Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft in Griechenland Anzeichen für die Krise gab es schon lange

Stand: 03.03.2010 06:15 Uhr

Die Sparpakete der griechischen Regierung kommen spät. Denn die Ursachen der Krise reichen Jahrzehnte zurück. Lange betrieben die regierenden Parteien Klientelpolitik. Hinzu kommt das Problem der Steuerhinterziehung, das in den Staatsfinanzen ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit hinterlässt.

Von Ulrich Pick, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

Bereits im Dezember 2008 kam es mehr als eine Woche lang zu schweren Straßenschlachten in Athen und Thessaloniki. Auslöser war der Tod eines Jugendlichen durch den Schuss eines Polizisten. Im vergangenen Jahr flammten die gewaltsamen Proteste immer wieder auf. In ihrem Verlauf wurde immer klarer: sie richten sich gegen überkommene und verkrustete gesellschaftliche Verhältnisse. Eine Universitätsdozentin glaubt, dass die Gewalt nur vordergründig wegen des Todes des Jugendlichen ausbrach. "Dahinter aber steht doch die Politik. Dieses Phänomen ist noch nicht komplett analysiert worden. Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass Gewalt nicht irgendwoher kommt, sondern einen Hintergrund hat", sagt sie.

Die Regierung sichert sich die eigenen Pfründe

In der Tat war von Seiten der Studenten, von denen sich viele den Protesten anschlossen, scharfe Kritik an der Politik zu vernehmen. Seit Jahrzehnten, so hieß es, hätten die beiden großen Parteien des Landes, die konservative Nea Dimokratia und die sozialdemokratische Pasok, ihre Macht stets zur Sicherung eigener Pfründe genutzt. Durch die Zuschüsse, die Griechenland über Jahre hinweg aus Brüssel bekam, sei zudem reichlich Geld vorhanden gewesen, um unzufriedene Stimmen gegebenenfalls zum Schweigen zu bringen. Doch die daraus erwachsene Klientelpolitik habe den Staat von innen ausgehöhlt und - so ein Student - einen wirklichen Fortschritt behindert: "Irgendetwas ist hier faul. Mit der Polizei, der Regierung und der gesamten politischen Szene. Denen geht es lediglich ums Geld."

In welcher Schieflage Griechenland sich befindet, veranschaulicht auch die hohe Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Menschen. In der Altersgruppe bis 24 Jahre war im vergangenen Herbst jeder Vierte ohne Job. Selbst gut ausgebildete Hochschulabsolventen wie die Athenerin Anastasia, die sich als Kellnerin durchschlägt, suchen oft jahrelang nach einer Stelle. Sie meint, dass Leute mit einem guten Uni-Abschluss immer zu hören bekämen, dass es keine Jobs gebe. "Und", sagt sie weiter, "weil die Unternehmen kein Geld haben, schaffen sie auch keinen neuen Arbeitsplätze. So ein Fall - wie Du siehst - bin ich auch. Deshalb arbeite ich hier."

Steuerhinterziehung: Lieblingssport der Reichen

Was die zahlreichen arbeitssuchenden Akademiker betrifft, so spricht man in Griechenland mittlerweile von der "700-Euro-Generation". Auffällig ist in diesem Zusammenhang, in welch eklatantem Widerspruch ihr ausgesprochen knappes Einkommen zur allgemeinen Mentalität der Steuerhinterziehung der Wohlhabenden steht. Denn den Fiskus zu betrügen, gilt an der Ägäis sozusagen als Lieblingssport der Besserverdienenden. Kostas Tsouparopoulos, der leitende Wirtschaftsredakteur der Tageszeitung "Elefterotypia", glaubt, dass Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft bis zu 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Diejenigen, die Steuern hinterziehen, seien Konzerne, mittlere Unternehmen und Freiberufler. Und sie täten es, indem sie ihren wahren Umsatz nicht angäben, ihre eigenen Angestellten nicht versicherten oder keine Mehrwertsteuern abrechneten und an den Staat abführten.

Vor allem Händler und Unternehmer sind die Profiteure

Schaut man in die Steuerstatistik, ergibt sich daher ein groteskes Bild. So lag 2008 das Jahreseinkommen von Ärzten, Rechtsanwälten und Architekten bei knapp über 10.000 Euro und das der Händler sowie der Unternehmer bei rund 13.000 Euro. Gleichzeitig kamen Arbeitnehmer und Rentenbezieher auf etwas mehr 16.000 Euro. Fragt man diejenigen, die den Staat regelmäßig um seine Steuern betrügen, nach ihren Motiven, erhält man eine Antwort, die ähnlich klingt wie die Politiker-Kritik der demonstrierenden Studenten. Ein Unternehmer, der lange Jahre in Deutschland lebte, schätzt, dass mehr als 60, 70 Prozent der Geldausgaben der Staatsfinanzen unkorrekt fließen. "Bevor die von uns verlangen, Steuer zu bezahlen, müssen sie erst mal beweisen, dass sie das Geld richtig verwalten können und wollen."

Dieser Verbalangriff, mit dem die Steuerschwindeleien zahlloser reicher Griechen verteidigt werden, klingt durchaus plausibel. Denn dass die Politikergilde in Athen in der Vergangenheit vielfach nicht in der Lage war, den Staat passabel zu verwalten, hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt.