Griechische Gipfel-Reaktionen "Papandreou durfte nur zuschauen"

Stand: 27.10.2011 13:01 Uhr

So erleichtert Politiker in Europa auf die Gipfel-Beschlüsse reagieren - am Tag danach herrschen in Griechenland Ernüchterung, Angst und Pessimismus. Denn das griechische Volk teilt nicht die Erleichterung ihres Premierministers, sondern befürchtet noch härtere Sparmaßnahmen.

Von Steffen Wurzel, ARD-Hörfunkstudio Istanbul, zzt. in Athen

Unterschiedlicher könnte die Wahrnehmung der EU-Gipfel-Beschlüsse nicht sein. Während sich die Politiker in Brüssel, Berlin und Paris freuen, herrschen in der griechischen Öffentlichkeit Ernüchterung, Angst und Pessimismus. "Der Schuldenschnitt ist ein provisorischer Rettungsring. Wenn es keine echten Reformen und keinen Aufschwung gibt, werden wir in einigen Jahren wieder über einen Schuldenschnitt reden", sagt ein 35-jähriger Arbeitsloser aus Athen. "Ohne Aufschwung und mit dieser Rezession geht es nicht vorwärts, auch mit 60, 70 oder 80 Prozent Schuldenerlass nicht."

Vor allem eines der Ergebnisse des europäischen Gipfeltreffens wird heute in Griechenland kontrovers diskutiert: Die Tatsache, dass die Haushaltspolitik der Regierung in Athen künftig noch strenger von Europa überwacht werden soll. Die konservative Zeitung Avrianí schreibt in einer riesigen Überschrift: "Die Regierung hat einer ständigen Besatzung durch die Troika zugestimmt". Auch eine Zeitung vom entgegengesetzten politischen Spektrum, die kommunistische "Rizospastis", verurteilt die Gipfel-Beschlüsse. Sie spricht von einer "Katastrophe fürs griechische Volk".

"Der deutsche Panzer"

Was damit gemeint ist: Alle in Griechenland rechnen damit, dass die Regierung nun, nach dem so genannten Haircut von 50 Prozent, neue Sparmaßnahmen beschließen wird. Denn der Haircut wird den riesigen Schuldenberg Griechenlands zwar abschmelzen, aber eben nur etwas. Die Griechen rechnen damit, dass sie noch härter sparen müssen als bisher.

Die Zeitung "Eleftheros Typos" kritisiert, die griechische Regierung sei bei den Gipfelbeschlüssen der Nacht lediglich Zaungast gewesen und habe nicht mitreden dürfen. "Die Franzosen und die Deutschen haben entschieden", lautet die Überschrift,  "und Papandreou durfte zuschauen." Die Tageszeitung "Eleftherotypia" formuliert es noch drastischer: "Der deutsche Panzer bringt uns neue Sparmaßnahmen".

Von offizieller griechischer Seite werden die Gipfel-Beschlüsse hingegen begrüßt und als geradezu historisch gefeiert. Nach dem Ende des Gipfeltreffens am frühen Morgen stellte sich ein sichtlich müder Ministerpräsident Giorgios Papandreou in Brüssel der Presse und sagte: "Allein die Tatsache, dass wir uns heute hier befinden, ist ein großartiger Erfolg für das griechische Volk. Heute können wir endgültig mit der Vergangenheit abschließen und all unsere Kraft in die Zukunft des Landes stecken."

Steffen Wurzel, S. Wurzel, SWR Istanbul, 27.10.2011 11:51 Uhr

Auch für griechische Banken gilt der Schuldenschnitt

Die griechische Regierung wird sich nun zwei großen Problemen stellen müssen. Erstens: Man rechnet fest mit einer Bankenkrise. Denn die griechischen Banken werden durch den so genannten "freiwilligen" Schuldenerlass von 50 Prozent schwer getroffen. Hintergrund ist, dass der griechische Staat sich vor allem bei den inländischen Banken Geld geliehen hat - und diese Schulden wird der Staat nun zur Hälfte nicht zurückzahlen. Die Geldhäuser werden also riesige Verluste erleiden. Die Frage ist nun, wie es die griechische Regierung schaffen will, eine Kapitalflucht ins Ausland zu verhindern und den Bankensektor zu retten.

Das zweite Problem: Auch die griechischen Rentenkassen haben dem Staat vereinfacht gesagt Geld geliehen. Auch die Rentenkassen müssen nun also nach dem Schuldenschnitt Milliarden abschreiben. Pessimisten warnen bereits davor, dass griechischen Rentnern im schlimmsten Fall eine Halbierung der Bezüge droht.

Rentner aus Athen reagieren auf solche schlimmen Aussichten verbittert. "Selber schuld! Unser Land hat nicht aufgepasst. Unser Vize-Regierungschef hatte Recht, als er sagte, wir haben uns das Geld zusammengestohlen", sagt ein 70-Jähriger. "Auch Papandreou hatte Recht - er sagte, dass unser Staat korrupt sei. Wir haben gestohlen und sind korrupt! Man sieht ja, was dabei rauskommt."