf Qualität gibt", so Camusso. "Es muss also die bisherige Richtung verändert werden, die Idee, dass man Wachstum erzeugt, indem man kürzt. Das führt zur Rezession. Und man muss bedenken, dass man ein Land mit allen und nicht gegen alle verändert."

Regierung will mit Maßnahmen für Wachstum sorgen

Die Wirtschaftszahlen scheinen ihr Recht zu geben. Italien steckt noch immer in der längsten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Die Arbeitslosenzahlen sinken nicht – die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 43 Prozent. Außerdem ist Italien nah an der Deflation und riskiert damit, dass die enormen Staatsschulden von über 2100 Milliarden Euro weiter steigen. Deshalb ist das wichtigste Ziel der Regierung, für Wachstum zu sorgen.

Das hat Ministerpräsident Renzi heute noch einmal bekräftigt: "Wir wollen das Minuszeichen abschaffen, und das werden wir tun. Wir werden das mit den Reformen tun, mit der Entschlossenheit von allen, den Arbeiterinnen und den Arbeitern, den Unternehmerinnen und Unternehmern, den Handwerkern und den Leuten, die Lust haben in unser Land zu investieren. Höchster Respekt für die Gewerkschaften, die streiken. Wir haben eine andere Meinung als sie, wir werden das Land auch für sie verändern."

Besonders umstritten ist die Arbeitsmarktreform, die in der letzten Woche vom Parlament verabschiedet wurde: Unternehmer sollen finanzielle Anreize bekommen, wenn sie Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig wird das in Italien traditionell starke Kündigungsrecht geschwächt, das dem bisher entgegenstand. Das ist nicht nur den Gewerkschaften ein Dorn im Auge: Auch in seiner eigenen Partei, dem Partito Democratico, muss Renzi mit Widerstand kämpfen.

Renzi will Aufweichung des Gesetzes verhindern

Und entsprechend war heute auch Stefano Fassina auf der Straße, der schon mal stellvertretender Wirtschafts- und Finanzminister war: "Ja, leider bin ich dabei. Ich hätte es vorgezogen, wenn es keinen Generalstreik gegeben hätte", sagt er. "Doch das Arbeitsgesetz raubt vielen Millionen Arbeitern ihre Rechte, es bekämpft aber nicht die Zeitverträge. Die Ausführungsbestimmungen des Gesetzes müssen so geschrieben werden, dass das wieder gut gemacht wird."

Eine solche  Aufweichung will Renzi in jedem Fall verhindern – und kündigt indessen weitere Reformen an: die überbordende Bürokratie soll vereinfacht werden, die Ausgaben der öffentlichen Hand stärker kontrolliert. Es soll Anreize für Investitionen geben und eine Reform der Schulen. Auch dagegen wird es ziemlich sicher wieder Proteste geben. Das war vermutlich nicht der letzte Generalstreik gegen die Regierung von Matteo Renzi.

Jan-Christoph Kitzler, J.-C. Kitzler, ARD Rom, 12.12.2014 15:51 Uhr